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Als Grundtenor dieser Artikelreihe über professionelle Führung vertrete ich die These, dass speziell in den "gut geführten" Großorganisationen die Effizienzpotenziale, die mit (neo-) tayloristischen Methoden gehoben werden können, heute bereits weitgehend ausgenutzt sind und neue Quantensprünge der organisationalen Effizienz in Richtung Hochleistungsorganisation deshalb nur über eine konsequente Professionalisierung von Führung (1) erfolgen können. Stand in Teil I (Leaders Report März 2009) die Bedeutung subjektiver Theorien über Führung und deren Kenntnis im Mittelpunkt der Betrachtung und in Teil II (Leaders Report Juni 2009) die Frage, welche wesentlichen Strukturen Organisationen brauchen, damit professionelle Führung gelingen kann, so geht es heute um das Lernen von Führung. Dabei sind zwei Foci zu unterscheiden:
1. Überblick: Hauptaspekte des Lernens von FührungDie heutige FührungssituationDie heute typischen Führungssituationen können in einer ersten Annäherung durch folgende drei Aspekte charakterisiert werden:
Drei grundsätzliche Sichtweisen auf FührungRückt man vor diesem Hintergrund den Blick auf Führung und Führungslernen, so sind drei grundsätzliche Sichtweisen naheliegend:
Die wesentlichsten Lernaspekte im ÜberblickSowohl in einer persönlichen als auch in einer systembezogenen Betrachtungsweise ist es mit Blick auf die Führungspraxis wichtig, nicht nur über Führung zu wissen, sondern „Führung zu können“ (11). Auch deshalb findet Führungslernen auf allen Ebenen vor allem dadurch statt, dass man führt (praktisches Handeln) und dieses Führen, insbesondere seine geplanten und ungeplanten Wirkungen, dann reflektiert. Aus dem bisher skizzierten Bild von Führung und Führungslernen ergibt sich systematische, professionell vollzogene Reflexion als Kernthema. Dieses Reflektieren muss gelernt werden, und zwar sowohl auf der persönlichen, als auch auf der kollektiven Ebene. Grundsätzlich setzt Reflexion eine positive innere Bereitschaft dafür voraus, die zum Beispiel an einem hohen Interesse für Feedback erkannt werden kann. Insbesondere Führungskräfte sollten auch wegen ihrer herausgehobenen Verantwortung für die Organisationskultur Reflexionstechniken für die organisationale Ebene, wie sie von der Organisationsentwicklung erarbeitet wurden, kennen und anwenden können. Da Reflexion immer eine Metaebene voraussetzt, die vor allem durch relevante Theorien gebildet wird, beinhaltet Führungslernen auch das Lernen von Theorien, wobei in diesem Rahmen Führungstheorien und Steuerungstheorien besonders relevant sind. 2. Fokus "Führungskraft": Führungslernen auf individueller Ebene (12)Die Qualifizierung von Führungskräften erfolgt in den typischen "gut geführten" Großorganisationen meist in maßgeschneiderten, organisationsspezifischen internen Programmen und Seminaren, aber auch entsprechende externe Angebote werden fallweise zusätzlich genutzt. Gemeinsames Lernen von Führungskräften in internen Veranstaltungen fördert neben der kollegialen Vernetzung insbesondere das Entstehen beziehungsweise die Weiterentwicklung der jeweiligen Führungskultur - ein wichtiger Aspekt, der von externen Lernangeboten nicht geleistet werden kann. Verfügt eine Organisation über ein vergemeinschaftetes Führungsleitbild sowie insbesondere über ein System von Leadership Competencies (13), die aus ihrer Strategie abgeleitet sind, so kann das Führungslernen (auch) gut auf die strategischen Erfordernisse der Organisation abgestellt werden: Führungsleitbild und Kompetenzmodell setzen den Rahmen nicht nur für die zu lernenden Inhalte (z.B. Projektmanagement), sondern sie definieren auch das didaktisch-methodische Vorgehen: Wird beispielsweise "reflexive Kompetenz" als wesentliche Leadership Competency betont, so sind vor allem Lernformen und -konzepte zu wählen, die stark auf einem reflexionsbasierten Lernprozess aufbauen. Grundsätzlich ist heute gleichsam als Basisqualifikation für die Profession Führung betriebswirtschaftliches (Steuerungs-) Wissen, wie es in Universitäts- beziehungsweise Fachhochschul-Studiengängen