Schlüsselspieler zwischen allen Stühlen

In den 90er-Jahren noch von sogenannten Managementvordenkern als "Lähmschicht" und "Blockierer" verspottet, ist die Rolle des Mittelmanagements heute wichtiger denn je. Auch wenn dieser Umstand der Managementforschung bislang entgangen sein dürfte.

Als Mitte der 90er-Jahre "Lean Management" und mit ihm das ersatzlose Streichen ganzer Hierarchieebenen gerade modern war, verstieg sich der amerikanische Managementautor Tom Peters im Buch "Jenseits der Hierarchien" zu der gewagten These "In letzter Zeit hat das mittlere Management in den meisten Firmen überhaupt mehr keinen Mehrwert erzeugt. Die mittleren Führungsebenen sind deshalb schlimmer als nutzlos: Sie zerstören Werte." Der Mann irrte gewaltig.

Der Mittelmanager als Keilriemen

Dass acht oder neun Hierarchieebenen, wie es in großen Konzern damals vorkam, nicht gerade schnelle Reaktionen, Innovations- und Wandlungsfähigkeit fördern und daher flachere Strukturen und veränderte Organisationsformen die Flexibilität erhöhen, ist logisch und daher vielfach verändert worden. Der Umkehrschluss, dass damit das Ende des Mittelmanagements eingeläutet sei, ist jedoch ein glatter Fehlschluss. Im Gegenteil. Je beweglicher Unternehmen werden, desto entscheidender wird die Rolle der Mittelmanager.

Aus einem einfachen Grund: Eine der zentralen Aufgaben von Mittelmanagern ist es, so Mag. Mathias Weyrer von der Beratungsgesellschaft C/O/NE/C/T/A, "die strategische Sprache seines Vorgesetzten in die operationale Sprache seiner Mitarbeiter zu verwandeln. Er muss also abstrakte Zielvorgaben wie die geforderten 12% Marktanteil in operative Ziele und Maßnahmen bei seinen Spezialisten umsetzen, die dann letztendlich zum Erfolg führen. Zum einen muss er bei den oft abstrakten Vorgaben erst herausfinden, wie die Aufgabe zu lösen ist und dann muss er bei seinen Mitarbeitern dafür sorgen, dass sie umgesetzt wird und die dazu nötige Motivation entsteht." Gleichzeitig muss er Informationen und Einsichten, die er aufgrund seiner Nähe zum Markt und Alltagsgeschäft gewonnen hat, nach oben kommunizieren und strategische Entscheidungen im Sinn der notwendigen Bodenhaftung einfordern und mitgestalten.

Mittelmanager fungieren somit als das entscheidende Bindeglied zwischen strategischen Zielen und operativem Geschäft. Sie sind der Transmissionsriemen, der Strategien konkretisiert, operationalisiert und realisiert.

Ein Minenfeld ohne Ausgang

Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass diese Aufgabe als zentrales Bindeglied Mittelmanager in eine mit Widersprüchen gepflasterte Doppelrolle bringt, aus der es kein Entrinnen gibt: Einerseits agiert der "Sandwichmanager" als Vertreter der Organisation und verwandelt Strategien und Unternehmensziele in Bereichs- und Abteilungsziele samt erforderlichen Maßnahmen, um diese dann mit seiner Mannschaft zu realisieren, andererseits fungiert er als Sprachrohr seines Bereichs und damit seiner Mitarbeiter. Die Kunst besteht darin, dieses Dilemma - Erwartungen der Organisation einerseits, Erwartungen der Mitarbeiter andererseits - nicht nach einer Seite kippen zulassen.

Agiert ein Mittelmanager ständig nur als Sprachrohr des Unternehmens, verrät er seine Mitarbeiter und verliert damit das nötige Ansehen und ihre Kooperationsbereitschaft, vertritt er hingegen einseitig nur die Interessen seiner Mitarbeiter, rutscht er bei seinem eigenen Vorgesetzten aus. Egal was er macht, er kann qua seiner Rolle es keiner der beiden Seiten 100%ig recht machen. Diese Zwickmühle ist wesentliches Merkmal seiner Funktion, aus der es kein Entrinnen gibt. Auf jeder der Seiten steht man mit einem Bein drinnen, mit dem anderen draußen. Genau darin besteht ja die Aufgabe.

Das Bemühen, es allen recht machen zu wollen, ist hier von vornherein zum Scheitern verurteilt. Erforderlich ist, dieses "fragile Interessens- und Beziehungsfeld zwischen Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen" (Weyrer) situativ zu managen, indem die unterschiedlichen Interessen, Sichtweisen und Standpunkte immer wieder verdeutlicht und situativ abgewogen werden. Das erfordert intensive Kommunikation, Verhandlungsgeschick, Frustrationstoleranz und nicht zuletzt das bewusste Annehmen Das klingt mühsam und anspruchsvoll und das ist es auch.

