Area-Manager statt Expatriates

Der Personalmanager eines international tätigen Mittelbetriebs über die Unfinanzierbarkeit von Expatriates in KMUs und wie es Unternehmen dieser Größe trotzdem schaffen, Mitarbeiter international erfolgreich einzusetzen.

Sind Auslandsentsendungen für KMUs überhaupt ein Thema oder sind sie schlicht zu teuer?

Es ist zwar interessant zu sehen, wie es große Unternehmen machen, aber unser Weg war ein anderer. Wir haben 1990 begonnen, im Ausland verschiedenste Arten von Vertriebsniederlassungen zu gründen. Heute sind wir bereits in über 25 Ländern tätig. Es waren oft auch Zufälle, warum wir in ein bestimmtes Land gegangen sind, z.B. ist in Kasachstan ein Vertreter zu uns gekommen, der für uns arbeiten wollte und die Bearbeitung dieses Marktes passte in unsere Pläne. Anfang der 90er-Jahre hatten wir nicht das Kapital, um selbst Töchter zu gründen, also haben wir in den einzelnen Ländern meist mit Provisionären, sprich Vertriebspartnern, angefangen. Dann haben wir in Polen das erste Joint-Venture gegründet, weil wir noch nicht das Kapital für eine 100 prozentige Tochter hatten. Also haben wir uns mit jemandem aus der Branche, bei dem wir ein gutes Gefühl hatten, zusammen getan. Wir waren einfach zu klein, um einen eigenen Mitarbeiter in dieses Land zu schicken. Ähnlich war es dann in anderen osteuropäischen Ländern.

Aber es braucht doch ein Mindestmaß an Aufsicht.

Ja, wir hatten vor Ort den Partner und anfänglich bei uns gute Innendienstmitarbeiter, die das Tagesgeschäft abgewickelt haben. Zudem sind unsere Geschäftsführer immer wieder in diese Länder gefahren. Die Joint-Venture Partner wiederum kamen regelmäßig nach Österreich, weil sie den Kontakt brauchten und die Produkte kennen lernen mussten. Das war die erste Stufe.
Dann haben wir im nächsten Schritt Area-Manager eingeführt. Das sind Mitarbeiter, die die Sprache des jeweiligen Landes sprechen, meistens Österreicher, die aber ursprünglich aus diesen Ländern stammen. Ein Beispiel: In Serbien gibt es einen Area Manager, der in Österreich geboren wurde, dessen Eltern aber Serben sind. Dadurch hat er noch viele Verbindungen und eine emotionale Beziehung zu diesem Land. Aus diesem Grund ist es für ihn keine große Sache, in das Land zu fahren. D.h. wenn er hinunter fährt, ist das überspitzt gesagt keine "Bestrafung", für die ich ihn teuer bezahlen muss, wie mir das bei Expatriates mitunter vorkommt, sondern das ist für ihn etwas durchaus Lustvolles. Diese Area-Manager sind zudem schon erfahrene Leute, meist mit älteren Kindern, die schon studieren und wo es daher kein Thema ist, die Familie mitzunehmen. Unsere Area-Managerin in Kasachstan etwa ist eine 50-jährige Frau, die aus Kasachstan stammt, aber schon seit 20 Jahren in Österreich lebt. Sie pendelt, fährt immer zwei Wochen nach Kasachstan und ist danach wieder zwei Wochen in Österreich.

Wie findet man solche Leute?

Diese Personen zu finden ist schwierig. Bei uns war das ein evolutionärer Prozess. Oft sind diese Leute auf uns zugekommen, haben sich beworben und wenn es gepasst hat, haben wir sie genommen. Für diese Mitarbeiter ist es etwas besonderes, wieder in ihr Land zurückkommen zu können, aber den Lebensmittelpunkt in Österreich zu behalten. 

Sehr gute Erfahrungen haben wir mit slowakischen Area-Managern gemacht, gerade für Länder wie Russland, die Ukraine oder Georgien. In ihrem Geburtsland haben sie in der Schule noch Russisch gelernt, sprechen daher perfekt Russisch und Deutsch und sie sind von allen Völkern akzeptiert. Zudem haben sie zum Teil schon eine westliche Ausbildung bzw. einen wirtschaftlichen Hintergrund, etwa den Abschluss des Exportlehrgangs, und sie sind unserem Haus gegenüber loyal. Auch sie haben alle ihren Lebensmittelpunkt in Österreich und pendeln.

