Die eigene Vision entdecken

Wenn in Unternehmen von "Vision" die Rede ist, meint man in aller Regel verkopfte, ellenlange Satzgebilde, die sich weder Führungskräfte noch Mitarbeiter merken können. Gut formulierte Visionen sind kurze, kraftvolle und "bewegende" Aussagen, die für alle Mitarbeiter als Leitstern dienen. Nur - wie findet man diese Vision?

Als Ausgangspunkt braucht es vor allem einmal die Erkenntnis im Top-Management, welche ausschlaggebende Bedeutung der Entwicklung von Visionen und Durchbruchszielen für den Unternehmenserfolg und die Steuerung der Mitarbeiter zukommt.

Was ist eine "Vision", die den Namen verdient?

Visionen kann man nicht entwickeln, so Matthias zur Bonsen, Autor von "Führen mit Visionen", man kann sie höchstens entdecken. Visionen sind – einmal allgemein formuliert - Bilder künftiger Zustände, die positive Gefühle entfachen. Bilder, die wir uns immer wieder gerne vorstellen, die uns Kraft und Energie geben, das Erstrebte auch zu erreichen.

Mit der "5-Schritte-Methode zum Finden der eigenen Vision" können wir hier zwar nicht dienen, dennoch gibt es einige hilfreiche und nützliche Erkenntnisse, die Sie dabei unterstützen können, Ihrer Vision auf die Spur zu kommen:

Woran merkt man die Wirkung einer kraftvollen Vision?

Matthias zur Bonsen: "Eine starke Energie im Unternehmen ist spürbar als Optimismus und Zuversicht, als ein Gefühl von Dringlichkeit, als eine gelöste heitere Atmosphäre, als Stolz und Freude, mit dabei zu sein."

Wir sind immer wieder von der Energie fasziniert, durch die Künstler ihr Publikum in ihren Bann ziehen. Wir lassen uns gerne von Menschen führen, die viel Energie haben und uns damit "hochziehen". Ebenso gerne arbeiten wir in einem Unternehmen, deren optimistische Stimmung uns ansteckt.

Zurück zur Frage nach dem Wie?

Nur eine Führungsspitze mit viel Energie wird ein Unternehmen mit viel Energie schaffen können. Daher sollte die Führungsspitze zuerst tunlichst an ihrer eigenen Energie arbeiten. Sie sollte ihre ureigene Vision entdecken und in sich lebendig werden lassen. Denn wer keine faszinierende Vision vor Augen hat, wird auch niemand anderen inspirieren und bewegen können. Auch wenn die Aussagen manchen Führungskräften nicht behagen mag. Um eine Vision zu entdecken, die den Namen verdient, muss man in Kontakt kommen mit sich selbst, mit den eigenen Wünschen, Sehnsüchten, Idealen

Wie muss nun eine Vision beschaffen sein, damit wir Menschen führen und inspirieren können?

Eine gutes Vision stimuliert zu Träumen, an denen Menschen wachsen können. Sie bringt uns in Kontakt mit unseren Idealen und Hoffnungen.

Wenn wir andere für etwas begeistern wollen, braucht es dazu ein echtes Anliegen. "Zu Wachsen und den Marktanteil zu vergrößern" löst keine Gefühle aus. Und wenn es nur um die Interessen des Unternehmens geht, wird man kein inneres Feuer entzünden. Dazu braucht es etwas, das die geschäftlichen Interessen übersteigt, das über uns und das Unternehmen hinaus reicht.

In vielen Führungskräften steckt zwar der Wunsch, etwas Großartiges und Wertvolles zu erschaffen, doch sie spüren diesen Wunsch zu wenig. Sie gestehen ihn sich nicht zu. Sie gehen zu verkopft, zu rational an die Sache heran, ohne Sehnsucht und damit ohne Energie.

Andererseits haben viele Unternehmer ein Anliegen, das ihnen wichtig ist. Umstände, die sie verbessern wollen. Das ehrliche Verlangen, ihren Kunden in einem bestimmten Bereich wirklich zu helfen. Sozusagen einen höheren Sinn hinter ihrem Tun.

