Steuerbarkeit von Systemen

Was genau steuern Führungskräfte eigentlich?

Betrachten wir kurz den Begriff der "Steuerung" selbst. Unser Alltagsverständnis von Steuerung legt nahe, dass es jemanden gibt, der steuert und etwas, das gesteuert wird - sei es ein Ding, eine Person oder ein Unternehmen. Eng mit dem Begriff der Steuerung verknüpft ist die stillschweigende Annahme einer direkten Input-Output-Beziehung. D.h. derjenige, der steuert, tut etwas und der/die/das andere reagiert darauf in einer vorhersehbaren Weise, getreu dem Motto: Wenn man das Lenkrad nach links dreht, fährt das Auto nach links. Tut es das nicht, muss etwas kaputt sein und daher repariert werden.

Triviale oder nicht-triviale Maschine?

Der Physiker Heinz von Förster, einer der Mitbegründer des Konstruktivismus, demonstrierte die Grenzen dieses (klassischen Maschinen-)Denkens anhand des Unterschieds zwischen der sogenannten "trivialen" und "nicht-trivialen" Maschine: Stellen Sie sich einen Apparat vor mit drei nebeneinander liegenden Knöpfen in den Farben rot, grün und blau sowie drei oberhalb dieser Knöpfe angeordneten Lampen in denselben Farben. Drückt man nun im Falle einer trivialen Maschine den roten Knopf, leuchtet das rote Lämpchen auf, drückt man den grünen Knopf, leuchtet das grüne Lämpchen, beim blauen Knopf leuchtet das blaue Lämpchen. Egal welchen Knopf man drückt, es leuchtet das darüber liegende Lämpchen mit der entsprechenden Farbe auf. Es scheint hier eine einfache Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Drücken der Knöpfe und dem Aufleuchten der Lampen zu bestehen, weshalb wir aus solchen beschreibenden Regeln üblicher Weise Handlungsanweisungen ableiten nach dem Muster: "Immer wenn….., dann……"

Nun aber stellen Sie sich folgendes vor: Sie haben wieder den gleichen Kasten vor sich: drei nebeneinander angeordnete Knöpfe und die darüber liegenden Lämpchen. Sie starten eine neue Runde und drücken den roten Knopf. Resultat: das rote Lämpchen leuchtet auf. Also denken Sie: Alles wie gehabt. Nun drücken Sie den grünen Knopf – und siehe da – plötzlich leuchtet wieder das rote Lämpchen auf. Sie sind irritiert. Was ist jetzt los? Es hätte doch grün leuchten müssen. Sie probieren noch einmal den roten Knopf, doch jetzt leuchtet unvermutet das blaue Lämpchen auf. Die Irritation wächst. Sie probieren den blauen Knopf und es leuchtet blau. Die Erleichterung währt nur kurz, denn als Sie noch einmal den blauen Knopf drücken, leuchtet es grün. Sie probieren es wieder und wieder, doch diesmal ist von einfacher Input-Output-Relation nichts mehr zu spüren. Das dahinterliegende Schaltmuster, so es überhaupt eines gibt, bleibt Ihnen verschlossen. Das Innenleben dieses Apparates, dieser "Black Box" entfaltet scheinbar ein Eigenleben. Seine Funktionsweise bleibt undurchschaubar, unberechenbar, eben "nicht-trivial".

Nicht-lebende oder lebende Systeme?

Der entscheidende Unterschied, den Heinz von Förster damit so genial verdeutlicht hat, ist: Nicht-lebende Systeme wie etwa Autos folgen der Logik der trivialen Maschine. Selbst wenn wir das "Innenleben der black box" nicht verstehen, können wir triviale Maschinen bedienen, nutzen und "steuern", wenn wir die Input-Output-Relationen kennen: Dreht man den Zündschlüssel, springt der Motor an, tritt man aufs Gas, beschleunigt das Auto. Funktionieren triviale Maschinen nicht wie erwartet, ist die Annahme gerechtfertigt, dass im System ein "Fehler" aufgetreten ist, der repariert werden kann und muss, um die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. In diesem Fall ist unser Alltagsverständnis von Steuerung - das einfache Ursache-Wirkungs-Denken - durchaus angemessen.

Die Herausforderung, vor der Führungskräfte stehen, ist nun: Lebende Systeme wie Personen aber auch Organisationen folgen einer ganz anderen Logik, nämlich der Logik einer nicht-trivialen Maschine – sie sind in ihrer Reaktion grundsätzlich unberechenbar. Eine bestimmte Aktion (ein bestimmter Input) kann aufgrund "verschiedener innerer Zustände" höchst unterschiedliche Reaktionen (verschiedene Outputs) hervorrufen. Das simple Ursache-Wirkungs-Modell, das unserem Handeln typischer Weise zugrunde liegt, greift hier zu kurz.

Lebende Systeme entscheiden selbst – auf Basis ihrer inneren Strukturen und Muster – ob und wie sie auf Einflüsse aus ihrer Umwelt reagieren. Daraus folgt: Lebende Systeme können von außen nur "verstört", aber nicht direkt gelenkt werden. Lebende Systeme - somit auch Unternehmen - so lautet die zentrale Erkenntnis, "steuern sich selbst". Dieses Wesensmerkmal nicht-trivialer Systeme - Selbststeuerung auf Basis der inneren Muster - erklärt einerseits, warum Unternehmen aufgrund ihres "Eigen-Sinns" nicht immer das machen, was sie "sollen", zugleich bedeutet diese Erkenntnis aber auch eine massive Erschütterung des Selbstverständnisses der Manager. Denn zentrales Element ihrer Spitzenfunktion ist ja gerade, dass ihnen die Leitung und Steuerung des Ganzen obliegt.

Die erste Reaktion vieler Manager ist daher die Entgegnung: "Wenn sich ein Unternehmen als lebendiges System selbst steuert und von außen höchstens irritiert werden kann, dann heißt das doch, dass sich meine Steuerungsaufgabe damit ad absurdum führt". Um dieses Missverständnis auszuräumen: Nein, das heißt es keineswegs! Denn Selbststeuerung bedeutet gerade nicht – wie oft fälschlich verstanden – dass sich alles irgendwie von selbst regelt und dass Manager nicht eingreifen sollen. Selbststeuerung bedeutet vielmehr, dass jede Aktion des Managers in ihrer Wirkung davon abhängig ist, welche spezifischen Steuerungsmechanismen - d.h. welche spezifischen inneren Muster - in seinem konkreten Unternehmen wirken! Also gilt es als Manager, diesen inneren Mustern – der Art, wie das eigene Unternehmen "tickt" - erst mal auf die Spur zu kommen, um dann wirkungsvoller Steuerungsimpulse setzen zu können. Wie aber macht man das?

Konkrete Hinweise darauf geben die Autoren des neu erschienenen Buches "Selbststeuerung in Unternehmen": Z.B. durch Beschäftigung mit der "Unternehmensidentität" und dem "Lebensweg".

Link:  Unternehmensidentität
Link:  Lebensweg

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