"Der Rückkehrprozess beginnt lange vorher"

Mag. Franz Deim, Managing Director der Erste Corporate Finance GmbH, über den besonderen Reiz von Auslandseinsätzen, überzogene Erwartungen, notwendige Schritte bei der Vorbereitung der Rückkehr und den großen Wert von Expatriates-Netzwerken.

Herr Deim, wann begann Ihr Auslandseinsatz?

Ich war seit 1996 vermehrt im Ausland tätig, seit 1998 als Expatriate und seit 2004 bin ich wieder in Österreich. Ich komme aus der Giro Credit Bank, die dann in der Folge von der Erste-Bank übernommen wurde. Die Giro Credit war schon sehr früh in Osteuropa aktiv und hat dort unter anderem in Kroatien eine kleine Bank gekauft. Ich war im Investment Banking tätig und wurde dann 1996 nebenberuflich Vorstand unserer Investmentbank in Ungarn, wodurch ich ein-, zweimal die Woche nach Budapest gependelt bin. Dann kam ein Projekt in Kroatien, wo wir eine kleine Investmentbank gegründet haben. In diesen Zeitraum fiel auch die Änderung des kroatischen Pensionssystems und die Idee lag auf der Hand, einen Pensionsfonds für die zweite Säule des neuen Pensionssystems aufzubauen. Dieses Projekt hat dann mehr und mehr Zeit beansprucht. Zuerst war ich zwei Tage in der Woche in Kroatien, dann drei, dann vier Tage und schließlich bin ich als Expatriate nach Zagreb gegangen. Das war im Jahr 1998.

Eine Aufbauaufgabe?

Ja. Das Problem war, dass die Bank in Österreich gerade den Merger zwischen Erste-Bank und Giro hinter sich hatte und damals keine großartigen Ressourcen zur Verfügung gestellt hat, d.h. ich war ein wirklicher Einzelkämpfer. Es ging um eine Gründung "from the very beginning": Büro finden, Möbel kaufen, Telefonanschluss organisieren etc. Nicht die geschäftliche Aufgabe war schwierig, sondern das Drumherum. Dann kam es in Kroatien zum Regierungswechsel, worauf das Projekt gestoppt wurde. Kurz danach ging es wieder an, dann wurde es wieder gestoppt, dann ging wieder an. Es war ein schwieriger Start, wobei die Schwierigkeiten wenig mit der Expat-Rolle zu tun hatten, sondern mehr mit den Rahmenbedingungen eines Landes, das noch wenige Jahre zuvor in einen Krieg involviert gewesen war. Im Jahr 2000 wurde ich zu einem Projekt nach Tschechien geholt, nachdem die Erste-Bank in der Zwischenzeit eine der größten tschechischen Banken, die Ceska Sporitelna, gekauft hatte, die erste große Auslandsakquisition der Erste-Bank. Im Zuge der Akquisition gab es ein Projekt, in welches ich involviert war und danach bin ich in Prag geblieben. Das ressortzuständige Vorstandsmitglied, ein Tscheche, mit dem ich mich sehr gut verstanden habe, hat mir das Angebot gemacht, das Investment Banking zu übernehmen. Und da die Ceska Sporitenla eine ungleich größere Aufgabe war als der Pensionsfond in Zagreb - der gerade wieder einmal auf Eis lag, aber kurz danach von meinem Nachfolger in Kroatien sehr erfolgreich umgesetzt wurde - blieb ich als Bereichsleiter fast vier Jahre in Prag.

Wie war der Unterschied zwischen Zagreb und Prag?

