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Organisationen stehen heute meist unter erheblichem Erfolgsdruck. Im Hinblick auf ihre ökonomische Effizienz sind sie oft sehr anspruchsvollen bis nicht erreichbaren Renditezielen ausgesetzt, internationale Märkte sorgen für hohen Wettbewerb und damit für entsprechenden Kostendruck. Aber auch bezüglich ihrer sozialen Effizienz – diese beschreibt das Ausmaß, in dem Organisationsmitglieder ihre persönlichen organisationsbezogenen Ziele und Bedürfnisse realisiert erleben – und ihrer gesellschaftlichen Effektivität – diese ist ein Maß dafür, in welchem Umfang eine Organisation auch gesellschaftliche Ziele verfolgt und erreicht – steigen die Anforderungen, die an die Organisationen gerichtet werden. Warum Professionalisierung von Führung?Was die Erreichung klassisch betriebswirtschaftlicher Ziele betrifft, wurden zwar einerseits in den vergangenen Jahren mit der konsequenten Anwendung (neo)tayloristischer Rationalisierungsprogramme wie beispielsweise Gemeinkostenwertanalyse, Geschäftsprozessoptimierung, Optimierung der Fertigungstiefe und Ähnlichem mögliche Rationalisierungspotenziale weitgehend genutzt. Verfolgt man jedoch andererseits Studien zum sogenannten Employee Engagement (1), so fällt vor allem auf, dass ein erheblicher Anteil von Mitarbeitern sich bereits in der inneren Kündigung befindet, und nur relativ wenige Mitarbeiter der Organisation ihre volle Motivation und ihr volles Engagement zur Verfügung stellen. Viele abhängig Beschäftigte erleben in ihrer Arbeit kaum Sinn und erfahren subjektiv deutlich zu wenig Wertschätzung, was erhebliche Auswirkungen auf ihre Motivation hat (2). Auch befinden sich viele Mitarbeiter trotz aller Geschäftsprozessoptimierungen in Arbeitssituationen, wo strukturell bedingte Konflikte unvermeidbar sind oder Strukturen Entscheidungsprozesse kompliziert und langsam werden lassen. Werden solche Situationen von der Führung nicht ohnehin negiert, werden sie oft mit dem Hinweis auf politische Aspekte oder historisch Gewachsenes gerechtfertigt. Verstärkt werden können all diese Effekte zusätzlich durch eine wenig ergebnisorientierte Organisationskultur. Dies legt die Vermutung nahe, dass viele Organisationen zwar im Bereich "klassisch betriebswirtschaftlicher" Rationalisierungsstrategien ihre Effizienzsteigerungspotenziale weitgehend gehoben haben, im soziodynamischen (3) Bereich jedoch noch ungeahnte Potenziale schlummern. Dabei setzt die Identifizierung dieser Potenziale ebenso wie ihre Realisierung eine professionelle Führung (4) voraus. Es wird hier deshalb die These vertreten, dass speziell in den "gut geführten Großorganisationen" die Effizienzpotenziale, die mit tayloristischen Methoden gehoben werden können, bereits heute weitestgehend ausgenutzt beziehungsweise ausgereizt sind. Quantensprünge der organisationalen Effizienz in Richtung einer Hochleistungsorganisation können deshalb nur über eine konsequente Professionalisierung von Führung erfolgen, wobei Führung in einer breiten Perspektive gesehen werden muss (5), die neben dem Führungshandeln im engeren Sinne auch die vorherrschende Führungskultur und die organisationalen Strukturen, die ja einen wesentlichen Rahmen für Führung setzen, in die Betrachtung mit einbezieht. Handlungsperspektive
Konstituierend für Führung ist dabei, dass Führungshandeln von einer Intention geleitet ist und dass es sich dabei um eine wiederkehrende Aufgabe handelt. Professionalisierung von Führung fokussiert in dieser Betrachtung vor allem auf die Ausweitung von aktuellem Führungswissen und -können sowie die Intensivierung der Reflexion des Führungsverständnisses einzelner Führungskräfte, aber auch von Führungsteams, zum Beispiel im Falle der Führung durch Kollegialorgane. KulturperspektiveOb sich die Führungs-Professionalität einzelner Führungskräfte oder von Führungsteams auch tatsächlich entfalten kann, hängt in hohem Maße davon ab, ob in der jeweiligen Organisation eine Kultur vorherrscht, die professionelle Führung fordert und fördert oder gegebenenfalls auch als Führungssubstitut geeignet ist. Folgt man dem sehr plausiblen Drei-Ebenen-Kulturmodell von Edgar Schein,so bieten sich zunächst drei Zugänge der Betrachtung an: LINK: Das Drei-Ebenen-Modell von Edgar Schein