Erinnern Sie sich Ihrer Wurzeln

Beginnen Sie also, sich zu erinnern und sich vorzustellen, was Sie für die Menschen in Ihrem Umfeld erschaffen wollen. Nur wenn etwas sie selbst berührt, werden sie damit auch andere berühren können. Kommt etwas verkopft, konstruiert daher - „spürt man dabei nichts“ - wird die Aussage von den Mitarbeitern und Kunden sofort als "aufgesetzt" entlarvt.

Vermeiden Sie zweckrationale Werte

An Begriffen wie Kundenorientierung, Service, Qualität, Effizienz, Innovation ist zwar nichts auszusetzen, aber all diese Dinge haben nur instrumentellen Charakter. Sie sind Mittel zum Zweck. Sie lösen kein positives erhebendes Gefühl aus. Sie taugen nicht dazu, Menschen zu inspirieren.

Schon etwas anders ist das bei Werten wie Fairness, Vertrauen, Respekt, Freude, Mut, Gemeinschaftsgeist. All diese Worte lösen bei Menschen etwas aus, wenn sie sie hören. Sie bringen eine innere Saite zum Klingen. Nur sind dies eben Worte, die in unseren meist kühlen, technokratischen Unternehmen kaum vorkommen. Es macht einen Unterschied, ob man von Kundenorientierung oder Kundenzufriedenheit spricht, oder von Kunden, die uns vertrauen, die begeistert und dankbar sind, weil wir ihnen etwas verschafft haben, was für sie einen wirklichen Wert darstellt.

Wofür stehen Sie?

Eine Vision im besten Sinn des Wortes sagt klar, wofür diese Organisation und die mitarbeitenden Personen stehen und einstehen. Eine Vision nährt das Verlangen, gibt Energie, erzeugt einen Sog und lenkt den Blick von den Problemen auf den angestrebten Endzustand.

Eine Vision ist eine erstrebenswerte Zukunft

Auf dem Weg zu unserer  Vision werden wir immer mehr Ideen entwickeln, wie wir sie realisieren können. Denn das ist uns am Anfang meist überhaupt nicht klar. Eine Vision ist ein Ziel, zu dem wir den Weg nicht von vornherein vollständig kennen. Sie lenkt die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auf ein langfristiges Ziel und gibt ein Gefühl für Richtung.

Eine Vision greift latente Bedürfnisse auf

Eine kraftvolle Vision ist nie die Vision Einzelner, auch wenn sie von der Führungsspitze stark geprägt wird. Sie kommt „von Herzen“. Sie besteht aus den Bildern, die sich in den Köpfen und Herzen der Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens befinden und an die diese glauben. Sie spiegelt das wider, was in diesem speziellen Unternehmen auf Resonanz trifft.

Vision ist nicht "Wollen", sondern "Erreichen"

Wenn Sie einen Text formulieren, tun Sie das in der Gegenwartsform. Schreiben Sie keine Absichtserklärungen wie "Wir wollen eine makellose Qualität erreichen", sondern "Unsere Vision ist: Alle unsere Leistungen sind von makelloser Qualität." Andernfalls werden Sie nach einigen Jahren entdecken, dass Sie über das Wollen nicht hinausgekommen sind. Erst die Beschreibung der Vision als Gegenwart baut die kreative Spannung zwischen Vision und momentaner Realität auf. Z.B: in der linken Spalte die Vision, in der rechten die Realität.

Aspekte einer Vision

Da jedes Unternehmen verschieden ist, schaut auch jede Vision anders aus. Dennoch gibt es gewisse Aspekte der erstrebten Zukunft, auf die sich eine Vision beziehen kann.
Beim Thema Kunden beispielsweise:

  • Was für Kunden haben wir dann?
  • Was denken unsere Kunden über uns?
  • Was bieten wir diesen Kunden Besonderes an?
  • Welche Gefühle lösen wir bei den Kunden damit aus?