Das waren Welten! Prag ist größer, es gibt viel mehr Tourismus, viel mehr Expats, es ist internationaler. In Zagreb gab es einen Stammtisch vom österreichischen Handelsdelegierten, da saßen ein paar Leute, während es in Prag neben Österreichern auch viele Deutsche, Engländer und Amerikaner gab. Ich habe mich sowohl mit den Kroaten als auch mit den Tschechen gut verstanden. Diese haben ein paar Eigenschaften, die ich sehr schätze: Sie sind sehr fleißig, sehr leistungsorientiert und letztlich auch sehr verlässlich. Dies war in Kroatien nicht immer der Fall. Sicher auch bedingt durch die unterschiedliche Entwicklung in den Ländern, heute ist das auch schon wieder anders. Vor allem war ich in Tschechien in einer großen Organisation tätig, in der man auf Ressourcen zugreifen kann. Das ist ein ganz anderes Leben als das des Einzelkämpfers.

Findet man sich in der neuen Struktur schnell zurecht?

Ja, eine Bank dieser Größenordnung hat eine Organisation, in der man sich relativ schnell einlebt. Ich war Bereichsleiter in der Bank, zuständig für Investmentbanking, Trading and Sales, Captial Markets, Privat Equity, M&A und Internetbroking. Zum Teil ging es darum, die Bereiche neu aufzubauen, zum Teil darum, Personal auszutauschen, ein klassischer Turnaround.

Gibt es länderspezifische Unterschiede, die man beachten muss?

Wissen Sie, die länderspezifischen Unterschiede sind die Sprache und vielleicht die Historie, sonst sind Tschechien und Österreich unglaublich ähnlich, sie sprechen eben nur eine andere Sprache. Und in meinem Bereich ist die Arbeitssprache traditionell sowieso Englisch. Ich habe immer wieder versucht, tschechisch zu lernen, aber es ist mir nie wirklich gut gelungen, weil wir in der Arbeit eben immer nur Englisch sprechen.

Reichen drei Jahre als Entsendungszeitraum, oder hat man dann das Gefühl, sich mir gerade integriert zu fühlen und dann hört man wieder auf?

Das ist eine Frage der persönlichen Lebensplanung. Ich hätte verlängern können, wollte das aber aus familiären Gründen nicht, weil meine Frau und die zwei Kinder in Österreich leben. Ich war meist am Wochenende da und manchmal waren sie auch in Prag, aber irgendwann muss man entscheiden, wo man jetzt hin will. Ich glaube, jeder hat seinen persönlichen Zyklus, meiner ist drei Jahre. Dass ich nach drei Jahren gehen würde, habe ich in Wien und in Prag zeitgerecht gesagt. Also haben wir dann gemeinsam die Strukturen so gelegt, dass das normal weiterlaufen konnte und in tschechische Hände übergegangen ist.

Was bewegt einen überhaupt zu Auslandseinsätzen?

Es ist der Reiz des Neuen und man sammelt irrsinnig viel Erfahrung. Man ist in einem vollkommen neuen Umfeld, man wird gezwungenermaßen flexibler, es ist echt spannend.

Was ist das wirklich Neue? Eine Bank in Tschechien ist doch wahrscheinlich ähnlich aufgebaut wie eine Bank in Österreich oder Deutschland?

Die Bank hat schon anders ausgeschaut, aber das Wesentliche ist ein gewisses Maß an Neugier und an Gestaltungswillen, denn dort kann man leichter gestalten als in Wien. Im Headquarter etwas umzudrehen ist immer viel schwieriger. Es ist Lust am Gestalten und es erweitert den eigenen Horizont ganz gewaltig. Man kennt die Dinge dann von beiden Seiten. Ich kenne die Wiener Position und ich kenne die Position der Tochtergesellschaften. Bei manchen Dingen, die sich das Headquarter vorstellt oder auch die lokale Bank, geht man dann etwas großzügiger und relaxter an die Sache heran und nimmt nicht immer alles todernst. Denn manche Dinge gehen ganz einfach nicht, oder noch nicht, oder langsamer oder nur anders.

Wenn dann mal wieder eine Reisegesellschaft aus dem Headquarter einfällt und einige angeblich tolle Ideen umsetzen will, bei denen Sie mit Ihrem Wissen vor Ort genau wissen, dass das viel zu komplex ist oder zu früh – gerät man da nicht ständig in eine Vermittlerrolle?

