Leistung plus Geld schafft Verbindlichkeit

Mag. Christian Havranek im Gespräch über Qualitätskriterien von Zielvereinbarungssystemen und ihre Verbindung mit dem Entlohnungssystem.

Führen mit Zielen hört sich gut an, scheint aber in der Praxis selten wunschgemäß zu funktionieren.

Ich denke, die Systeme selbst sind nicht der Schwachpunkt, eher die Prozesse und die nachhaltige Pflege der Systeme. Wenn man nicht dahinter ist, wird auch das beste System schnell seinen Nutzen einbüßen. Systeme funktionieren nur, wenn man sie wartet und darauf schaut. Warum sollten gerade Zielvereinbarungssysteme ein Selbstläufer sein und von alleine funktionieren? An solche Systeme hat man seltsamerweise genau diesen Anspruch.

Beispielsweise heißt es oft: die horizontale Quervernetzung funktioniert nicht. Ja und nein. Sie wird z.B. dann funktionieren, wenn der Vorstand und seine erste Ebene gegen Ende der Planungsphase, bevor es ins final budgeting geht und lange bevor formal die Zielvereinbarungen gemacht werden, sich für zwei Tage zusammensetzen und sich gegenseitig präsentieren, wo es im nächsten Jahr welche Vorhaben gibt und was daher wahrscheinlich wessen Ziele sein werden. Wenn dieser Prozess stattfindet, kann die Querabstimmung sehr wohl stattfinden. Der Frage ist also eher, wie mache ich jemandem klar, dass diese zwei Tage einen Sinn haben?

Was macht dann die Qualität von Zielvereinbarungssystemen aus?

Ich denke, es gibt schon Qualitätsmerkmale. Ein Merkmal ist beispielsweise eine sehr enge, inhaltliche, zeitliche, materielle Verzahnung mit dem Budgetierungs- und Planungsprozess. Ein weiteres Merkmal ist, wenn ein Großteil der Ziele, alle nicht personengebunden Dinge, offen und transparent sind. Wie sollen sich Leute koordiniert in eine gemeinsame Richtung bewegen, wenn keiner weiß, was der andere vorhat? Ein anderes Qualitätsmerkmal ist generell gesagt, wenn es Teil der Managementkultur ist, dass Dinge, die in unserem Kulturkreis meist als bilateral verstanden werden, vergemeinschaftet werden. Stichwort: Leistungsbeurteilung. Es macht Sinn, wenn Führungskräfte einer bestimmten Ebene zusammensitzen und sich gegenseitig über die wesentlichen Ergebnisse von Zielvereinbarungen und Leistungsbewertungen informieren. Nicht im Sinn eines Datenaustausches, sondern im Sinn von: Da sehe ich in meinem Bereich echte Talente, da habe ich Problemfälle. Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist, wenn Controlling und HR inhaltlich verzahnt sind.

Ist nicht eines der Probleme in der Praxis, dass die Abstimmung zwischen Bereichen eben nicht so funktioniert wie sie sollte?

So einfach ist es nicht. Zuerst muss man einmal grundsätzlich fragen: Ist Stringenz überhaupt ein Ziel? Und wo ist es ein Ziel? Operiere ich z.B. in Geschäftsfeldern und habe den Anspruch, dass es gerade deshalb einzelne Geschäftsfelder sind, weil sie völlig unterschiedliche Märkte bearbeiten, dann ist die Frage, ob die Bereiche wirklich viel abstimmen müssen. Klar ist, dass Querfunktionen wie Corporate Services per se Abstimmungsbedarf haben. Matrixorganisationen sind per se Abstimmungsorganisationen. Man muss im Einzelfall genau hinschauen, ob und in welchem Ausmaß und in welcher Materie Abstimmung überhaupt Sinn macht und wie sie daher im Einzelnen geschehen soll.

Viele Unternehmen scheinen ohne klare Strategie zu funktionieren, ebenso gibt es auch viele Unternehmen, die scheinbar ohne klare Ziele funktionieren. Wozu braucht man es dann?

Eine These wäre: Ich brauche Ziele dann, wenn die Umwelt neue Anforderungen stellt. Wenn ich mich als Unternehmen radikal verändern muss, dann machen Ziele natürlich Sinn. Wenn ich aber beispielsweise ein mittlerer Wirtschaftsprüfer bin, meine Stammklienten habe und ich nichts anderes sein möchte als ein mittlerer Wirtschaftsprüfer, was brauche ich da groß Ziele? Ich glaube nicht, dass Ziele in jedem Umfeld gleich wichtig sind.

Wenn Firmen Beratung beanspruchen, kommen sie dann mit der Problembeschreibung: Unser Zielvereinbarungssystem funktioniert nicht?

Nein, der Anlassfall ist meist die Variabilisierung des Gehaltssystems oder Probleme mit dem Bonussystem. Der Zugang erfolgt über die Koppelung von Leistung und Geld.

Wenn man variable Entlohnung machen will, braucht man irgendwelche Größen, die man messen kann. Damit stellen sich die Fragen: Was misst man? Wie misst man das? Und: Wie gewichtet man die einzelnen Kriterien?

Jein. Wirkliche Steuerungsimpulse gehen von Provisionssystemen nur aus, wenn ein Großteil des Einkommens variabel ist. Bonussysteme steuern, je gewichtiger sie sind. Jenseits der 20 Prozent fangen sie wirklich an zu steuern. Dementsprechend gut muss man sich dann aber überlegen, was da drinnen steht. Die Verbindung von Zielen mit Geld schafft eine Grundverbindlichkeit und dass das System ernst genommen wird.

