Expatriates: Die kostenintensivste Form des Mitarbeitereinsatzes

Dr. Herbert Mannsbart, im Konzernpersonalmanagement der Erste Bank zuständig für Expatriates, über die Aufbauphasen eines Expatriates-Pools, die Bestandteile eines attraktiven "Packages" und die Feinheiten im Steuer- und Sozialversicherungsrecht.

In welchen Fällen kommen Expatriates bei der Erste-Bank-Gruppe zum Einsatz?

Wir haben eine Reihe von Tochtergesellschaften im zentraleuropäischen Raum. Im Zuge von Restrukturierungen und der Eingliederung dieser Töchter in die Erste Bank - Gruppe, setzen wir für eine gewisse Zeitdauer Expatriates in bestimmten sensiblen Positionen ein - Führungspositionen als auch Spezialistenaufgaben - bei denen zunächst noch nicht im ausreichenden Maß Mitarbeiter im Ausland zur Verfügung stehen.
Die Auslandsentsendungen sind für den Mitarbeiter in mehrfacher Hinsicht grundsätzlich sehr lukrativ und durch die Entsendung werden diese Mitarbeiter noch wertvoller für das Unternehmen und die gesamte Bankengruppe. Daher wissen sie, wenn sie zurückkommen und sich dort bewährt haben - und in der Regel haben Sie dort die Möglichkeit, in einer neuen Umgebung viel mehr zu bewirken als sie es hier in einer schon eher etablierten Umgebung in Österreich könnten - dann stehen sie auch als einige wenige im Blickpunkt des Vorstandes. Unseren Erfahrungen nach ist daher die Bereitschaft ausreichend groß, ins Ausland zu gehen. Wenn Sie andererseits bedenken, dass die gesamte Bankengruppe in Österreich und Zentraleuropa jetzt ca. 45.000 Mitarbeiter beschäftigt und wir insgesamt in Europa derzeit ca. 80 Expatriates haben, dann ist das aber noch ein sehr geringer Prozentsatz.

Als für Expatriates Zuständige werden wir im Regelfall erst eingeschaltet, wenn die betreffende Person bereits feststeht. Wir regeln dann die formalen Dinge, verhandeln den Vertrag und die Entsendungsbedingungen, wofür es gruppenweit verbindliche Rahmenbestimmungen gibt. Meist sind es eher jüngere Mitarbeiter, die flexibel genug sind, ins Ausland zu gehen, weil sie oft noch familiär ungebunden sind. Was natürlich leichter ist, als wenn Sie verheiratet sind, Ihr Partner/Ihre Partnerin berufstätig ist und Sie schulpflichtige Kinder haben.

Gibt es so etwas wie einen inneren Verlauf  im Aufbau eines Expat-Pools? Zuerst Entsendungen von der Konzernmutter, dann Austausch zwischen Mutter und Töchtern und schließlich der Austausch zwischen den ausländischen Töchtern?

Genau so ist es. Zuerst gab es bei uns nur Entsendungen von Österreich ins Ausland, dann begann ein Austauschprogramm mit Tschechien, bei dem auch viele Mitarbeiter nur kurzfristig für Wochen oder Monate nach Österreich gekommen sind, um hier die Erste-Bank-Kultur und unsere Arbeitsweise und unsere Systeme kennen zu lernen, um dann als Multiplikatoren zu wirken. Der nächste Schritt war dann schon, dass Mitarbeiter aus Tschechien und der Slowakei in die Muttergesellschaft gekommen sind und der dritte Schritt ist auch schon getan, dass die Unternehmen, die wir im Ausland haben, Mitarbeiter gegenseitig entsenden, z.B. Mitarbeiter aus Tschechien nach Rumänien oder in die Ukraine.

Klarer Weise ist es so, dass die Bereitschaft, von Prag oder Bratislava nach Wien zu gehen, größer ist als nach Novisad oder Kiev zu ziehen. Aber das ist ein Bewusstmachungsprozess, weil sich herumspricht, dass es für die Mitarbeiter, die dazu bereit sind, eine gute Sache ist. Wenn jemand, der in Prag Bereichsleiter ist, in Rumänien oder der Ukraine Vorstandsmitglied wird, dann ist das schließlich ein toller Karriereschritt. Für die nächste Zukunft ist beabsichtigt, einen erheblichen Anteil an zentralen Führungs- und Spezialistenpositionen in Österreich durch Mitarbeiter aus den zentraleuropäischen Tochtergesellschaften zu besetzen.