Sieht man wie eben skizziert in der Führungskultur in erster Näherung vor allem die von den Organisationsmitgliedern geteilten führungsbezogenen Grundannahmen, Werte und Attitüden sowie deren Verkörperung in Symbolen und Artefakten, so wird klar, dass ein Verständnis, aber auch ein "Management" (6) von Führungskultur grundsätzlich an der Frage anknüpfen muss, wie die genannten Aspekte im kognitiven System der Organisationsmitglieder verankert sind, beziehungsweise welche Möglichkeiten ihrer Veränderung, beispielsweise durch (auch organisationales) Lernen, es überhaupt gibt. StrukturperspektiveDamit Führungshandeln überhaupt wirksam werden kann, müssen gleichsam als notwendige Bedingung organisationale Strukturen bestehen, die Führungshandeln erst ermöglichen. Dazu gehört zum einen sicherlich die eindeutige verantwortungsmäßige Adressierbarkeit von Entscheidungen. Ist beispielsweise der Produktentwicklungsprozess in einem Unternehmen über drei gleichberechtigte Bereiche verteilt, so ist es nur schwer möglich, Führungserfolg oder -misserfolg bestimmten Führungskräften oder Führungsteams zuzurechnen. Analog findet man in öffentlichen Verwaltungen Personalbeurteilungsverfahren, die den Beurteilungsprozess über mehrere Hierarchieebenen verteilen und damit die Nutzung der Beurteilung als Führungsinstrument durch den direkten Vorgesetzten erschweren. Kurz gesprochen geht es in dieser Perspektive darum, sich der Bedeutung organisationaler Strukturen für professionelle Führung bewusst zu werden und darum, für Führungssysteme zu sorgen, die die kulturell erwünschten Werte im Führungsprozess selbst entsprechend abbilden. Insbesondere geht es auch darum, Systeme und Entscheidungsprozesse vorzusehen, die sicherstellen, nur im Hinblick auf Führung auch qualifizierte Personen für die Besetzung von Führungspositionen zuzulassen. Zusammenfassend scheinen deshalb für die Professionalisierung von Führung und damit auch für die Hebung weiterer Effizienzpotenziale in Organisationen folgende Aspekte besonders wichtig:
Zur subjektiven Repräsentation von FührungJeder Mitarbeiter eines Unternehmens ist in gewisser Weise ein Wirtschaftswissenschaftler: "Er hat eigene Theorien und Denkmodelle über das Funktionieren von Unternehmen, über betriebliche Phänomene und Abläufe, über deren Ursachen und Folgen. Diese Denkmuster prägen das Handeln im Unternehmen" (7). Jedes Handeln und damit auch Führungshandeln basiert auf inneren mentalen Modellen, sowohl über die eigene Person, als auch über die Umwelt. Das menschliche Gehirn, das ja unser Handeln steuert, arbeitet grundsätzlich – nicht zuletzt weil es keinen "direkten Anschluss" an die umgebende Welt hat - mit Repräsentationen. Die Handlungen, die eine Person im Prozess des Führens setzt, werden gesteuert von ihren subjektiven Annahmen über das "Funktionieren" von Führung, das heißt, in Abhängigkeit von ihrem Führungsverständnis. Diese persönlichen subjektiven Theorien unterscheiden sich nicht grundsätzlich von wissenschaftlichen (Real)-Theorien. Sie bestehen aus beschreibenden und erklärenden Sätzen und beanspruchen, ausgewählte Aspekte einer "äußeren" Wirklichkeit hinreichend tragfähig abzubilden, das heißt nutzbar für die Bewältigung praktischer Herausforderungen des täglichen Lebens. Jeder Mensch ist in diesem Sinne eine Art Wissenschaftler. Der wesentliche Unterschied dieser subjektiven Theorien zu wissenschaftlich anerkannten Theorien liegt im Begründungszusammenhang: Müssen im Hinblick auf eine wissenschaftliche Anerkennung Theorien bestimmte Kriterien ihrer Bewährung erfüllen, so gilt dies nicht für subjektive Theorien. Unabhängig davon sind diese dennoch in höchstem Maße verantwortlich für die Steuerung der eigenen Handlungen . LINK: Ein kurzer historischer Abriss der wichtigsten Kognitionstheorien Das sogenannte Führungsverständnis stellt also nichts anderes dar als die Menge persönlicher Annahmen und Theorien bezüglich Führung, über die eine Person verfügt. Es setzt sich in einer ersten Näherung zusammen aus Die Kenntnis der eigenen führungsbezogenen mentalen Modelle ist sicherlich eine wesentliche Voraussetzung für die Professionalisierung von Führung:
Da jeder Mensch blinde Flecken in seiner Selbstwahrnehmung besitzt, kann eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsverständnis nur mit Unterstützung Dritter erfolgen. Neben der Nutzung eines „klassischen“ Coaching-Ansatzes, also der Bearbeitung von Fragen des Führungsverständnisses unter vier Augen, hat sich in diesem Zusammenhang auch Kollegiale Beratung in einem Dreier-Setting bewährt: Person A versucht, ihr Führungsverständnis gemäß dem oben dargestellten Modell zu explizieren. Person B unterstützt diesen Prozess durch situationsentsprechendes Stellen systemischer Fragen, sie nimmt also die Rolle eines „absichtslos engagierten“ Beraters ein, eine Rolle, die durchaus auch mit der Metapher eines Geburtshelfers beschrieben werden kann. Person C beobachtet diesen cokreativen Beratungsprozess und gibt zu passenden Zeitpunkten Rückmeldung, sowohl zu den Inhalten, als auch zu den Personen sowie zum Beratungsprozess selbst. Nach Abschluss einer Beratungssequenz erfolgt ein Rollenwechsel, so dass jeder Teilnehmer des Trios einmal jede Rolle eingenommen hat. Sind die Teilnehmer vorqualifiziert in den Grundlagen systemischer Beratung inklusive entsprechender Fragetechnik und besteht zwischen ihnen ein ausreichendes Maß an Offenheit und Vertrauen, so genügt hierfür in der Regel ein Zeitkontingent von ca. drei mal zwei Stunden zuzüglich Zeit für Zwischenpausen. Die Frage, die sich professionelle Führung in diesem Zusammenhang immer stellen muss ist die, ob das eigene Führungsverständnis zu der aktuellen Führungssituation passt, oder ob gegebenenfalls seine Weiterentwicklung beziehungsweise Veränderung in Richtung einer besseren Passung angezeigt ist. Hat beispielsweise einerseits der neue CEO einer größeren Organisation die Vorstellung, eine unternehmensbezogene Effizienzsteigerung ließe sich vor allem durch Entwicklung der „etwas trägen Mitarbeiter“ in Richtung individueller Hochleistung erzielen, und weist jedoch andererseits die Struktur der Organisation Widersprüchlichkeiten auf, die persönliche Spitzenleistungen rasch neutralisieren – z.B. im Falle von Konflikten aufgrund ungeklärter Schnittstellen – so wird seine Bemühung, die Leistung der Mitarbeiter durch Trainingsmaßnahmen signifikant zu steigern, weitgehend wirkungslos bleiben. Eher im Gegenteil: Durch die wahrgenommene Unterstellung, als Mitarbeiter zu schwache Leistung zu bringen, kann ein negativer Kreislauf entstehen, der in eine Abwärts-Spirale führt (erlebte Geringschätzung - Empörung - Reduzierung des Engagements - geringere Leistung - verstärkte Kritik des CEOs wegen Minderleistung - erneutes, verstärktes Erleben von Abwertung - …). Die inneren Modelle von Führung entstehen unbewusst seit der frühen Kindheit. Die subjektiven Führungstheorien werden maßgeblich geprägt von den Erfahrungen, die Kinder mit ihren Eltern als Führende machen, später werden sie ergänzt durch weitere Erfahrungen mit Lehrern, Ausbildern, Hochschulprofessoren und erlebte Führungssituationen. Nur in Ausnahmefällen werden sie später durch akademische Führungstheorien oder Erfahrungen in praxisnahen Führungskräfteausbildungen vervollständigt. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass sie als persönliche Muster tief verankert und deshalb nur langsam zu verändern sind. Die Veränderung selbst kann nur über reflexionsbasiertes Lernen und anschließendes erfolgreiches Trainieren entstehen. Das heißt, idealerweise sind die eigenen Führungsannahmen zunächst vollständig zu beschreiben und vor allem auch zu akzeptieren. Erst dann können sie in konkreten Situationen auf ihre Angemessenheit und Viabilität hin überprüft und hinterfragt werden. Die Erweiterung der bisherigen Muster erfolgt im Idealfall anschließend über Lernen aus laufender Erfahrung oder durch die Auseinandersetzung mit der aktuellen wissenschaftlichen Führungsdiskussion. In beiden Aspekten kann davon ausgegangen werden, dass der gemeinsame Austausch mit anderen den Lernprozess positiv unterstützt. Jenseits von Führung im engeren Sinne ist die Auseinandersetzung mit mentalen Modellen im organisationalen Kontext aus zwei weiteren Gründen empfehlenswert. Das für Führungshandeln wichtige Konstrukt der Organisationskultur kann in Anlehnung an Hofstede (9) verstanden werden als organisationsspezifische kollektive Programmierung des menschlichen Denkens. In anderen Worten würde das bedeuten, Organisationskultur besteht vor allem aus den kollektiv geteilten kognitiven Landkarten beziehungsweise Schemata, über die Organisationsmitglieder bezüglich ihrer Organisation verfügen. Wichtig unter Führungsgesichtspunkten ist Organisationskultur zum einen deshalb, weil sie einen wesentlichen Rahmen für Führungshandeln darstellt und zum anderen selbst Gegenstand des Führungshandelns ist. So kommt gerade dem Topmanagement die Führungsaufgabe zu, für die Emergenz einer nachhaltigen Organisationskultur zu sorgen. In beiderlei Hinsicht sind Kenntnisse über die Entstehung und Weiterentwicklung innerer subjektiver Theorien eine notwendige Voraussetzung. Auch ein weiteres, unter Effizienzgesichtspunkten wichtiges organisationstheoretisches Konstrukt, nämlich das Organisationsklima knüpft an kollektiv geteilten kognitiven Strukturen an. Organisationsklima ist die Wahrnehmung und Beschreibung wesentlicher Attribute einer Organisation durch die Mehrheit ihrer Mitglieder. Dabei muss Wahrnehmung wiederum verstanden werden als ein konstruktiver Prozess, der von inneren Modellen beziehungsweise Erwartungsstrukturen oder Hypothesen geleitet wird. Da diese inneren kognitiven Muster im Prozess der (auch organisationalen) Sozialisation entstehen, liegen der Organisationsklimadiskussion vor allem auch Theorien sozialer Wahrnehmung zu Grunde . An oben anknüpfend ist in dieser Perspektive auch zu fragen, ob die generellen subjektiven Repräsentationen der Organisation und ihrer Umwelten der jeweiligen aktuellen Situation angemessen sind. So ist beispielsweise zu vermuten, dass Strategien, die auf schwerpunktmäßig mechanistischen Vorstellungen von Organisation aufbauen, in dynamischen, turbulenten Umwelten wenig effizient sind. Führungskräfte selbst erleben das Fehlen valider Umweltmodelle in solchen Phasen typischerweise als Orientierungslosigkeit. Anmerkungen(1) Employee Engagement ist eine personenbezogene, in der Aggregation aber auch organisationale Variable, die ausdrückt, in welchem Umfang sich ein/die Mitarbeiter eines Unternehmens bewusst entscheidet/en, dem Unternehmen seinen/ihren vollen Einsatz, das heißt seine/ihre volle Motivation zur Verfügung zu stellen. Dabei ist das Konstrukt als wesentlich aktiver und handlungsorientierter zu verstehen als das historisch ältere der Arbeitszufriedenheit. Im Hinblick auf empirische Daten veröffentlicht beispielsweise das Gallup Institut jährlich seinen Engagement Index. Ausblick:In der nächsten Ausgabe des Leaders Circle wird als Teil II der Themenkreis Führungskräfteauswahl und strukturelle Voraussetzungen für effiziente Führung behandelt werden. Als Vertiefung sind dabei Typische Methoden und Strategien der Führungskräfteauswahl und der Zusammenhang von Struktur und Verhalten vorgesehen. Zum Autor: Dr. Sebastian Schuh ist freier Organisationsberater in Starnberg, zuvor interner Berater bei DaimerChrysler und von 2000 bis 2007 verantwortlich für Aufbau und Leitung der Abteilung Strategischen Personalentwicklung und der Generali Akademie der Generali Vienna Group. ![]() |
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