Klappt virtuelle Kooperation? Teil 2

In welchen Bereichen unterscheiden sich die Prozesse und Dynamik virtueller Teams von traditioneller Teamarbeit?*

Als - zumindest zeitweilig - virtuelles Team zu arbeiten ist nicht mehr das zweifelhafte Privileg von Softwareentwicklern in internationalen Projekten, sondern ist Arbeitsalltag nahezu jeder Projektgruppe. Wichtige Entscheidungen werden per Email kommuniziert. Abstimmungen und Informationsaustausch erfolgt in Telefon- oder Videokonferenzen. Diskussion und Produktentwicklung in E-groups wird zunehmend zur selbstverständlichen Realität aller Teams. Wichtige Kundenkontakte werden über Email gepflegt, oder überhaupt ausschließlich über das Internet abgewickelt. Der unmittelbare direkte und persönliche Kontakt, bisher die nahezu selbstverständliche Voraussetzung von Kooperation, wird vom Regelfall zur oft nur mühselig organisierbaren Ausnahme. Alle Kooperationen werden zunehmend virtualisiert.

Neue Medien beeinflussen Kommunikation und Kooperation

Diese Entwicklung zu einer Ausweitung der Bedeutung indirekter Kommunikation ist nicht neu. Auch bisher wurden viele wichtige Arbeitschritte telefonisch, mittels Briefen oder Faxe vereinbart. In internationalen Konzernen sind Managementteams, die aus Länderrepräsentanten bestehen, schon immer in ortsungebundener Kooperation mehr oder weniger gut geübt. Neu hingegen ist das Ausmaß, das damit zu einer qualitativen Veränderung unseres Kommunikationsverhaltens und der Funktionsweise von Teams in Organisationen führt.

Doch was ist nun eigentlich unter einem Virtuellen Team zu verstehen? Wir bezeichnen als Virtuelle Teams alle Teams, die in ihrer Kooperation überwiegend auf indirekte Kommunikation angewiesen sind. Diese indirekte Kommunikation ist überwiegend, aber nicht ausschließlich EDV-unterstützt. Auch das Kommunikationsmedium Handy hat dabei eine zentrale Bedeutung. Die zentralen Leistungs-, Entscheidungs-, und Abstimmungsprozesse finden zwar miteinander, aber im Gegensatz zu traditionellen Teams nicht im unmittelbaren Face-to-Face-Kontakt statt.

Was sind die relevanten Unterschiede?

Was sind die Besonderheiten bei der Arbeit in virtuellen Teams? Funktionieren virtuelle Teams überhaupt, erfordert diese Arbeit spezielle Voraussetzungen, gibt es bestimmte Handicaps und vor allem, gibt es bestimmte Vorkehrungen, um Arbeit in virtuellen Teams bestmöglich zu unterstützen? Wie beeinflussen veränderte Kommunikationsmodalitäten die Teamentwicklung und welche Anforderung an stellt das an die organisationale Gestaltung der Rahmenbedingungen virtueller Teams?

Wenn Menschen bei der Bewältigung einer Aufgabe ausschließlich auf virtuelle Kooperation angewiesen sind, zeigen sich – wie im ersten Teil des Beitrags beschrieben - tatsächlich einige markante Unterschiede zu den Phänomenen und Dynamiken in Gruppen, deren Mitglieder sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen. Noch einmal zusammengefasst:

     

  • eine erste soziale Orientierung über den visuellen Eindruck fällt weg
  • man erfährt von den anderen nur, was diese explizit mitteilen
  • man muss auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen, ohne sich rückversichern zu können
  • ohne Mimik und Gestik fällt es schwer, einzuschätzen, ob eigene Vorschläge auf Zustimmung oder Ablehnung stoßen
  • bei mangelnder Resoanz auf eigene Beiträge bleibt unklar, ob der Beitrag übersehen wurde, die anderen gerade mit anderem befasst sind, technische Probleme haben, nicht mehr am Computer sitzen oder sich nicht dazu äußern wollen.
  • Machtzuschreibungen entstehen in virtuellen Gruppen aufgrund anderer Mechanismen als in realen Gruppensituationen, z.B. durch Art und Ausmaß der Beiträge oder die Prägnanz im Ausdruck

Was liegt, pickt nicht

Die Kommunikation im Virtuellen Raum scheint zwar auf Grund der Schriftlichkeit objektiver und klarer, ist aber in Wirklichkeit auf Grund des Fehlens von nonverbalen Rückversicherungsmöglichkeiten viel störungs- und damit auch konfliktanfälliger. Eine ironische Bemerkung, die im face-to-face-Kontakt durch ein freundliches Augenzwinkern abgeschwächt wird,  kann in der virtuellen Kooperation leicht als Boshaftigkeit oder Zynismus verstanden werden. Die in Chats üblichen „Emoticons“ - das sind im Internet verbreitete Grafische Darstellungen von Gemütszuständen z.B.

:-) für „Zufrieden“

;-) für „Zwinkern“

sind hier nur ein unzureichender und grobschlächtiger Ersatz für den Facettenreichtum nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten. Zusätzlich birgt der auch aus Emails bekannte häufig salopp bis flapsige Tonfall, der ein Kulturphänomen der neuen Medien zu sein scheint, das Risiko von Konflikten in sich.

Man kann auch aneinander vorbei schreiben

Neben diesen kommunikationstheoretischen Ursachen gibt es aber auch weitere Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Konflikten in virtuellen Teams erhöhen: So besteht ein hohes Risiko, dass parallel gearbeitet wird, ohne es zu bemerken. Einerseits durch die immense Menge an schriftlichem Material, das erzeugt wird, wodurch es schwierig ist, den Überblick zu behalten, andererseits entfallen die zahlreichen und in ihrer Bedeutung vielfach unterschätzten informellen Abstimmungsmechanismen, die in der vermeintlich unproduktiven Zeit in der Kaffeeküche, beim Zigarettenrauchen oder beim Kopierapparat stattfinden.