oder in qualitativ hoch stehenden MBA-Lehrgängen vermittelt wird, zu verlangen. Obgleich dieses Wissen in Bezug auf die heutigen Führungsherausforderungen tendenziell unterkomplex erscheint, kann es in unserer Wirtschaftswelt als wichtige Grundlage nicht ersetzt werden. Grundsätzlich steht das Lernen von Führung auf individueller Ebene zwei Herausforderungen gegenüber: Man kann Führung kaum "auf Vorrat" lernen. Das bedeutet, es ist unmöglich, zuerst Führung zu lernen und dann erst zu führen. Die zweite Herausforderung liegt darin, dass wesentliche Teile des Führungswissens und -könnens rasch veralten, das heißt, die eigene Führungskompetenz muss subtil permanent auf ihre Tragfähigkeit und Zukunftsfähigkeit hin untersucht werden. Vor dem Hintergrund sich rasch verändernder Umwelten ändern sich dabei nicht nur die Inhalte von und damit auch die Lernwege für Führung, sondern auch das Verständnis professioneller Führung selbst muss sich gegebenenfalls rasch genug verändern. Trotz dieser Unwägbarkeiten wird im Folgenden kurz skizziert, wie Lerninhalte von beziehungsweise Lernwege zu professioneller Führung neben der eigenen Führungspraxis aussehen können. Diese inhaltlichen Schwerpunkte sind im Einzelnen (14)
Der zugehörige mehrjährige Lernweg nutzt dabei alle bekannten Wege des Führungslernens: Lesen, Seminare, Workshops, Curriculare Teilausbildungen, Selbsterfahrungsgruppen, Reflexion der eigenen Praxis in Intervision und/oder Einzelcoaching, Mentoring, Führen eines Lerntagebuchs, Arbeit mit themenbezogenen Internetplattformen und weitere (15). LINK 1 vertieft anhand praktischer Beispiele ausgewählte Lernformen und -konzepte für das Lernen von Führung und Management Führungslernen auf Ebene des Mittelmanagements muss insbesondere Kompetenz für Führungshandeln in der für diese Ebene typischen Sandwichposition entwickeln: Souveräner und sicherer Umgang mit widersprüchlichen Erwartungen (z.B. von Seiten des übergeordneten Managements einerseits und den eigenen Mitarbeitern(*) andererseits), Bewahren der eigenen Handlungsfähigkeit auch in hoch ambivalenten Situationen und Ähnliches verlangen einen guten Kontakt mit der eigenen Person sowie die Fähigkeit, die Welt auch durch die Augen der anderen erleben zu können. Aufbauend auf einem hierfür erforderlichem Talent kann Führungslernen zu diesen Themen nur über selbsterfahrungsorientierte Lernformen wie Gruppendynamikseminare, Balintgruppen, Skriptanalysen, Strukturaufstellungen, Intervision usw. erfolgen. Die Professionalisierung im oberen Management deckt das gesamte Spektrum des sogenannten General Management wie Vision/Strategie, Marketing und Branding, Ressourcen-Management, Unternehmens- und Organisationsentwicklung, Personalmanagement und Controlling (16) ab. Im Unterschied zum Topmanagement sind diese Handlungsfelder dabei in einer bereichsspezifischen Perspektive zu betrachten. Da die Aufgabe des oberen Managements mehr in der Führung eines sozialen Systems liegt als in der Führung einzelner Personen, sind für diese Gruppe von Führungskräften insbesondere Organisations- und Steuerungstheorien relevant sowie das Entwickeln entsprechender Anwendungskompetenzen. Die Lernschwerpunkte für das Topmanagement liegen zum einen in der strategischen Führung, zum anderen vor allem im Bereich professioneller Öffentlichkeits- und Medienarbeit. "Strategische Führung" beinhaltet dabei neben der wichtigen märktebezogenen Sichtweise vor allem auch die strategische Strukturgestaltung (17), die Kulturentwicklung sowie eine systematische Auseinandersetzung mit der Zukunft. Für alle Führungsebenen geht es heute bezüglich Lernen schwerpunktmäßig auch um die Weitung von Horizonten. Dies kann durch die Begegnung mit fremden Disziplinen (was kann man von der Ethnologie über Führung lernen?) ebenso geschehen wie durch das zeitlich befristete Eintauchen in eine antithetische Lebenswelt (für einen Manager könnte dies beispielsweise durch längerfristige Mitarbeit in einem sozialen Projekt erfolgen). 