Eine Schlüsselrolle im Unternehmenswandel

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, aus dem dem Mittelmanagement eine Schlüsselrolle in Unternehmen zukommt. Der von Unternehmensleitungen beschworene ständige Wandel bleibt leeres Gerede, wenn und solange er nicht vom Mittelmanagement aufgegriffen und realisiert wird. Genau hier entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg von Change-Projekten, da sich an dieser Stelle Gedachtes in Realisiertes wandelt - oder eben auch nicht. Das Schmiermittel dazu – das wird aus den Praktikergesprächen dieses Reports mehr als deutlich - heißt: Information, Kommunikation und Unterstützung zwischen den Führungsebenen.

Damit ist auch die größte Gefahrenquelle klar markiert: Beschränkt sich das Top-Management darauf, neue Strategien zu verkünden und deren Realisierung nach unten zu delegieren, ohne darüber mit seinen Führungskräften ausreichend zu reden und die Hintergründe, Absichten und Ziele verständlich zu machen und – soweit als möglich - die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen, fühlen sich die Mittelmanager schnell im Regen stehen gelassen und sind dementsprechend frustriert und verärgert. Zumal sie damit in die Rolle gedrängt werden, Strategien und Ziele gegenüber den eigenen Mitarbeitern zu vertreten, die sie entweder für illusorisch und unrealistisch betrachten, nicht nachvollziehen können oder deren Absicht sich ihnen mangels Erklärung nicht erschließt.

So wichtig die Funktion der Mittelmanager für die Strategieumsetzung und Weiterentwicklung das Unternehmen auch ist, dem eigenen Erleben der Sandwichmanager wird diese Beschreibung nicht wirklich gerecht. Befragt man die Betroffenen selbst, ist häufig die Rede von

     

  • Top-Managern, die dem Kapitalmarkt eine tolle Story bieten wollen und daher fusionieren, übernehmen und reorganisieren, was das Zeug hält, was keineswegs immer zum Vorteil des Unternehmens ist, auf jeden Fall aber den Druck aufs Mittelmanagement enorm erhöht, nur ja die dem Kapitalmarkt bereits versprochenen Ergebnisse zu liefern. Wie, interessiert keinen.
  • häufigen Strategieschwenks, die Mittelmanager oft ratlos zurücklassen und gegenüber ihren Mitarbeitern in Argumentationsnotstand bringen.
  • immer anspruchsvolleren Zielen, ohne aber – "Sie wissen doch, wir müssen auf unsere Kosten achten" – die dafür nötigen Ressourcen zu bekommen
  • der Schwierigkeit, mehrere einander teils diametral widersprechende Ziele gleichzeitig erfüllen zu müssen. Ziel 1: mehr Projekte bei gleichem Personal, Ziel 2: Überstundenabbau.
  • dem Gefühl, auf die neue Rolle nur unzureichend vorbereitet gewesen zu sein, zumal es eine in vielen Firmen nach wie vor betriebene Praktik ist, sehr gute Fachkräfte mit Führungspositionen zu belohnen und die Qualität der Führung kaum ein Thema ist, Hauptsache die Zahlen stimmen.
  • dem Pendeln zwischen Selbstüberschätzung – "ich bin eine gute Führungskraft, sonst hätte ich den Job nicht bekommen" – und Versagensängsten – "diese Vorgaben sind illusorisch, aber wer das sagt, wird niedergemacht".

Mittelmanager und ihre konkreten Probleme

Wie erleben also die Mittelmanager selbst ihre Funktion? Was beschreiben sie selbst als Schwierigkeiten im Umgang mit den oft widersprüchlichen Forderungen von oben und unten? Wie managen sie das Grunddilemma, in dem sie sich befinden und wie behelfen sie sich, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden? In welche Richtung sehen sie selbst die meisten Probleme: nach oben mit ihren Vorgesetzen, nach unten in Bezug auf Mitarbeiterführung oder auf die Seite, in der Zusammenarbeit mir ihren Kollegen? Diesen Fragen ging der neue Report in mehreren Praktikergesprächen mit Teamleitern, Abteilungsleitern und Personalleitern nach:

Viele Manager leiden an "Kosten-Angst": Robert Graf, selbständiger Coach, über die Versuchungen und Probleme in seiner Zeit als Mittelmanager in der Österreich-Tochter eines internationalen Multi. 

Jeder sitzt irgendwo dazwischen: Andreas Gabriel von der Post AG über gute und schlechte Chefs und die Anforderungen nach oben, um die eigene Rolle gut ausfüllen zu können.

Reines Weitergeben untergräbt die eigene Autorität: Ein Abteilungsleiter eines 500-Mann-Unternehmens über Fusionsmühen, ständigen Kostendruck und die Kunst des Argumentierens.

Jammern oder aktiv werden: Der Personalchef eines mittelständischen IT-Unternehmens über nciht wahrgenommene Führung im Mittelmanagement

Autor: Leaders Circle, Peter Wagner, 09.2005

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