"Nicht Wandel ist der Punkt, sondern Stabilisieren!"

Doris Kruschitz, verantwortlich für die Steuerung der Personalentwicklung in der Kapsch AG über die Anforderungen an die PE in Zeiten ständigen Wandels.

Sehen Sie Veränderungen in der Bildungsarbeit in Unternehmen?

Ja, die goldenen Zeiten sind vorbei. Bildung um der Bildung willen ist vorbei. Ich selbst habe hier letztes Jahr das Bildungsangebot bei Kapsch einer genauen Analyse unterzogen und z.B. geschaut, wie sind Trainertagsätze aufgebaut, wie sind die Vertrags- und Stornobedingungen, welche Themen wurden in den letzten Jahren aufgegriffen, mit welcher Intensität, mit welchen Annahmen hinterlegt, usw. Und dabei habe ich starke Unterschiede festgestellt, bei den Anbietern, wie auch in der Preisgestaltung.  Bildung ist bei uns sehr großzügig gehandhabt worden - und wir haben nach wie vor eine großzügige Einstellung zum Thema - aber es gibt heute eine stärkere Bedarfs- und Zielorientierung.

Die Arbeit ist strategischer geworden, es wird stärker hinterfragt, was will ich tatsächlich mit der Bildungsmaßnahme erreichen? Und es gibt ein höheres Kostenbewusstsein. Interessant ist, dass die genehmigten Budgets oft gar nicht ganz ausgenützt werden, oft um ein Viertel oder sogar mehr.

Worauf achten Sie bei der Trainerauswahl?

Es gibt einige Standards, z.B. die Branchenkenntnis, die Frage, passt die Person zur Zielgruppe. Eine weitere unbedingte Anforderung ist, dass der Trainer 14 Tage vor dem Training sein Skriptum abgibt, damit wir feststellen können, ob unsere inhaltlichen Vorgaben entsprechend umgesetzt werden.  Und er muss den Trainerleitfaden offen legen.

Gab es bei Ihnen in letzter Zeit Verschiebungen im Bildungsangebot?

Die fachliche Weiterbildung wird es immer geben. Bei uns allerdings gehen wir dazu über, gewisse EDV-Grundkenntnisse vorauszusetzen.  Im Recruiting bei bestimmten Positionen wird mittels Tests oder konkreter Aufgaben der tatsächliche Wissensstand der BewerberInnen quasi „abgefragt“.

Im Persönlichkeitsbereich wurde das Angebot gebündelt in der Kapsch-University, die verschiedene Bereiche umfasst. Es gibt das „College“, das ist sozusagen für die Hörer aller „Grundstudienrichtungen“. Hier gibt es  ein Grundangebot, das aber über eine gewisse Anzahl an Themen nicht hinaus geht. Und die werden immer wieder abgestimmt mit dem Bildungsbedarf, der aus den einzelnen Kapsch-Töchtern kommt.

Dann gibt es die „Fachakademie“: Sie deckt über Lehrgänge bestimmte Anforderungen  ab, etwa über den Projektmanagement- oder den Back-Office-Lehrgang oder die Key-Account-Akademie.

Der dritte Bereich ist die „Diplomakademie“. Hier zielen die Angebote auf die Hierarchieebenen ab. Etwa ein Small General Management Lehrgang für die Potenzialkräfte, dann ein Mittelmanagementcurriculum und eines für das Top-Management. Die nächste Ausbaustufe wird sein, vermehrt die Zusammenarbeit mit Universitäten zu suchen.

Brauchen Firmen künftig weniger Trainings?

Firmen werden nach wie vor Trainings brauchen, aber die Art dieser Trainings wird sich ändern. Es wird stärker darauf ankommen, das Gelernte in das eigene Unternehmen hineinarbeiten – also kommt der Entscheidung im Unternehmen, was wird an Schulungen überhaupt angeboten – erhöhte Bedeutung zu.. Viele Veranstaltungen sind Seminare, aber keine Trainings. Training heißt für mich: Tun. Ein Beispiel: Im Lehrgang Backoffice gibt es das Modul Selbstorganisation. Meine Vorgabe lautete,  dass  im Training mit den TeilnehmerInnen mit einer Kamera durch die Büros gegangen und der Film  dann im Training auswertetwird.  Also: wo könnten wir da ansetzen.

Im nächsten Schritt werden  mit den Teilnehmern Lösungen erarbeitet und dann  wird das sofort umgesetzt.  Danach gehen Trainer und Mitarbeiter  wieder durch die Büros und schauen: wie ist jetzt der Eindruck? Ich denke, Trainings müssen stärker arbeitsplatzbezogen sein. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Trainer,  sich methodisch viel stärker zu überlegen, was macht für diese Teilnehmer jetzt Sinn? Das war bis jetzt nicht sehr ausgeprägt. Interessanterweise gibt es in die Richtung aber nur wenige Weiterbildungsangebote für Trainer selbst.

Was die Trainer über kurz oder lang ändern werden müssen, sind die Tagsätze. Da gilt es, ein vernünftiges Miteinander zu finden. Aber ich zahle keine Tagsätze jenseits der 1.700 Euro, außer es handelt sich um einen echten Spezialisten.  Der Standardsatz liegt irgendwo bei 1.450 Euro und das ist schon hoch. Es gibt so eine „Vernunftbalance“, die eingehalten werden muss.

Wird der Umgang mit Veränderungen nicht zu einem Dauerthema?

Ich hab nicht das Gefühl, dass Wandel der Punkt ist, der Punkt ist Stabilisieren. Veränderung findet ständig statt. Die Frage ist allerdings, was erlebt der einzelne als Veränderung. Gehen Sie einmal durch die Firmen und fragen Sie die Leute, „Was haben Sie von der Veränderung wirklich mitbekommen, was hat sich bei Ihnen am Arbeitsplatz geändert?“ Da bleibt wenig, da bleibt wirklich wenig. Wenngleich, dass was bleibt, durchaus sehr schlimm sein kann für einzelne MitarbeiterInnen.  Ich glaube, dass die Berater hervorragend verstanden haben, das Thema Veränderungsmanagement am Markt zu positionieren und das war aus meiner Sicht ein genialer Marketing-Schmäh, mit dem in den letzten Jahren viel Geld gemacht worden ist. Aber es wurde außer Acht gelassen, dass eigentlich nicht Veränderung das Thema sein kann, sondern die Stabilisierung. „Führen im Change-Prozess“ - was heißt das jetzt genau?

Das Management von Veränderung unterscheide ich schon vom Management des Stabilisierens. Wenn es z.B. darum geht, eine neue Strategie umzusetzen und damit eine völlig neue Identität verbunden ist......

Dann ist das für mich nicht eine Frage der Veränderung, sondern eine Frage der Sicherheit. Die Frage ist, wie bekomme ich wieder genug Sicherheit? Die Veränderung ist der Auslöser, der Virus, der Infekt, die zentrale Frage ist die Angst, die Unsicherheit. Die Frage ist, wie kriege ich wieder den Blick nach Vorne. Wir managen uns zu Tode, klüger wäre es, einmal zu führen. Und Führen heißt, eine Richtung zu haben und zu geben. Führen kann ich nur, wenn ich eine Richtung vor mir habe, d.h. ein Ziel und das muss vorne liegen. Vor mir. Wenn alle ständig um das Thema Veränderung kreisen, statt zu schauen, wohin sie uns führen kann, dann ist das vielleicht Veränderungsmanagement, aber keine Führung.

Frau Kruschitz, vielen Dank für das Gespräch.

08.2002

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