3. Fokus "Organisation": Führungslernen auf organisationaler EbeneIn dieser Perspektive geht es um die Frage, wie eine ganze Organisation zum Thema Führung lernt. Analog dem personenbezogenen Führungslernen gilt auch hier, dass das organisationale Lernen vor allem durch systematische Reflexion erfolgt, das heißt, die jeweils vorherrschende Führungspraxis ist laufend zu hinterfragen und zwar als langfristig angelegter Prozess. Es geht darum, im Kontext der Organisation (also in der offiziellen Kommunikation) gemeinsam und offen zu beschreiben, wie Führung wahrgenommen und erlebt wird und darauf aufbauend Handlungsstrategien zur positiven Weiterentwicklung der Führungspraxis zu entwerfen. In diesem Prozess sind die in einer Organisation angewandten Führungsinstrumente und -konzepte wie Mitarbeitergespräch, Potenzialanalysen usw. ebenso auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen wie die Führungskultur selbst, das heißt die gemeinsam geteilten subjektiven Theorien (18) über Führung und die dahinter liegenden Werte. Wichtige Voraussetzungen für das Entstehen einer lernenden Organisation sind einerseits die Schaffung von Räumen für Reflexion sowie andererseits das Bemühen, Lernen selbst als kulturellen Wert und als organisationskulturelles Markenzeichen zu etablieren und diesen beziehungsweise dieses zu kommunizieren. Unter dem Aspekt des Führungslernens verdeutlicht dies in einer Binnenperspektive den Führungskräften den Anspruch der Organisation beziehungsweise der Unternehmensleitung an professionelle Führung und für die Geführten wird so eine hochqualitative Führungsarbeit erwartbar und einklagbar. Auch in einer Außenperspektive hat eine derartige Lernkultur voraussichtlich positive Wirkungen: Auf den Kapitalmärkten kann eine Kultur des Lernens als Indikator für nachhaltige Unternehmensentwicklung gelesen werden, auf dem Arbeitsmarkt stellt sich die jeweilige Organisation als attraktiver Arbeitgeber für Führungskräfte wie Mitarbeiter dar. Aber auch auf den Absatzmärkten können positive Effekte entstehen. Wird einem Unternehmen hohe Professionalität im Bereich Führung zugeschrieben, so kann dies - ganz im Sinne eines Qualitäts-Imagetransfers auch positiv mit Produktqualität assoziiert werden. Um die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer lernenden Organisation zum Thema Führung zu erhöhen, hat das Topmanagement die Möglichkeit, Strukturen zu schaffen (19), die diesen Kulturaspekt unterstützen beziehungsweise etablieren. Dies kann beispielsweise geschehen durch
Schlüsselkriterium für das Entstehen einer Lernenden Organisation ist in jedem Falle die Reflexionsbereitschaft einer Organisation. Es geht - wie eben skizziert - um das Einrichten und Nutzen von Diskursräumen für eine offene und möglichst angstfreie Auseinandersetzung mit sensiblen Themen wie Qualität der Führung, Umgang mit Macht und so weiter. Wenn das Topmanagement Erlaubnis für das Ansprechen empfindlicher Themen im Kontext der Organisation (s.o.) gibt (20), kann die Organisationsentwicklung hier bewährte Konzepte und Vorgehensweisen zur Verfügung stellen. LINK 2 vertieft exemplarisch Theorie und Praxis des organisationalen Lernens. 4. Herausforderungen für das Management in Bezug auf FührungslernenTopmanagementIm Hinblick auf Führungslernen kommt dem Topmanagement vor allem die Aufgabe zu, die oben skizzierte Kultur für Führungslernen zu fördern. Neben den bereits erwähnten strukturellen Interventionen gelingt dies leichter, wenn das Topmanagement selbst sichtbar (für alle Organisationsmitglieder) Führungslernen mit hoher Priorität wahrnimmt und so ein Rollenmodell für Lernen zu Führungsthemen wird. Dies setzt voraus, als Topmanager auch zugeben zu können, Lernbedarf im Bereich Führung zu haben und gegebenenfalls auch offen zu sein, gemeinsam mit anderen Führungskräften zu lernen. Im Rahmen der strategischen Führung kann insbesondere das Topmanagement die (weitere) Professionalisierung von Führung als strategische Grundposition beziehungsweise Stoßrichtung betrachten und entsprechend handeln. "Handeln" bedeutet in diesem Zusammenhang dann, die entsprechenden Standards und Systeme für Führungslernen (Leadership Competecies, Appraisal-Konzepte, Lernprogramme usw.) einzurichten