Weitere Aspekte einer Vision können beispielsweise sein:

  • Das Anliegen (der idealistische Zweck)
  • Das Selbstverständnis (Geschäftszweck)
  • Produkte und Leistungen
  • Stellung am Markt
  • Fähigkeiten des Unternehmens
  • Gelebte Werte, Atmosphäre, materielle Situation
  • Gelebtes Verhalten im Umgang mit Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern

Anforderungen an eine Vision:

  • In die Vision gehören keine Zahlen. Quantitative Ziele gehören sorgfältig geplant, Visionen dagegen gehören entdeckt und bewusst gemacht.
  • Die Vision sollte deutlich machen, dass man an einer großen, langfristigen Aufgabe arbeitet. Da ist eine langfristige Perspektive (mind. 7 Jahre) sinnvoll.
  • Visionen enthalten keine vergleichenden Aussagen, kein „besser als... Sie sagen wie es sein soll und nicht, dass es besser als heute sein soll.
  • Visionen beschreiben Materielles und Immaterielles, sie enthalten auch Gefühle. Erst dadurch werden sie lebendig und stimulierend: Wie könnten sich Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten fühlen? Z.B.: stolz, begeistert, ernst genommen, dankbar, anerkannt, beseelt von einem Anliegen.
  • Matthias zur Bonsen: Man erkennt eine authentische, von innen kommende Vision daran, dass sie immer wieder gerne gelesen wird, dass sie "Kraft gibt".
  • In einer Vision dürfen keine Aussagen vorkommen, die negative Gefühle auslösen.
  • Ideal ist eine Metapher, die die Vision zusammenfasst: Helmut Kohl sprach nach der Wiedervereinigung von „blühenden Landschaften“ als Vision für die neuen Bundesländer.
  • Die Vision gibt die Leitplanken für die Strategie vor. Sie beschreibt, welches Anliegen man gegenüber dem Kunden hat, welchen besonderen Nutzen man bieten will.
  • Es kommt darauf an zu entdecken, was sich das Team wirklich wünscht, was das eigentliche innere Anliegen ist.
  • Bedenken Sie: Je ausführlicher eine Vision, desto nutzloser ist sie.
  • Der beste Weg, Mitarbeitern die Vision bewusst zu machen, ist diese selbst eine Vision entwerfen zu lassen. Die Angst, dass hier eine ganz andere Vision sichtbar werden könnte, ist ebenso häufig wie unberechtigt.
  • Führungskräfte sind die Hüter und Treuhänder der Vision, ihre Vermittler, nicht ihre Besitzer.

Eine Vision wird nicht "gemacht". Sie entsteht auf dem Weg des aufmerksamen In-Sich-Hineinhorchens. Sie dringt im Laufe des Visionsprozesses immer stärker ins Bewusstsein der Beteiligten. Sie wird zu einem immer klareren und stimulierenderen Bild und so mit Energie aufgeladen.

Aus der Vision entstehen langfristige Ziele, (wo stehen wir in diesem Fall in 5 Jahren), dann folgt die Strategie (welche "strategischen" Möglichkeiten haben wir, diese langfristigen Ziele zu erreichen, z.B. Wachsen aus eigener Kraft, durch Übernahmen, durch Kooperationen, durch Konzentration bei bisherigen Märkten, Expansion in fremde oder neue Märkte etc.)

Blockaden und "Handeln-als-ob"

Immer wieder scheitern beschrittene Wege nicht, weil sie nicht funktionieren würden, sondern weil man nur halbherzige Versuche unternimmt oder zu früh aufgibt. Derjenige, der sich blockiert fühlt, braucht eine innere, lebendige Vorstellung davon, welchen wünschenswerten Zustand er anstatt des heutigen ungeliebten Zustands erreichen will und wie er das tut, was ihm heute schwer fällt. Er muss diese Vorstellung innerlich so erleben, dass sie Wohlbefinden auslöst und Lust zum Handeln erzeugt. Was würden wir gewinnen, wenn wir da und da erfolgreich wären? Und was würden wir im Gegensatz dazu verlieren, wenn wir jetzt aufgeben?

Wenn wir so tun als ob, als wären wir bereits erfolgreich, was tun wir dann als nächstes? Das Handeln-als-ob ist ein deutliches Signal ans eigene Unterbewusstsein, dass man es mit der Vision wirklich ernst meint.

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