Aber doch nur dann, wenn ich an etwas gemessen werde, was ich wirklich beeinflussen kann. Und das ist bei vielen Zielen doch sehr zweifelhaft.

Genau. Deswegen halten wir auch nichts davon, dass die Mitarbeiter zu 20% am Unternehmensziel, zu 20% am Bereichsziel, zu 30% am Abteilungsziel und zu 30% an individuellen Zielen beteiligt werden. Der Mitarbeiter soll zu 100% an seinen Zielen gemessen werden. Nur - ob seine Beurteilung überhaupt Geld mit sich bringt, wird wohl davon abhängen, ob sich das Unternehmen das überhaupt leisten kann. Wir differenzieren daher zwischen Mittelherkunft - da machen wir sehr wohl aggregierte Unternehmensziele - und Mittelverteilung. Wenn es nichts zu verteilen gibt, dann funktioniert das Performancesystem ein, zwei Jahre ohne Geld.

Mit anderen Worten: Die Art des Jobs – der Berufsbild-Faktor - legt die grundsätzliche Bonushöhe fest, die individuelle Leistung – der Bewertungsfaktor - legt die persönliche Höhe fest und die definierten Kennzahlen auf Unternehmensebene - der Ergebnisfaktor - beantwortet die Frage, ob es überhaupt einen Bonus gibt, der verteilt werden kann und wenn ja, in welcher Höhe. Das sind die drei Einflussfaktoren.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Ja, nehmen wir beispielsweise eine Bank: Bei einer Bank könnten diese Kennzahlen auf Unternehmensebene beispielsweise das EGT, die Cost-Income-Ratio und die Risikobelastung sein. Diese drei Kennzahlen – bzw. das Erreichen von vorher definierten Mindestgrößen - legen also fest, ob überhaupt Geld ins System fließt. Wie es verteilt wird, hängt im zweiten Schritt davon ab, in welcher Art Job man arbeitet. Sinnvollerweise definiert das Unternehmen hier einige wenige Kategorien, die man mit dem Betriebsrat verhandeln kann.

Ist-Berufsbilder BB-Faktor
S1 1,0
K1, S2 1,1
F1, S3 1,2
K2 1,3
F2, S4 1,5
K3, F3 1,7
K4,F4 2,3
FK 3,6
RL 5,5

(S steht für Sachbearbeiter, K für Kundenberater, F für Finanzberater, FK für Führungskräfte, RL für Resortleitung)

Das Verhältnis zwischen z.B. sehr einfachen Tätigkeiten und sehr komplexen Tätigkeiten beträgt im hier angenommenen Fall 1:5,5. Es könnte aber auch 1:10 betragen, theoretisch auch 1: 486, wie es in Amerika schon vorgekommen ist. Die Frage, die das Unternehmen für sich beantworten muss, ist: Was ist noch gerecht?

Farbe/Leistungsgrad Multiplikator
Blau/außergewöhnlich 1,8
Dunkelgrün/über den Erwartungen 1,3
Hellgrün/erwartungsgemäß 1,0
Gelb/unter den Erwartungen 0,7
Rot/deutlich unter den Erwartungen 0,2

Die dritte Ebene legt dann fest: Bekommt der einzelne Mitarbeiter aufgrund seiner erbrachten Leistung von der auf seiner Ebene festgelegten Prämie beispielsweise das 1,8 fache oder das 0,2 fache? Im hier wieder angenommenen Fall kann der beste Mitarbeiter innerhalb des gleichen Berufsbildes bis zu 9mal so viel Prämie bekommen wie ein sehr schlecht bewerteter Mitarbeiter. Im Einzelfall und anlassbezogen gibt es vielleicht auch einmal gar kein Bonus.

Der Punkt ist: Es gibt mehr oder weniger intelligente Systeme. Aber das entscheidet nicht darüber, ob das System funktioniert, das entscheidet die Qualität der Prozesse, die Qualifikation der Führungskräfte usw. Mit anderen Worten: Technisch relativ dumme Systeme können in der Praxis besser funktionieren als technisch sehr gute, die aber einfach schlecht eingeführt sind. Der Lackmustest ist für mich immer, ob man in der Lage ist, ein System so zu beschreiben, dass es ein Bewerber in den Grundzügen innerhalb von 5 Minuten versteht.

Hat sich das System in den vergangenen Jahren geändert?

Was ich heute nicht mehr machen würde, ist z.B. eine Leistungsbewertung mit einer Skala von 0-200 Leistungspunkten. Denn die Folge ist, dass sich dann jemand, der 80 Punkte hat mit jemandem vergleicht, der 85 Punkte hat und sich berechtigterweise fragt, warum hat der andere 5 Punkte mehr? Da kommt jede Führungskraft schnell ins Schwitzen, zurecht, denn so eine Skala ist eine Scheingenauigkeit, wo oft viel an Ungerechtigkeit abgehandelt wird. Heute verwenden wir meist eine Skala von fünf Farben, allerdings ist mein persönlicher Favorit mittlerweile die Dreiteilung: Durchschnitt, unter dem Durchschnitt und über dem Durchschnitt. Das reicht vollkommen, denn genauer geht es ehrlich gesagt eh nicht. Die meisten Kunden bevorzugen die fünfteiligen Skalen, ich versuche aber immer, es ihnen auszureden. Wenn jemand wirklich außergewöhnlich gut ist, dann fällt er auch so auf und macht seinen Weg, dazu braucht man keine fünfteilige Skala.

Herr Mag. Havranek, vielen Dank für das Gespräch.

06.2005

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Mag. Christian Havranek; Wentner und Havranek, Deloitte & Touche Austria