und entsprechenden Umsetzungs-Support, z.B. in Form einer Abteilung für Führungskräfteentwicklung, zur Verfügung zu stellen. Insbesondere wäre es für eine nachhaltige Erfolgssicherung sinnvoll, in der Organisation ein entwicklungsorientiertes (21) Qualitätsmanagement für Führung ins Leben zu rufen. Bei allen genannten Aktionsfeldern ist dabei der Aufwand, der mit Führungslernen verbunden ist, als Investition zu begreifen, nicht als Personal-Nebenkosten. Führungskräfte aller EbenenDie wesentlichste Lernherausforderung für Führungskräfte dürfte darin bestehen, Führung zunehmend als eigenen Beruf verstehen zu lernen, und zwar als sozialen Beruf. Dazu gehört auch, sich immer wieder die Differenz zur eigenen früheren Fachfunktion zu verdeutlichen. Dieser Übergang ist ein tiefgehender Prozess, in dem das professionelle Selbstkonzept – beschreibbar beispielsweise als Schemata über die eigene professionelle Person (22) - verändert beziehungsweise weiterentwickelt wird. Beim Aufbau individueller Führungskompetenzen erscheint die Arbeit an den persönlichen Haltungen gegenüber der Funktion "Führung" und vor allem gegenüber den Geführten wichtiger als das Erlernen zeitgemäßer Führungstechniken. Dieser "innere Umbau" kann nicht ohne reflexive Unterstützung durch andere Menschen erfolgen. Idealerweise findet diese Auseinandersetzung zum größeren Teil im lernenden Austausch mit Kollegen statt, dies auch deshalb, weil so gemeinsame Führungskultur entsteht. Die Herausforderung dabei ist, so viel Vertrauen und Wertschätzung den Anderen gegenüber aufzubringen, dass dieses Lernen mit einem geringen Ausmaß an Angst möglich ist. Eine wesentliche Voraussetzung für gelingende Führung ist Neugier auf beziehungsweise Liebe zu menschlicher Entwicklung. Dies gilt auch für das eigene Führungslernen. 5. Zur Zukunft des Führungslernens (23)Neben der in dieser Reihe bereits mehrfach angesprochen Entwicklung eines neuen Professionsbewusstseins für Führung muss zukunftsorientiertes Lernen im Bereich Führung den oben bereits umrissenen, anstehenden Paradigmenwandel unterstützen, der durch folgende Schwerpunkte gekennzeichnet ist:
Daneben wird das Lernen von marktbezogenem Führungshandeln weiter an Bedeutung gewinnen. Dazu gehört das Führen mit relativen Zielen (24) ebenso wie ein zunehmendes Denken von außen nach innen, zum Beispiel in Form zunehmender Kundenorientierung. 6. SchlussbetrachtungDas neue Führungswissen ist bereits in der Welt - auf theoretischer Ebene ebenso wie im Hinblick auf innovative Lernformen. Es muss nicht erst neu erfunden werden und "wartet" auf seine Anwendung. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, dass die Entscheidungsträger in den Organisationen dieses Wissen und die entsprechenden Lernkonzepte als relevant für den zukünftigen Erfolg ihrer Organisationen zu erkennen und bewerten lernen müssen. Je mehr sie allerdings mit ihren heutigen, tayloristisch geprägten Führungskonzepten scheitern, desto mehr verstärken sie tendenziell die Bemühung, diese durch weitere Verfeinerung (z.B. von Personalkennzahlen zum HR-Dashboard) dennoch zu retten. Aus Sicht des Lernens wäre zu fragen: Wie lernt oder lehrt man Paradigmenwechsel? Klar ist, dass Elemente des neuen Denkens von Führung sowohl Einzug in die betriebswirtschaftlichen Disziplinen an den Hochschulen halten, als auch in der praktischen Führungskräfteentwicklung aufgegriffen werden müssten. Hierfür braucht es in allen angesprochenen Bereichen vor allem Lernhaltungen, die von einer neugierig forschenden Suche gekennzeichnet sind. AusblickTeil IV dieser Reihe wird das Thema Reflexive Kompetenz als Schlüsselvariable effizienter Führung zum Mittelpunkt haben und damit den gesamten Argumentationszusammenhang abschließen. Vertieft wird hier die Beobachtung der Beobachtung und ihre Bedeutung für die Ausbildung von Führungsbewusstsein. Anmerkungen:(*) Mit der männlichen Form ist immer auch die weibliche gemeint – nur aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird auf die gleichzeitige Verwendung beider Geschlechter verzichtet.
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