"Wie ein Turbo"

Dr. Peter Ipkovich, Leiter des Beratungszentrums Währing der Erste-Bank über seine Erfahrung, sich als Führungskraft coachen zu lassen.

Herr Dr. Ipkovich, wann Sind Sie als Führungskraft das erste Mal mit Coaching in Kontakt gekommen?

Im vergangenen Jahr. Im Sommer gab es das Erstgespräch mit meiner Führungskraft und dem Coach und die erste Coachingsitzung hatten wir im August.

Was war damals ihr Bild von Coaching?

Ehrlichgesagt hatte ich kein genaues Bild. Ich konnte es nicht richtig einordnen. Es war ein Schlagwort für mich, das zwar Interesse geweckt hat, aber ich wusste nicht genau, was damit gemeint ist und was da auf mich zukommt. Ich habe es ein wenig als Sammelsurium von Methoden gesehen, um eine Führungskraft zu unterstützen.

Wie sind Sie persönlich zum Coaching gekommen?

Eine Führungskraft hat mir vorgeschlagen, ob ich das nicht machen möchte und ich habe das mit Freude aufgegriffen.

Kannten Sie damals schon andere Leute im Haus, die das schon in Anspruch genommen haben?

Ich habe gewusst, dass es angeboten wird, aber das war eine junge Geschichte. Meinem Informationsstand nach hatte es das damals erst ein oder zwei Monate gegeben, so breit gestreut.

Was war die Absicht dieser Führungskraft?

Dass ich auf meinem Weg Unterstützung bekomme und dass ich Felder, die noch auszubauen sind, mit einem Coach besser und rascher ausbauen kann.

Für viele Führungskräfte hat Coaching den Touch von Defizite ausbügeln, von Nachhilfe bekommen.

Man hat immer zwei Möglichkeiten an sich zu arbeiten. Entweder man versucht nach dem europäischen System, die Schwachstellen auszumerzen, oder nach dem amerikanischen System die Stärken zu stärken. Coaching kann ich sowohl für die als auch für die andere Seite verwenden. Eine Unterstützung zu bekommen, Rüstzeug für die Führungsarbeit, das allein wäre es schon wert, dass man sich coachen lässt. Noch dazu habe ich es als sehr angenehm erlebt.

Aber um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen, ich glaube schon, dass dieses Bild „der lässt sich coachen, der wird es nötig haben“  viele abschreckt. Das ist sicher noch weit verbreitet, vor allem bei den älteren Führungskräften, bei den jüngeren bereits etwas weniger. In der Erste-Bank haben wir einen Zyklus für junge Führungskräfte, mit sehr vielen Seminaren, wo man auch in Berührung mit verschiedenen Lernformen kommt. Da wird das Feld schon aufbereitet, so dass man eigentlich keine so große Scheu hat vor dem Coaching.

Wie war das am Anfang, Gab es ein Gespräch mit der Personalentwicklung?

Nein, es gab einen Dreier-Termin zwischen meiner Führungskraft, mir und dem Coach, wo einmal festgelegt wurde, was wollen wir überhaupt, was ist die Zielrichtung, was könnten wir verstärken oder verbessern. Allerdings war das kein Maßnahmenkatalog in dem Sinn, dass man gesagt hat, jetzt steht er hier, in einem Jahr soll er dort stehen. Es war eher ein gegenseitiges Kennen lernen und Erkunden der Erwartungen.

Wie hat sich Ihr damaliges Bild von Coaching entwickelt?

Ich war vor allem überrascht, wie schnell es geht und wie schnell man bei dem Ganzen in die Tiefe kommt. Das war ein Phänomen für mich. Innerhalb der ersten zwei, drei Stunden war ich so tief in der Materie wie ich das nie geglaubt hätte, nämlich auch auf der Persönlichkeitsebene. Ich habe z.B. einmal Zwiegespräche geführt mit meinen Ängsten. Das war wirklich beeindruckend. Mein Coach hat die Dinge immer wieder von sehr vielen Seiten beleuchtet, Auf der einen Seite haben wir beispielsweise meine Träume betrachtet, sind auf meine Geschichte, meine Kindheit eingegangen, auf der anderen Seite haben wir sehr handfeste Probleme, die es zu lösen galt, besprochen und darüber geredet, wie man das anpacken könnte.

Wenn man die Führungsarbeit betrachtet, was sind da aus Ihrer Sicht Dinge, die sich gut für Coaching eignen?

