Taylorismus und seine Folgen

Zentrale Errungenschaften und Grenzen der "wissenschaftlichen Betriebsführung".

Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich der lokal dynamische Binnenmarkt der USA. Durch billige Transportwege entstanden große träge Märkte, die fast beliebig aufnahmefähig für billige Massengüter waren. Für diese neuen Märkte war die bis dahin vorherrschende Manufaktur unnötig komplex. Die Branchen der Konsum- und Investitionsgüterindustrie in den USA versuchten, die Chancen der neuen Märkte zu nutzen, was jedoch kaum gelang. Taylors Hauptwerk "Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung" war eine Reaktion auf diese Situation. Die bis dahin fast nur technischen Anstrengungen wurden erweitert um den wissenschaftlich fundierten Produktionsfaktor "Organisation". Taylor präsentierte ein Konzept, das den Horizont der üblichen technologisch basierten Strategien sprengte. Er bestand auf wissenschaftlicher Vorgehensweise auch auf dem Feld der Arbeitsorganisation. Seine Grundsätze fasste er in fünf Schritten zusammen:

     

  1. Auswahl weniger Werker, die eine Arbeit am besten tun
  2. Beobachtung und Dokumentation ihrer Arbeitsschritte
  3. Auswahl der jeweils schnellsten Schritte durch Messung mit der Stoppuhr
  4. Weglassen nutzloser Schritte
  5. Zusammensetzen des neuen Arbeitsprozesses aus den jeweils schnellsten Schritten

Kurz: Nicht mehr der qualifizierte Werker gestaltet seine Arbeit, sondern der "Wissenschaftler". Er erforscht die Arbeitsweise der Besten und leitet daraus einen optimalen Arbeitsablauf für alle ab. Dieses tayloristische Kernprinzip des "best practice" gilt bis heute als modern und ist immer noch weit verbreitet. Das Verblüffende und Geniale an Taylors Idee war der Umstand, dass gerade das Weglassen menschlicher Fähigkeiten wie Intelligenz, Phantasie und Initiative aus der unmittelbaren Produktion die Produktivität deutlich steigerte. Er reduzierte damit die überflüssig gewordene Komplexität der Manufaktur auf ein Niveau, das den trägen Massenmärkten angemessen war. Basis dieses enormen Erfolges ist nicht Menschen verachtende Unterdrückung, sondern im Gegenteil ein bis heute wirksamer sozialer Konsens, der da lautet: 'Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps'. Ein Werker kann für acht Stunden am Tag auf seine sonst üblichen demokratischen Rechte verzichten, ohne dadurch in seiner Menschenwürde verletzt zu sein. Der Begriff der "Freizeit" als Gegenpol zur Arbeitszeit entstand in dieser Zeit und vor diesem Hintergrund. Die Reduktion der Komplexität auf ein den trägen Massenmärkten angemessenes Niveau steigerte die Produktivität innerhalb zweier Generationen auf das hundertfache.

Mit anderen Worten: Bis 1900 dominiert die Manufaktur. Dann entstehen neue Märkte für Massenprodukte. Die Komplexität der Märkte sinkt. Der Taylorismus senkt die Komplexität der Wertschöpfung und passt sie dadurch der neuen Situation an. Die Produktivität steigt um das Hundertfache. Die Globalisierung steigert die Komplexität wieder. Unternehmen, die tayloristisch organisiert bleiben (mit ihren klassischen Konzepten von Planung, Steuerung und Kontrolle), kommen unter Marktdruck, den die neuen komplexen Höchstleister erzeugen, die ihre Konkurrenten ständig mit überraschenden Ideen belästigen, auf die diese wiederum reagieren müssen. D.h. Marktdruck ist ein sicherer Hinweis, dass es Konkurrenten gibt, die schon besser funktionieren. Unternehmen mit konventioneller Organisation können sich in dieser Umgebung nur mit großer Mühe halten.

 Zur Studie: Merkmale dynamikrobuster Höchstleister

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