Gibt es übliche Verweildauern?

Wir haben bisher die Regel, dass die Entsendung nicht unter 2-3 Jahren vereinbart werden sollte, wobei wir uns vertraglich die jederzeitige Rückberufung vorbehalten. Nicht weil wir jemanden schikanieren wollen, aber wenn aus irgendeinem Grund der Bedarf für den Mitarbeiter im Ausland wegfällt, dann können wir uns nicht leisten, ihn ein Jahr lang mit den vollen Expat-Bezügen spazieren gehen zu lassen. Andererseits bemühen wir uns auch, bei Vorliegen entsprechender Gründe, dem Mitarbeiter eine vorzeitige Rückkehr zu ermöglichen, weil wir uns ja auch nichts gutes tun, wenn die Entsendung z.B. aus familiären Gründen nicht klappt. Das wäre nicht nur unfair dem Mitarbeiter gegenüber, sondern auch kontraproduktiv.

Welche Kosten umfasst eine Auslandsentsendung?

Der Mitarbeitereinsatz im Ausland ist sicher die mit Abstand kostenintensivste Form des Mitarbeitereinsatzes. Erstens müssen Sie dem Mitarbeiter in der Regel etwas mehr zahlen als er im Inland verdient und zweitens haben Sie zahlreiche Zusatzkosten, wie Reisekosten, Aufenthaltskosten, Kosten für Dienstwohnungen, Heimflüge - um so mehr, wenn die Familie im Heimatland bleibt - oder Schulkosten, wenn die Familie mitzieht, bis hin zum Steuerberater, weil Sie im Ausland Steuererklärungen abgeben müssen.

Expatriates verdienen durch die Zulagen doch deutlich mehr, oder?

Sie können nicht alles als Gehalt betrachten. Die Nebenkosten werden in dem Sinn nicht berücksichtigt, denn sie sind ja kein Gehaltsbestandteil, sondern fallen an, weil sie notwendig sind. Sie sind eine Abgeltung von Mehrkosten, die der Mitarbeiter ja tatsächlich hat. Wenn er in Prag ein Kind in die englische Schule schicken muss, sind das Kosten, die er in Wien nicht hätte.
Ein Prinzip bei uns ist, dass kein Mitarbeiter bei einer Entsendung weniger verdienen sollte als ein vergleichbarer Mitarbeiter in vergleichbarer Position mit vergleichbaren Kenntnissen und Vordienstzeiten im Zielland. Das ist bei einer Entsendung eines österreichischen Mitarbeiters in die Ukraine kein Thema, da wird man sich anderes überlegen müssen, bei der Entsendung eines ukrainischen Mitarbeiters nach Österreich aber sehr wohl. Wobei man klar sagen muss, dass die Positionen, um die es hier geht, auch im Ausland viel besser bezahlt sind als die Durchschnittsverdienste, die wir von dort kennen.

Einerseits muss es natürlich Systeme geben, denn alles andere sorgt für Unfrieden, weil darüber viel geredet wird, auf der anderen Seite versuchen wir, bei jedem Einzelfall auf die besonderen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Ein typischer Fall sind die Sachbezüge: Es ist eben ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter, wenn er ins Ausland geht, seine Frau und die drei Kinder mitnimmt – eine größere Wohnung, Schulgeld für drei Kinder, zusätzliche Krankenversicherung, etc. -  oder ob er alleine geht. Dann ersparen wir uns einerseits diese Mehrkosten, sagen aber andererseits: Was wir uns hier ersparen, das darfst du an vermehrten Heimflügen konsumieren. Ich habe zwar keine Statistiken, aber gefühlsmäßig würde ich sagen, dass bei uns 60-70 Prozent der Expats Singles sind und in der Regel nicht viel älter als 30 – 40 Jahre. Bei spezifischen Positionen wie Vorstandsfunktionen ist das natürlich anders.

