Auslandsentsendungen und internationale Karrieren

Worauf müssen Führungskräfte achten, damit die Entsendung ins Ausland die Karriere fördert und nicht zur Sackgasse wird?

Der erste Schritt ins Ausland führte den deutschen Mediziner Dr. Hartmut Ehrlich nach Abschluss des Studium von Gießen nach Indianapolis und bereits kurze Zeit später sollte sich zeigen: Berufliche Pläne sind gut und wichtig, doch nur allzu schnell werden sie von der Realität überholt. Statt wie ursprünglich geplant nach zwei Jahren nach Deutschland zurückzukehren, führte der weitere Karriereweg nach Amsterdam, dann für zwei kurze Stationen zurück nach Deutschland, weiter in die Schweiz, wieder nach Deutschland und von dort nach Österreich. Gedacht als einjähriger Stop auf dem Weg in die USA wurde aus dem Kurzaufenthalt des inzwischen zum global verantwortlichen Vorstand für Forschung und Entwicklung und Vice President bei Baxter BioScience aufgestiegenen Managers eine bereits acht Jahre währende Zeit in Wien.

Leben ist da, wo die Firma einen braucht.

Vor allem amerikanische Konzerne, die global tätig sind, operieren häufig mit dem Konzept eines "internationalen Pools", bei dem Manager durch Aufnahme in diesen Kader ihre Zustimmung signalisieren, sich international einsetzen zu lassen und zwar jeweils dort, wo es aus Konzerngründen gerade notwendig ist. Sei es, weil bestimmte Konzernverantwortlichkeiten an einem bestimmten Ort konzentriert werden – wie im Fall die F&E-Aktivitäten von Baxter (zumindest derzeit) in Wien - oder bestimmte Kompetenzen für bestimmte Zeiten an bestimmten Orten benötigt werden – wie es beim Aufbau neuer Fabriken der Fall ist, wodurch Produktionsfachleute immer wieder mit dem "reizvollen Angebot" konfrontiert werden, in einem als Expansionsgebiet definierten Markt eine neue Produktionsstätte aufzubauen.

Im Gegensatz dazu ist der bei europäischen Unternehmen noch dominierende Zugang weniger der eines "Pools globaler Manager", sondern eher geprägt von Auslandsentsendungen mit dem Heimatland als "homebase", in das die Manager nach einigen Jahren wieder zurückkehren. Doch auch hier gibt es die klar erkennbare Tendenz in Richtung Poolgedanke, getrieben durch die Weiterentwicklung vieler ehemals westeuropäischer Firmen zu mittel- und osteuropäischen Konzernen, die bereits in zahlreichen Ländern aktiv sind und dort teilweise Töchter besitzen, die um ein mehrfaches größer sind als die Mutterunternehmen.
Dabei ist eine schrittweise Entwicklung erkennbar, deren Phasen Mag. Judith Seher, Leiterin des Expatriates Services beim Mineralölkonzern OMV, so charakterisiert: "In Phase 1 kommt er zur Entsendung von Expatriates von der Muttergesellschaft in die Töchter für durchschnittlich 3-5 Jahre. Danach kehren diese Manager meist in die Muttergesellschaft zurück. In Phase 2, die einhergeht mit der Entwicklung der Töchter, kommt es zu einer vermehrten Entsendung von Managern dieser Töchter in die Muttergesellschaft und in die Holding, um dieses Wissen hier angemessen repräsentiert zu haben. In Phase 3 wechseln die Manager zunehmend direkt zwischen den Ländern hin und her."

 Dr. Hartmut Ehrlich, Baxter BioScience: Positionen sind nciht planbar

 Mag. Judith Seher, Christina Haug, OMV: Erfolgsfaktoren bei Auslandsentsendungen

Fragen über Fragen

Wie kommt es überhaupt zu diesen Einsätzen, was sollte man genau überlegen und klären, bevor man diesen Schritt tut, wie ergeht es den Führungskräften während dieser Zeit im Ausland und vor allem wie gestaltet sich die Rückkehr, so es überhaupt dazu kommt?

Auslöser: Die Schlüsselphrase bei Auslandsentsendungen heißt aus Unternehmenssicht: "weil es dort noch nicht...". Auslandsentsendungen sind für Unternehmen die mit Sicherheit teuerste Form des Mitarbeitereinsatzes. Daher wird darauf vor allem dann zurückgegriffen, wenn dringend benötigte Kenntnisse und Fertigkeiten derzeit "noch nicht" vor Ort verfügbar sind. Sei es Expertenwissen wie der Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur, Managementfähigkeiten gekoppelt mit Expertenwissen wie beim Aufbau und Leitung des Investmentbanking-Bereichs in einer neu übernommenen Banken-Tochter oder Management-Know-How bei Gründung und Aufbau einer neuen Tochtergesellschaft in einem neuen Markt. Das klare Ziel: Sobald der Aufbau vollzogen ist, übernimmt ein lokaler Experte bzw. Manager die Agenden, möglicherweise mit demselben Gehalt, aber ohne die hohen Zusatzkosten eines Expatriates.