Ja, die eigentliche Managementaufgabe ist, beide Interessen irgendwie unter einen Hut zu bringen. Man hat den lokalen Job und wird an den lokalen Ergebnissen gemessen, auf der anderen Seite hat man das Interesse des Eigentümers zu wahren, der seine Vorstellungen sehr schnell umsetzten will. Man hat in Wien in vielen Dingen ein unglaubliches Know-How, das es in Tschechien oder anderen Ländern so nicht gibt.

Genauso aber gibt es auch in Tschechien Know-How, das es so in Wien nicht gibt – nämlich die Kenntnis des lokalen Marktes. Die Tschechen sind ja nicht dümmer als die Österreicher, sie waren damals auf einem anderen Entwicklungstand, aber schon jetzt sind sie in vielen Bereichen gleichwertig, wenn nicht vorne. Denn sie sind sehr fleißig und sehr leistungsorientiert – vor allem die jungen Generationen. Es ist ja auch kein Zufall, dass bei vielen Management-Appraisals im Konzern speziell die Kollegen aus Osteuropa sehr gut abschneiden, besser als die Österreicher. Sie sind noch viel "hungriger" und summa summarum leistungsorientierter.

Gerade junge Führungskräfte sehen Auslandsentsendungen als Karrieresprungbrett und haben bei ihrer Rückkehr oft das Problem, wieder ins "normale" Leben zurückzufinden bzw. sie haben zu hohe Erwartungen, die nicht immer erfüllbar sind. Wie erleben Sie das bei den Jungen?

Ich glaube, dass die Zeiten vorbei sind, wo man sich allein durch einen Auslandsaufenthalt quasi automatisch für eine Managementposition qualifiziert hat. Ich würde es eher umgekehrt sehen: Ich kann mir in einer immer internationalere werdenden Gruppe wie der Erste Bank eigentlich nicht mehr vorstellen, wie man in eine Managementposition kommt, ohne das nötige Verständnis zu haben, was draußen in den Tochtergesellschaften vor sich geht. Insofern werden Auslandseinsätze mehr und mehr zum Muss, zur Voraussetzung für Managementpositionen, aber sie sind kein automatischer Schritt nach oben. Wenn das Unternehmen es versteht, diese Personen zu nutzen, sind die Expats sicher ein Value Added. Außerdem: Die Erste-Bank ist ja eigentlich keine österreichische Bank mehr, das Headquarter ist in Österreich und die Börsennotiz ist in Wien (und Prag), aber sie ist inzwischen eine zentraleuropäische Bank und warum soll in so einer Bank das Management nur von Österreichern besetzt sein? Das wäre ja widersinnig. Das System wird immer durchlässiger werden und es wird zunehmend normal werden, dass ein Kroate in Ungarn arbeitet, oder Ungarn in Tschechien oder Slowaken in Rumänien, wie es bereits vermehrt passiert.

Wie geht es einem als Expatriate, wenn die Familie im Heimatland bleibt?

Meine Frau wollte ihren Job nie aufgeben, daher kam auch ein permanentes Mitgehen nicht in Frage. Wir haben zwei Kinder, die 1996 geboren wurden und daher zu der Zeit sehr klein waren. Auch deshalb wollten wir uns das eigentlich nicht antun. Die Familie im Heimatland hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass man sehr effizient arbeiten kann, dafür hat man dann am Wochenende wirklich Zeit, weil das Büro weit weg ist.
Seit ich wieder in Wien bin, stehe ich um 06 00 Uhr auf, fahre um 6.45 Uhrweg und komme so um 20.00 Uhr nach Hause. Da sehe ich auch nicht viel von den Kindern. In Prag habe ich im Zentrum gewohnt, in der Nähe der Arbeitsstätte, und war um 6.30 im Büro. Am Abend konnte ich Termine machen, da ich auf die Familie keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Dafür war ich dann am Freitag nachmittags weg, auf dem Weg nach Wien und Montag früh wieder zurück nach Prag. Das Wochenende war wirklich Wochenende, an dem ich mich meiner Frau und den Kinder widmen konnte, weil ich da viel weniger in Versuchung gekommen bin, ins Büro zu fahren. Seit ich wieder hier wohne, ist die Versuchung viel größer, am Wochenende "mal kurz ins Büro zu rutschen" und noch schnell was zu erledigen. So gesehen, hat das sehr gut funktioniert.