Gibt es nach Antritt der Entsendung eigentlich weiterhin eine Betreuung oder heißt es sinngemäß: Hier sind der Vertrag, das Flugticket, die Wohnungsschlüssel – Glück auf!

Das ist das, was man uns zu Beginn unserer Auslandstätigkeit zum Teil vorgeworfen hat. Dass sich Mitarbeiter, obwohl sie hier noch den Dienstvertrag hatten und von hier bezahlt wurden, nicht mehr zugehörig und nicht mehr wichtig genug gefühlt haben. Dahinter steckt natürlich die Angst: Was wird sein, wenn die Entsendung beendet ist und ich zurückkomme? Es kümmert sich ja schon jetzt niemand um mich. Wie wichtig wird man mich dann nehmen, wenn man mich drei, vier Jahre nicht mehr gesehen hat? Das hat uns sehr zu denken gegeben, so sehr, dass wir damals eine eigene Abteilung gegründet haben, Expatriates und Zentraleuropa, die für die Expats zur Verfügung stand und sie betreut. Wir haben dann regelmäßig Expat-Stammtische in den Ländern gemacht, zu denen der Konzernpersonalchef oder ich alle paar Monate hingefahren sind.

Inzwischen hat sich das eingespielt. Je länger die Mitarbeiter im Ausland sind und je größer die Expat-Gruppe ist, umso mehr sind sie sich dann gegenseitig behilflich. Wobei das eigentliche Problem mitunter nicht die Expats sind, sondern oft die mitgereisten Partner. Denn der Expat ist durch die Tätigkeit im Unternehmen sozial versorgt, während die Partner oft die Sprache nicht verstehen, aus dem Freundeskreis Zuhause herausgerissen werden und dort Gefahr laufen, zu verkümmern. Auch das haben wir inzwischen ganz gut in den Griff bekommen, denn sobald die Expat-Kolonie groß genug ist, bilden auch die Frauen ein Netzwerk und unterstützen sich gegenseitig. Und nachdem wir im Ausland jetzt schon relativ lange Expats haben und immer nur einzelne neu dazu kommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Neuen aufgefangen werden, schon relativ gut. Dazu kommt, dass viele Expats Singles sind.

Wie schaffen die Expatriates Ihrer Erfahrung nach die Integration ins neue Unternehmen?

Wir legen großen Wert darauf, dass kein Mitarbeiter, der ins Ausland geht, dort als Kolonialherr auftritt. Das ging soweit, dass ich seinerzeit darauf bestanden habe, dass Mitarbeiter, die nach Tschechien oder in die Slowakei gehen, als Dienstwagen nur Skoda fahren, was wiederum dazu geführt hat, dass ein in den Vorstand einer Konzerngesellschaft entsandter Mitarbeiter deswegen Probleme mit seinen ausländischen Vorstandskollegen bekam, weil die gemeint haben, "Wenn du einen Skoda fährst, untergräbst du unser Image als Vorstand."

Sprachlich gibt es keine Schwierigkeit, weil sich Englisch als Konzernsprache durchgesetzt hat und das Jeder beherrschen muss, wenn er ins Ausland gehen will. Nachdem wir auch intern inzwischen viel in Englisch kommunizieren, wird das immer besser. Und die Leute, die heute von der Uni kommen, sind fast schon perfekt in Englisch. Außerdem gibt es Bereiche im Bankgeschäft, wo fast nur in Englisch gesprochen wird. Darüber hinaus ist es natürlich sinnvoll und gewünscht, dass man sich auch Kenntnisse der Landessprache aneignet. Wir zahlen den Expats und ihren Familien auch Sprachkurse.

Stichwort Rückkehr, vom schnellen Aufsteiger zurück zum normalen Kollegen. Wie geht es den Leuten damit?

Das ist eine sehr sensible Angelegenheit. Ich sage jedem Mitarbeiter, der ins Ausland geht: Wir können Ihnen nicht garantieren, dass Sie bei der Rückkehr wieder den selben Sessel bekommen." Das wäre unseriös, denn man kann die Position nicht freihalten.

Dieselbe wird er gar nicht mehr wollen, oder?