Bei mir konkret war es die „Aggregatsbildung“, d.h. dass ich eine zweite Einheit dazubekommen habe und nun aus beiden Einheiten ein neues Team formen sollte. Da haben wir im Coaching u.a. darüber geredet, was es für Methoden gäbe, wie man das angehen könnte. Wir haben darüber gesprochen, ich habe es dann umgesetzt und dann haben wir uns wieder darüber unterhalten, wie es gelaufen ist. Viele der besprochenen Dinge gehen natürlich über den Einzelfall hinaus und sind auch  in anderen Situationen verwendbar. Man wird ununterbrochen angeregt, nachzudenken, sich in die Rolle anderer zu versetzen, wie überhaupt sich das Coaching nicht auf die paar Stunden beschränkt. Es begleitet mich permanent. Vor allem wenn ich laufen gehe, nütze ich die Zeit, um über Dinge nachzudenken.

Wie lange und wie oft treffen Sie Ihren Coach?

Für eineinhalb Stunden, circa alle zwei Monate. Für mich gerade passend.

Jeder von führt ja auch viele Gespräche mit Freunden, seiner Frau oder Lebensgefährtin. Wie unterscheidet sich das von einem Coachinggespräch?

Es ist anders. Es wird einem hier der Spiegel vorgehalten, das kann ein Freund nicht in der Form. Der große Vorteil des Coaches ist der, dass er seine subjektive Seite nicht so sehr einbringt. Weil es eben eine professionelle Beziehung ist und keine verwandtschaftliche oder freundschaftliche. Und somit ist das, was man gespiegelt bekommt, glaube ich, objektiver oder unverzerrter. Das schafft auch Vertrauen, weil man nicht darüber nachdenken braucht, was will der andere jetzt damit erreichen. Und wenn er etwas erreichen will, dann ist das wahrscheinlich nur zu meinem Wohl. Weil er sich in dem Augenblick nur mit meiner Person beschäftigt und der Coach nicht als Subjekt einfliest.

Wenn ich mit einem Freund rede, ist das, was ich sage, nicht so anders. Aber das, was zurückkommt ist anders. Das wollte ich damit sagen. Das Echo ist ein anderes. Der Spiegel ist manchmal mühsam und schmerzhaft, aber immer interessant und oft überraschend. Z.B. wenn man merkt, welche Zwänge man sich selbst auferlegt. Man betrachtet Dinge plötzlich viel differenzierter, man begreift sich selbst besser und – das ist vielleicht auch eine der Hauptaufgaben – man bekommt besser mit, wie man auf andere wirkt. Das war mir vorher nicht so bewusst. Warum der andere so auf Dich reagiert, das war mir vorher nicht in dem Ausmaß klar. Das war eigentlich das Interessanteste für mich.

Gibt es einen Austausch mit Kollegen, die sich auch coachen lassen?

Von einigen weiß ich es, dass sie sich coachen lassen. Aber es ist nicht so, dass es ein großes Thema ist.

Dabei ist Coaching doch eine tolle Lernform, warum wird es dann totgeschwiegen?

Das ist, glaube ich, weil man Coaching im Management noch immer viel zu sehr mit dem Psychiater assoziiert. Außerdem wird es von vielen noch als Schwäche angesehen. Und Führungskräfte haben im althergebrachten Sinn eben keine Schwächen. Das ist im Wandel, es ist sicher besser geworden, aber es ist bei Gott noch nicht dort, wo es eigentlich hingehört. Und dann gibt es auch noch das Problem, das unter dem Schlagwort Coaching soviel unterschiedliches verstanden wird. Somit wird natürlich vieles hineininterpretiert.

Wie haben die Mitarbeiter darauf reagiert, dass ihr Boss jetzt gecoacht wird?

Zumindest so wie mir das Bild vermittelt wurde, war es sehr positiv.

Im Sinn von „der ist innovativ, der tut was“?

Ja, und vor allem auch „der tut auch was für uns, indem er versucht, eine bessere Führungskraft zu werden“.

Wenn Sie ein Kollege auf Coaching ansprechen würde, „was ist das, bringt es das?“ was erzählen sie dem?

Mach! So schnell wie möglich! Das ist eine tolle Geschichte.

Was wäre, wenn Sie kein Coaching in Anspruch nehmen würden?

Dann wäre ich, glaube ich, auch auf meinem Weg, aber das deutlich verlangsamt. Das Coaching ist wie ein Turbo, den man immer wieder bekommt.

Herr Ipkovich, vielen Dank für das Gespräch.

10.2001

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