Prinzip Menschlichkeit

Joachim Bauer

Hoffmann und Campe, 2006

229 Seiten

Euro 20,60

 

 

Aufbauend auf den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung (siehe auch "Warum ich fühle, was du fühlst" ) greift der Mediziner und Gehirnforscher Prof. Bauer die seit langem diskutierte Frage auf, ob wir Menschen auf Kampf oder Kooperation angelegte Wesen sind.

Menschenbilder sind weit mehr als nur Glaubenssache. Sie bestimmen nicht nur, wie wir uns selbst und andere sehen, sondern auch, wie wir miteinander umgehen. Sie bestimmen, ob wir anderen vertrauen oder nicht, was wir von anderen erwarten und wie wir auf andere reagieren. Zwei der zentralen Annahmen, die unser heutiges Denken massiv beeinflusst haben, stammen von Charles Darwin. Die erste These besagt, dass sowohl die Variationen innerhalb einer Art als auch Arten als Gesamtes aufgrund des Selektionsdruck der Natur fortlaufend gegen einander um ihr Überleben kämpfen müssten. Daher – so Darwins Schlussfolgerung -  könnten sich in der Evolution nur solche Eigenschaften durchsetzen, die einen Vorteil im gegeneinander geführten Kampf ums Überleben bedeuten würden. Die zweite Annahme, ein Umkehrschluss, lautet denn auch: Der Prozess der Auslese unter dem Druck des Überlebenskampfes sei die treibende Kraft für die Höherentwicklung der Arten. Die Auswirkungen dieses Menschenbildes auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft waren massiv und wirken bis heute fort. Die Frage ist nur: Stimmen die Annahmen?

Die neuesten gehirnphysiologischen Erkenntnisse haben darauf eine klare Antwort: Nein! Basis dafür ist die Entdeckung der "menschlichen Antriebsaggregate", unsere Motivationssysteme in Form körpereigener Stoffe (Dopamin, körpereigene Opiate und Oxytozin), die einerseits jegliche Zielstrebigkeit des Organismus lahm legen und andererseits auch ein ungemein heftiges Streben auslösen können. Die zentrale Frage ist nun: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Motivationssysteme ihre Botenstoffe freigeben und ihre Wirkung entfalten? Was sind – aus Sicht des Gehirns – Ziele, für die es sich einzusetzen lohnt? Wohin lenken sie das menschliche Verhalten? Die Antwort der Neurobiologie: "Kern aller Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und Zuneigung zu finden und zu geben. Wir sind – aus neurobiologischer Sicht – auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen. (...) Die Motivationssysteme schalten ab, wenn keine Chance auf soziale Zuwendung besteht und sie springen an, wenn das Gegenteil der Fall ist, wenn also Anerkennung oder Liebe im Spiel ist." Anders gesagt: "Wer Menschen nachhaltig motivieren will, dies ist die unabweisbare Konsequenz aus den dargestellten neurobiologischen Daten, muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehungen zu gestalten." Die massiven körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund von Konkurrenzkämpfen und damit einhergehenden Gefühlen der Ausgrenzung und Isolation – nämlich das Lahmlegen der eigenen Motivationssysteme, im Gegensatz zum wilden "Feuern" bei gelingender Kooperation – dürfte für die Wirtschaft durchaus von Interesse sein.

Fazit: Konkurrenz oder Kooperation, was entspricht dem Menschen mehr? Diese jahrhundertealte Streitfrage ist- was den Aspekt anbelangt, worauf der Mensch körperlich hin angelegt ist – seit wenigen Jahren entschieden. Eine spannende Lektüre zum Thema Menschenbild und Motivation.

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