Wichtige Vorüberlegungen: Wenn Auslandsentsendungen scheitern, so der einhellige Tenor auslandserfahrener Manager und Expatriates-Spezialisten, dann fast nur aus einem Grund: aufgrund der familiären Situation! Während die Expatriates selbst aufgrund der neuen Situation in aller Regel eine für sie aufregende und spannende Zeit erleben, laufen Partner, die ins Ausland mitgehen, Gefahr, im neuen Land - isoliert vom bisherigen Freundeskreis, oft ohne Erlaubnis zu arbeiten und ohne ausreichende Kenntnisse der Landessprache - zu vereinsamen.

Diese Gefahr ist umso größer, je mehr der Partner, als die Entscheidung anstand, "sich in sein/ihr Schicksal gefügt hat", aber eigentlich nicht wirklich mit wollte. Bleibt der Partner bzw. die Familie im Heimatland, während der Expatriate pendelt, kann diese Fernbeziehung sowohl bereichernd sein – "Da ich unter der Woche keine familiären Verpflichtungen hatte, konnte ich auch an den Abenden problemlos Termine machen und mich dann dafür am Wochenende wirklich voll meiner Familie widmen" – als auch starken Belastungen ausgesetzt – "Einige Beziehungen sind in die Brüche gegangen, weil manche Kollegen dann Partner vor Ort gefunden haben".

Karriereturbo? Die Gleichung Auslandsentsendung = Karriereticket stimmt in dieser simplen Form nicht. Wahr ist, dass Auslandsentsendungen den Horizont erweitern, wichtige Impulse zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung liefern und vielfältiges Wissen um die Funktions- und Arbeitsweise der Tochterunternehmen generieren, wodurch der Mitarbeiter sowohl für das Unternehmen an Wert gewinnt als auch den persönlichen Marktwert erhöhen kann.

Doch die - vor allem von jungen Managern gehegte - Erwartung, bei der Rückkehr in die Heimatorganisation quasi automatisch einen erneuten Karriereschritt zu machen, ist keineswegs immer leistbar. Vor allem aus zwei Gründen: Erstens verändern Organisationen ihre Strukturen und Prozesse heute so schnell, dass kein Unternehmen mehr garantieren kann, dass bestimmte Positionen oder Aufgabenfelder bei der Rückkehr noch vorhanden sind. Zum anderen sind die in dieser Zeit erworbenen Fähigkeiten und die vor Ort geknüpften Kontakte und Netzwerke zwar ein wichtiger Wert, nur werden sie in zunehmendem Maß zur Voraussetzung bei der Erlangung bestimmter Positionen, garantieren diese Beförderung aber noch nicht per se.

Vorbereitung der Rückkehr: Zur notwendigen Mobilität gesellt sich somit auch ein hohes Maß an notwendiger Proaktivität und Flexibilität auf Seite des Expatriates. Denn selbst wenn Unternehmen ihren Beitrag zur Vorbereitung der Rückkehr leisten, indem sie wie die OMV Expatirates in die jährliche Nachfolgeplanung integrieren und frühzeitig mit den Rückkehrgesprächen beginnen, hängt doch ein wesentlicher Teil der gelingenden Rückkehr von den Aktivitäten des Expatriates selbst ab. Vor allem das ständige Kontakthalten mit der Stammorganisation, die Pflege der eigenen Netzwerke, um nicht von Informationen über neue Entwicklungen abgeschnitten zu werden sowie das frühzeitige Vorfühlen und Erkunden neuer Chancen sowie die Offenheit auch für ursprünglich nicht geplante neue Aufgaben erweisen sich hier als zentrale Erfolgsfaktoren.

 Franz Deim, Erste Corporate Finance: "Der Rückkehrprozess beginnt lange vorher"

 Dr. Herbert Mannsbart; Erste-Bank: Expats - die kostenintensivste Form des Mitarbeitereinsatzes

KMUs agieren ohne Expatriates

Der Einsatz von Expatriates nimmt aufgrund der Internationalisierung vieler Unternehmen zwar laufend zu, jedoch nur in den großen Unternehmen. KMUs, die neue Märkte erobern, beschreiten aus Kostengründen meist einen anderen Weg. Während die Abwicklung des operativen Geschäfts meist in den Händen eines oder mehrerer Mitarbeiter liegt, z.B. von Exportsachbearbeitern, sind es am Anfang meist die Geschäftführer und/oder Vertriebsleiter, die von Zeit zu Zeit ins Ausland pendeln, um vor Ort nach dem rechten zu sehen. Erst wenn die Zahl der Auslandsmärkte dies immer schwieriger gestaltet, kommen Spezialisten zum Einsatz, die in aller Regel einen engen Bezug zu diesen Ländern haben, aber nicht ständig vor Ort sind, sondern pendeln. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür sind die Area-Manager eines mittelständischen österreichischen Unternehmens, das in mittlerweile 25 Ländern Zentral- und Osteuropas sehr erfolgreich tätig ist.

 KMUs: Area-Manager statt Expatriates

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