Wie haben Sie das bei anderen Expats erlebt?

Einige haben lokale Partner gefunden, da sind auch einige Ehen zu Bruch gegangen. Einige haben die Familie nach Prag mitgenommen , wobei das für die Frauen meist sehr schwierig war, weil sie sich anfangs isoliert gefühlt haben. Bis man da eingelebt ist und einen Bekanntenkreis für sich und die Kinder aufgebaut hat, geht man schon wieder. Daher ist dieses Zigeunerleben für die Frauen wahrscheinlich eine viel größere Herausforderung. Wenn von dieser Seite Druck kommt, dann gar nicht unbedingt, zurück nach Hause zu gehen, sondern eher der Wunsch, länger an einem Ort zu bleiben.

Wenn man zurückwill, wie läuft der Rückkehrprozess?

Der beginnt schon lange vorher. Ich glaube nicht, dass man vom Arbeitgeber verlangen kann, dass er einen Job in einer bestimmten Hierarchieebene garantiert. Es braucht zwar ein grundsätzliches Verständnis des Unternehmens, dass der Expat etwas Wertvolles ist, aber der Expat muss auch schauen, wo er bleibt. Ich habe fast zwei Jahre vorher angefangen, mich zu positionieren. Die Gefahr aus Unternehmenssicht ist, den Expat zu verlieren. Wenn er zurückwill und es keinen passenden Job gibt, denn dann geht er eben woanders hin. Dann hat man als Unternehmen eine Menge Geld investiert, die Person gut ausgebildet und dann ist sie weg und sitzt mit umfassendem Know-How bei der Konkurrenz. Aus meinem engsten (Expat)Freundeskreis sind mit mir vier Personen zurückgegangen und nur ich bin noch im Unternehmen.

Was kann man machen, um das zu verhindern?

Als Expat rechtzeitig dem Unternehmen kommunizieren, dass die Zeit abläuft. Ich würde raten, bereits zwei Jahre vorher damit zu beginnen. Das läuft einerseits auf offizieller Ebene im Kontakt mit der Personalabteilung, aber man muss auch schauen, dass man seine Kontakte in die Organisation nicht verliert und sich auch bei den Fachbereichen positioniert. Das hängt natürlich von der Entfernung ab. Wenn ich in Australien bin, sind die Kontaktmöglichkeiten eingeschränkter als wenn ich in Prag sitze. Da fahre ich mal Montag früh nach Wien und besuche einige Leute und zu Mittag fahre ich wieder nach Prag. Es geht darum, zu wissen, wie sich die Heimatorganisation weiter entwickelt, was dort gerade Thema ist und wo sich derzeit oder in Zukunft welche Möglichkeiten eröffnen. Sich nur hinzusetzen, und zu sagen, ich will einen hochdotierten Job, wenn ich wiederkomme, das wird es nicht spielen, wenn ich mich nicht selber darum bemühe.

Wenn man zurückkommt, pflegt man dann sein Netzwerk mit ehemaligen Expatriates?

Natürlich. Das Schöne ist, man kennt viele Expats. Es waren zur Spitze über 30 Expats in Prag. Die sind heute irgendwo, zum Teil noch in Prag, zum Teil in Rumänien, in der Ukraine, in Wien, in Kroatien. Man kennt diese Leute, hat mit ihnen gearbeitet und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Das Netzwerk ist viel wert. Man bekommt Informationen, die man braucht, schneller, effizienter. Man bekommt eine ehrliche Meinung, wenn man danach fragt. Was passiert, ist, dass in diesem Netzwerk sehr viele Kontakte hin und her geschoben werden und man sich gegenseitig weiterhilft.

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Franz Deim, Managing Director der Erste Corporate Finance GmbH