Es gibt also einen Geschäftsführer vor Ort und einen Area-Manager, teils als zweiter Geschäftsführer, der dem lokalen Manager zur Seite gestellt wird und Kontrollfunktion hat?

Ja, denn wenn man nur einen Geschäftsführer vor Ort hat, verliert man mehr und mehr die Kontrolle, das wird immer schwieriger. Daher ist es sehr wichtig, loyale Area-Manager zu haben, die dort in unserem Sinne agieren und nicht nur die Interessen vor Ort wahrnehmen.

Sind die meisten Osttöchter Joint-Ventures?

Nicht mehr. Vor 10 bis 5 Jahren war das der Hauptweg, aber das ist immer heikel. Damals hatten wir nicht das Kapital, heute gründen wir nur mehr 100 prozentige Töchter. Joint-Ventures sind nicht die optimale Lösung, aber es war damals nicht anders möglich.

So hat man zwar keine Expatriates, dafür aber hohe Reisekosten.

Richtig, wobei wir es so handhaben, dass wir die Reisekosten als Teil des Gehalts sehen. Wir haben es rechtlich so geregelt, dass wir die Arbeitsverträge gesplittet haben: Teilzeitarbeitsverträge in Österreich und Geschäftsführerverträge in dem jeweiligen Land, wobei wir die relativ hohen Reisekosten als Teil des Gehalts sehen.

Sind die Area-Manager immer auch Mit-Geschäftsführer in dem betreuten Land?

Nicht unbedingt, es gibt alle möglichen Varianten. Man muss immer schauen, wie groß das Land ist. Der russische Area-Manager ist nur für Russland zuständig und dort auch Geschäftsführer, aber es gibt auch Area-Manager, die für fünf Länder gleichzeitig zuständig sind, weil diese Länder viel kleiner sind und es vor Ort keine Tochtergesellschaften gibt, sondern nur Vertriebsleute. Jedes Land hat seine eigenen Notwendigkeiten. Für Mittelbetriebe, die im Ausland tätig sind, sind kleinere Lösungen sicher sinnvoller. Natürlich muss auch ich mir sehr genau anschauen, wen ich dort hin schicke, in unserem Fall: keine ganzen Familien und keine Leute ohne Bezug zum Land, die nur oder vor allem wegen des Geldes fahren.

Sind die Area-Manager immer in Österreich ansässige Personen mit Wurzeln in diesen Ländern oder gibt es auch Bewerbungen aus den Ländern selbst?

Das gibt es natürlich auch, aber das mache ich nicht, denn dann muss ich schauen: Wie kommen sie her, können sie hier Fuß fassen, gefällt es ihnen überhaupt, etc. Ich muss möglichst viele Unsicherheitsfaktoren bei der Auswahl so einer Person ausschalten und das Risiko minimieren. Das macht es natürlich schwer, die passenden Leute zu finden. Schließlich müssen sie auch widersprüchliche Anforderungen erfüllen: Hier im Stammhaus müssen sie sich an Regeln halten, an Strukturen, an Systeme, während sie im Ausland oft als Pioniere agieren, die aus dem Nichts etwas Neues herausstampfen müssen. Sie müssen im Verkauf gut sein, sie müssen im Management gut sein und sie müssen Spaß an dieser Art zu arbeiten haben. Daher sind das oft schon etwas ältere und erfahrene Leute, die die Phase der Familiengründung und der kleinen Kinder schon hinter sich haben und früher oft schon Ähnliches gemacht haben. Sie wissen also, was sie da erwartet und sie haben dazu die nötige Lebenserfahrung. Wir merken ganz klar: Der Erfolg in den einzelnen Ländern steht und fällt mit der jeweiligen Person.

Ein ganz anderes Problem ist, dass die lokalen Manager in Osteuropa oft eine extrem kurze Verweildauer haben. Ein bis zwei Jahre ist das schon lang. In diesen Ländern wird permanent abgeworben und die Loyalität ist wesentlich weniger ausgeprägt als bei uns. Wenn Manager dort woanders etwas mehr verdienen, ziehen sie weiter. Da etwas Bleibendes aufzubauen, ist wirklich eine Kunst. Auch hier gibt es nicht das eine Konzept, sondern es geht darum, nahe an den Leuten dran zu bleiben und zu schauen, was sie brauchen. Vor allem laden wir sie immer wieder nach Österreich ein, um ihnen zu zeigen, dass sie ein Mutterunternehmen haben, auf das sie stolz sein können.

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