Ja, das kommt noch dazu. In aller Regel sind die Mitarbeiter durch den Auslandsaufenthalt auch für uns wertvoller geworden, daher hat sich bisher so gut wie nie ein Problem ergeben, wobei man Fingerspitzengefühl braucht, um den Mitarbeitern eine höhere Position zu verschaffen, als sie bei ihrem Weggang hatten. Wir haben uns dafür als System eine Zeitleiste von 6-3 Monate vor dem vorgesehenen Ablauf  gesetzt. Da nimmt unser Recruiting mit den Leuten schon Kontakt auf und versucht im Gespräch abzuklären, welche Vorstellungen es gibt. Aber garantieren kann man das nicht. In nächster Zeit wird die Zahl der Expats, die nach Österreich zurückkommen, zunehmen. Derzeit sind wir hier gerade am Umorganisieren und versuchen, den Gruppengedanken wesentlich zu stärken, da kann diese Auslandserfahrung sehr nützlich sein, es kann aber auch sein, dass im Zuge einer Neuorganisation Positionen wegfallen. Wie gesagt, Garantien können wir nicht abgeben.

Was ist der spezielle Mehrwert der Entsendungen für das Unternehmen?

Die Erfahrungen in diesen Ländern und die geknüpften Netzwerke. Man arbeitet natürlich viel leichter mit einer Abteilung im Ausland zusammen, wenn man dort die Interna kennt, die Abläufe und die Personen und nur mal kurz zum Telefon greifen muss. Diese Netzwerke aufzubauen ist uns ein großes Anliegen.

Stichwort Cultural Awareness.

Wir haben den Vorteil, uns in den zentraleuropäischen Ländern, in denen wir tätig sind, im Grunde im selben Kulturraum zu bewegen. Natürlich gibt es landesspezifische Besonderheiten, aber am wichtigsten ist die innere Haltung, sich als Gleicher unter Gleichen zu fühlen und sich nicht über die anderen zu erheben. Eigene Kulturtrainings in dem Sinn brauchen wir bislang nicht, sie sind aus unserer Erfahrung einfach nicht notwendig.

Wie kompliziert sind die jeweiligen Rechts- und Vertragsfragen?

Im Prinzip ist es relativ kompliziert, aber wenn man es einmal gemacht hat, ist es im Großen und Ganzen kein Problem mehr. Das Grundprinzip lautet: Der Expatriate ist im Heimatland angestellt, bekommt das Gehalt also nach wie vor von Österreich, muss es aber im Ausland versteuern. Dabei berücksichtigen wir nicht die Höhe der Steuern, da wir sagen: Für den Mitarbeiter ist ausschließlich interessant, wie hoch sein Nettobezug ist. Wir schauen also, was verdient er derzeit im Inland, netto, wie viel soll er im Ausland netto mehr verdienen, und alles weitere sind dann Folgekosten zu unseren Lasten. D.h. ein Steuerberater im Ausland berechnet dann auf Basis des vereinbarten Nettobezugs ein fiktives ausländisches Bruttogehalt, damit, wenn wir für den Mitarbeiter die ausländische Lohnsteuer abgeführt haben, das vereinbarte Nettogehalt übrig bleibt.

Was die Sozialversicherung anlangt, bleibt der Mitarbeiter als Regel die ersten fünf Jahre in Österreich versichert. Ab dem sechsten Jahr wird es dann aufgrund der EWG-Verordnung 1408/ 1971 schwierig. Sie legt fest, dass innerhalb der EU grundsätzlich jeder nur in einem Staat, und zwar dort sozialversichert sein soll, wo er tatsächlich arbeitet, dass die Person aber in bestimmten Fällen bis zu fünf Jahre im Heimatland versichert bleiben kann. Aber ab dem 6. Jahr gibt es keine Verlängerung, dann müssen wir ihn im Ausland sozialversichern, wobei wir ihn in Österreich weiterhin freiwillig pensionsversichern, da es kaum zumutbar ist, dass der Mitarbeiter dann z.B. nur die ukrainische Pension bekommt. Das einzige was wir als externe Dienstleistung benötigen, ist ein Steuerberater vor Ort und da arbeiten wir mit einer internationalen Firma zusammen, die uns, wenn wir es brauchen, auch in anderen Dingen, wie zum Beispiel Besorgung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, hilft oder Kontakte herstellt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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