Auf der anderen Seite bleiben Konflikte im virtuellen Raum leicht verborgen. Durch die schriftliche Kommunikation besteht eine gewisse Tendenz zur Versachlichung, die es schwierig macht, einen Konflikt als solchen überhaupt wahrzunehmen. Weiteres ist es in der virtuellen Kooperation relativ leicht, sich bei unliebsamen Themen zu entziehen: Während es im direkten Kontakt schwierig sein kann, sich einer emotional nachdrücklich eingeforderten Auseinandersetzung zu entziehen, ist das bei virtuellen Teams viel einfacher, auf unangenehme Fragen gar nicht oder nur ausweichend zu reagieren, oder im Extremfall einfach offline zu gehen.

Abgeschlossen wurde der erfahrungszentrierte Experience-Teil Labortory mit der Präsentation der  Ergebnisse, die die TeilnehmerInnen in den letzten vier Tagen erarbeitet hatten.

Phase 2: „Reflection“

Abgeschlossen wurde der erfahrungszentrierte Experience-Teil mit der ebenfalls virtuellen Präsentation der  Ergebnisse, die die TeilnehmerInnen in den vier Tagen erarbeitet hatten. Am nächsten Tag wurden die TeilnehmerInnen von ihren Standorten zurück zum Institut nach Ivrea gebracht, um im realen face-to-face-Kontakt die vergangen intensiven vier Tage im Rahmen eines zweitägigen Workshops auszuwerten. Die Reflexion war anfangs von den Schwierigkeiten geprägt, die realen Personen mit den imaginierten Personen im virtuellen Raum zur Deckung zu bringen. Dabei gab es Überraschungen, aber natürlich auch Enttäuschungen und Ernüchterungen. Abgesehen von der sozialen Gestaltung des realen Treffens wurden die sozialen Prozesse analysiert und die Ergebnisse aus der Begleitforschung präsentiert und diskutiert.

Phase 3: „Design Atelier“

Auf Grundlage ihrer Erfahrungen in den vorangegangen Phasen entwickelten nun die TeilnehmerInnen Ideen für technische Lösungen und Produkte für die spezifischen Schwierigkeiten virtueller Teamworker. Die TeilnehmerInnen arbeiteten letztlich am Problem des emotionalen Ausdrucks und an Möglichkeiten der Visualisierung des Chats. Dafür entwickelten sie Prototypen, die am Ende des Design Ateliers präsentiert wurden.

Tipps für die Gestaltung von Kooperationsprozessen in virtuellen Teams

Auf Grund der Erfahrungen des „XLabs“ lassen sich einige Konsequenzen für die Gestaltung virtueller Teams ableiten:

     

  • Virtuelle Teams sind nicht direktiv steuerbar. Eine angemessene Steuerung virtueller Teams erfolgt über Kontextsteuerung: Das bedeutet, dass die Rahmenbedingungen (Ziel, Ressourcen, zeitliche Dauer etc.) klar vorgegeben sind, die konkrete Ausgestaltung der Kooperation dagegen hochgradig autonom und selbstbestimmt erfolgt.
  • Vertrauen ist die Grundlage erfolgreicher Kooperation, gerade in virtuellen Teams. Um Vertrauen aufzubauen ist aber Zeit und soziale Begegnung nötig.
  • Jeder weiß es und trotzdem findet es nicht immer statt: Ein face-to-face-Treffen am Beginn einer virtuellen Teamarbeit erhöht die Erfolgsaussichten beträchtlich!
  • Die soziale Gestaltung von virtueller Kooperation ist eine eigene Kunst, die an Bedeutung gewinnen wird. Ermöglichen Sie MitarbeiterInnen, ProjektleiterInnen, aber auch sich selbst, strukturierte Erfahrungen mit verschiedenen Medien zu sammeln.
    Richten Sie auch in virtuellen Teams Gelegenheiten für den zwanglosen Austausch ein. Experimentieren Sie damit, geeignete Substitute für den informellen Kontakt zu finden.
    Planen sie zeitliche Puffer ein. Alleine die Zeit, die mit der Behebung unvermeidlicher technischer Probleme verbunden ist, wird meist völlig unterschätzt.
  • Für virtuelle Teams ist es besonders schwierig als soziale Systeme eine Identität auszubilden. Klare Grenzen, ein eigener Name und Symbole und Logos helfen dabei.
  • Virtuelle Teams müssen sich vor einer selbstproduzierten Informationsüberflutung schützen. Gleichzeitig sind für wichtige Informationen bewusst eingesetzte Kommunikationsredundanzen nötig. Frühzeitige gemeinsam entschiedene, einfache Regelungen ersparen viel Zeit.
  • Nicht jedes Medium ist für jede Tätigkeit geeignet. Achten Sie auf einen guten Mix verschiedener Kommunikationsmedien für die Kooperation.

 

* Die hier beschriebenen Ergebnisse beruhen auf einer Laborsituation, durchgeführt im Rahmen der Summerschool des Interaction Design Instituts Ivrea, Italien von der Wiener Beratungsfirma GHO dynamic strategies im September 2001. Dabei wurden die TeilnehmerInnen eines 14tägiger Workshops in den ersten vier Tagen in die Situation virtueller TeleworkerInnen versetzt, um die spezifischen Phänomene bei der Kooperation in diesem Medium direkt erleben und anschließend gemeinsam aufarbeiten zu können.  s.a. www.gho.at

08.2002

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