Fehlertoleranz

Bei Standardprozessen mag Null-Fehler –Toleranz Sinn machen. doch ein Übergreifen der Fehlerfeindlichkeit auf Bereiche, in denen Kreativität wichtiges Lebenselixier ist, zeitigt schnell fatale Folgen. Einseitiges Verteufeln von Fehlern sollten Sie als Führungskraft daher dringend überdenken.

In dem Buch "The Lazy Way to Success" beschreibt der amerikanische Unternehmer Fred Gratzon folgende Geschichte: Der schlampige Alex hatte in einem medizinischen Labor Routineuntersuchungen für ein Krankenhaus zu erledigen. Er trug z.B. Proben von entzündetem Gewebe auf sterilisierte Glasplättchen auf, wo sie sich als milchiger Pelz vermehrten. Alex` Aufgabe war es dann, die Bakterien abzuschaben, sie unter dem Mikroskop zu analysieren und den Erreger zu identifizieren. Das machen Laboranten überall auf der Welt.

Eines Tages jedoch stellte Alex fest, dass mitten in dem milchigen Pelz ein Loch entstanden war, in dem es keine Bakterien gab. Die Ursache war offensichtlich: In der Mitte des Lochs sah Alex ein kleines Fleckchen Schimmel. Alex fragte sich, wie der Schimmel dorthin gelangt war. Die sterilisierten Plättchen waren doch abgedeckt gewesen. Seltsam! Wie auch immer. Der Schimmel war da und hatte die Kulturen verdorben. Jeder vernünftige Professor hätte Alex eine peinlich schludrige Labortechnik attestiert. Wie sonst hätte die leicht vermeidbare Panne die Probe zerstören können?

Alex´ erster Impuls war wohl, dass er versagt hatte. Doch dann – und das war das Geniale – schoss Alex eine andere Idee durch den Kopf. Wenn der Schimmel die Krankheitserreger auf dem Plättchen zerstören konnte, müsste er das beim Kranken doch auch können. Wenn es gelänge, den richtigen Wirkstoff aus dem Schimmel herauszulösen und den Patienten als Medikament zu geben, könnte der Schimmel die Erreger töten. Die Infektion würde zum Stillstand kommen. Alex hieß mit vollem Namen Sir Alexander Fleming und ging in die Geschichte ein als der Entdecker von Penizillin.

Das Gleiche sehen, etwas anderes dabei denken

Der entscheidende Punkt aber, auf den Gratzon hinweist, ist folgender: Als Fleming seine Entdeckung machte, hatte es in der Fachliteratur schon mindestens 17 Hinweise darauf gegeben, dass eine bestimmte Schimmelart Kulturen in bakteriologischen Experimenten zerstören kann. Mindestens 17 Menschen hatten also diese Entdeckung gemacht, bevor Fleming sie machte. Aber was fingen sie mit ihrer Beobachtung an? Jeder sah die Schimmelbildung als Fehlschlag, erwähnenswert allenfalls als bedauerliches Vorkommnis. Alle entsorgten ihre Proben und fingen von vorne an.

Fehler und Versagen sind entgegen landläufiger Meinung nichts Schlechtes. Im Gegenteil: sie sind notwendig. Also machen Sie nicht den Fehler, es gleich noch einmal zu versuchen, sondern halten Sie einmal inne und sehen Sie sich den Misserfolg in aller Ruhe noch einmal an – aus anderer Perspektive. Vielleicht steckt in dem Misserfolg ja bereits Ihr Erfolg, ein größerer Erfolg, als Sie sich je erträumt haben – nur in ganz anderer Weise als geplant.

Fehler weisen den Weg zur Lösung

Irrtümer, Pannen, Fehlschläge und Hindernisse erweisen sich immer wieder als Sprungbrett zu entscheidenden Fortschritten. Es ist eine Erfahrung, die Generationen von Erfindern bestätigen können: Der Stoff, aus dem Erfolge gemacht sind, wird fast immer als Nebeneffekt entdeckt. Nicht das Hauptanliegen, nicht die große Suche mit präziser Zielsetzung führt zum Erfolg, sondern irgendein zufälliges Ereignis am Wegesrand. Misserfolge können also ein Vermögen wert sein, Rückschläge ein großes Plus und Fehler ein Segen. Sie sollten also niemals verurteilt, sondern mit einer wachen Grundhaltung beobachtet werden!

Stellen Sie sich beim nächsten Fehler, bevor Sie ihn verurteilen oder sich über ihn ärgern, folgende Fragen:

     

  • Welche wichtigen Hinweise oder Erkenntnisse (über dabei abgelaufene Prozesse, involvierte Personen, nicht bedachte Einflussfaktoren, übersehene Zusammenhänge etc.) liefert Ihnen dieser Fehler?
  • Was haben Sie dabei, wahrscheinlich ohne es zu wollen, "nebenbei" entdeckt?
  • Gibt es "unbeabsichtigte Nebenwirkungen", die Ihnen – wenn Sie einmal kurz von Ihrem bisherigen Ziel loszulassen imstande sind -  ganz neue Wege und Richtungen weisen?

Autor: Peter Wagner, Leaders Circle

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