Warum Werte Wert schaffen

Häufige Gegenargumente in der Diskussion von Ethik und Werten, die zwar plausibel erscheinen, aber trotzdem nicht stimmen.

Das Gerede über Ethik und Werte ist nur ein Modetrend

Die immer stärker werdende Ethik- und Werte-Diskussion passiert vor dem Hintergrund einer massiven Vertrauenskrise in Wirtschaft und Politik. Die in den Medien aufgedeckten Betrugsfälle und Skandale werden nicht als Einzelfälle oder bedauerliche Ausnahmen wahrgenommen, sondern stehen für die allgemeine Verwahrlosung der Sitten in der Wirtschaftswelt. In Deutschland hat laut einer aktuellen Global-Issues-Monitor-Studie zufolge nur mehr jeder Fünfte "viel oder einiges Vertrauen" in die Personen, die für den Gang der deutschen Wirtschaft verantwortlich sind. Drei von vier Befragten haben hingegen "wenig oder gar kein Vertrauen". Dabei hat bei 60% der Befragten das Vertrauen abgenommen, zugenommen hat es bei 2%. Statt von einem "Modetrend" scheint es angebrachter, von einem "gesellschaftlichen Klimawandel" zu sprechen. Welche Werte ein Unternehmen pflegt und welche es missachtet, wird heute aufmerksamer wahrgenommen als je zuvor. Tendenz steigend.

The Business of Business is Business – und sonst nichts

"Unternehmen haben andere Aufgaben, als sich mit ethischen Ansprüchen zu beschäftigen. Sie sollen sich um ihr Geschäft kümmern und profitabel wirtschaften." So lautet zusammengefasst die Argumentation der neoliberalen Schule mit Milton Friedman als ihrem profiliertestem Vertreter. Aus dieser Perspektive sind Unternehmen amoralische Gebilde, reine Instrumente, um im Auftrag der Kapitalgeber Rendite zu erwirtschaften. Für ethisches Engagement gibt es folglich nur eine einzige Rechtfertigung: Sie macht Sinn, wenn sie Gewinn abwirft, ansonsten ist sie ein verantwortungsloser Umgang mit den anvertrauten Resourcen. Sie ist aus Sicht der Neoliberalen also höchstens Mittel zum Zweck.

Das Argument scheint plausibel, allerdings zeigt die Realität, dass Unternehmen, die ihre Werte pflegen und in diese langfristig "investieren", einige wichtige Wettbewerbsvorteile besitzen. Das tun sie aber nur dann, wenn die Werte als Werte betrachtet werden, die für sich selbst stehen und nicht nur als Mittel zum Zweck, als PR-Gag und als Investition ins Image. Sie sind kein Selbstzweck und kein Luxus, sondern sie helfen dem Unternehmen, dauerhaften Wert zu schaffen, weil sie Vertrauen ins Unternehmen sicherstellen. Ökonomisch argumentiert: Misstrauen erhöht die Transaktionskosten, und zwar enorm, Vertrauen senkt sie.

Unternehmen dienen der Gewinnerzielung

Das eine schließt das andere nicht aus, ganz im Gegenteil. Gewinnorientierung steht nicht im Gegensatz zu Werten wie Fairness oder Respekt. Ein Unternehmen, das nicht rentabel wirtschaftet, wird auf Dauer keinen Bestand haben. Durchaus zweifelhaft ist jedoch eine einseitige Heraushebung des Ziels "maximaler Gewinnorientierung" zu Lasten anderer Werte, wie dies im Shareholder-Value-Ansatz propagiert wird, zumal hier zentrale Werte anderer Anspruchsgruppen wie Mitarbeiter, Lieferanten oder Öffentlichkeit unberücksichtigt bleiben oder "zurückgestellt" werden.

Faktum ist: Menschen, die mit einer Firma zu tun haben, handeln so, als hätten sie es mit einer realen Person zu tun. Wenn die Firma etwas tut, das ihnen nicht gefällt, dann versuchen sie, diese zu bestrafen – vor allem, indem sie die Produkte nicht mehr kaufen und andere dazu bewegen, es auch nicht zu tun. Im Buch "Werte schaffen Wert" berichten die Autoren Gregor Vogelsang und Christian Burger von einer Umfrage, bei der ein Viertel der Verbraucher angibt, in den vergangenen zwölf Monaten die eine oder andere Firma auf diese Weise bestraft zu haben. Welche Auswirkungen so eine negative Mund-zu-Mund-Propaganda – verstärkt durch den Austausch im Internet – auf die Unternehmensergebnisse haben kann, erleben immer mehr Firmen. Ob es den Unternehmen gefällt oder nicht, sie werden in steigendem Maße als moralische Akteure betrachtet.

Ein Set von Werten, die überall im Unternehmen bekannt sind und auch gelebt werden, gibt Entscheidungsträgern mehr Sicherheit und entlastet sie. Die Gewissheit, im Einklang mit den Unternehmenswerten zu handeln, verleiht den Entscheidungen mit Stetigkeit und Überzeugungskraft. Sie stehen auf einem stabileren Fundament und helfen den Mitarbeitern quer durch alle Hierarchieebenen, "das Richtige" zu tun. Und sie wirken natürlich auch nach außen: auf Kunden, potentielle Bewerber, Zulieferer, Investoren und mögliche Kooperationspartner.
In unseren Köpfen sitzt das Vorurteil fest, dass sich Moral und ökonomischer Erfolg nicht vertragen. In unserem Alltagsleben machen wir oft die Erfahrung, dass die moralischen, die anständigen, die guten Menschen diejenigen sind, die ausgenutzt werden und übervorteilt werden. Nur, auch die Verletzung von Werten verursacht Kosten – Kosten die häufig weit unterschätzt werden.

Firmen und Kunden schätzen Geschäftspartner, die verlässlich sind, die für etwas (ein)stehen, die Handschlagqualität haben und wenden sich, sobald sich dazu eine Gelegenheit ergibt von Geschäftspartner ab, bei denen sie sich schlecht behandelt und manipuliert fühlen. Niemand ist gern Kunde oder arbeitet für oder mit jemandem, den er für unehrlich oder schlecht hält. Sobald sich eine Alternative auftut, ist die Interaktion beendet. Dann muss das Unternehmen neue Partner suchen und das verursacht hohe Akquisitionskosten, sei es für Neukunden, neue Lieferanten oder neue Mitarbeiter.

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