„Probleme sind verkleidete Ziele”

Die beiden finnischen Therapeuten und Berater Ben Furman und Tapani Ahola machten unter dem Namen „Reteaming“ Konzepte der systemischen Kurztherapie für Entwicklungsprozesse in Organisationen nutzbar.

Positive Energie – so einer der Grundgedanke lösungsorientierter Ansätze - entsteht, wenn wir Vorstellungen entwickeln, die positiv, ermutigend und wert sind verfolgt zu werden. Es ist schlicht konstruktiver, über die eigenen Träume und Ziele zu sprechen als über Probleme. Das heißt aber nicht, dass die Probleme unter den Tisch gekehrt oder geleugnet werden, sie werden nur nicht auf die übliche Art und Weise bearbeitet.

"Lösungsorientierung ist ein systematischer Weg Menschen zu helfen, ihre Energie, die sonst auf das Analysieren von Problemen gerichtet wäre, wieder auf die Entwicklung von Zielen zu lenken und auf Wege, um diese zu erreichen. Lösungsorientierung richtet sich auf das, was funktioniert, anstatt darauf, was nicht funktioniert. Es ist ein Zugang, der Anerkennung gibt und sowohl Zusammenarbeit als auch Kreativität vermehrt. Lösungsorientierung schafft eine Stimmung, welche positive Entwicklung begünstigt und zur Entdeckung von Lösungen ermutigt", meint Wilhelm Geisbauer, der den Reteaming-Ansatz nach Österreich brachte.

Vier Reteaming-Phasen

Was genau meint nun Reteaming? Reteaming ist eine konkrete Abfolge von Schritten, die dabei helfen, diese Umlenkung von Problemen hin zu Zielen und Lösungen zu erleichtern. Die Betonung liegt dabei auf der Zukunft anstatt der Vergangenheit, auf Ressourcen und Erfolg anstatt auf Versagen. Im Reteaming-Prozess durchläuft man vier voneinander verschiedene Phasen, von denen jede mehrere Schritte beinhaltet (s. Graphik). Die vier Phasen, die in ein- bis zweitätigen Workshops komplett durchgearbeitet werden können, sind:

     

  • Ziele erarbeiten
  • Menschen befähigen
  • zu positiver Entwicklung beitragen
  • die erreichten Ergebnisse positiv verstärken

 

Das frappierende ist, wie die zu Anfang noch möglicherweise vorherrschende negative Energie der Teilnehmer, die um Probleme kreist, sich innerhalb weniger Stunden in pulsierende, positive Energie verwandeln kann.

Eine theatralisch anmutende, aber höchst wirkungsvolle Startmöglichkeit liegt darin, dass die Teilnehmer zu Beginn in der linken Spalte eines Flipcharts die Probleme auflisten, dann rechts daneben positiv formulierte Ziele definieren (was wollen wir denn stattdessen?), um – wenn das geschafft ist – das Flip in der Mitte von oben nach unten durchzureißen. Der linke Teil mit den Problemen wird von den Teilnehmern entsorgt. Dann arbeiten sie mit anvisierten Zielen weiter.

Ziele mit Energie aufladen

Jede dieser vier Phasen besteht aus mehreren Arbeitsschritten. Bei der Phase eins „Ziele erarbeiten“ etwa geht es im nächsten Schritt darum, die Energie weiter zu focussieren, indem aus den vielen Zielen eines ausgewählt wird. Am besten jenes, das den größtmöglichen positiven Einfluss auf andere Ziele der Liste hat. Ebenso wichtig ist, dann die Vorteile zu konkretisieren, die das Erreichen des ausgewählten Ziels auf das Team und sein Umfeld (andere Abteilungen, die Organisation, Kunden, das persönliche Leben etc.) haben wird: „Welche Gewinne verbinden Sie mit diesem Ziel?“ Dann wird das ausgewählte Ziel noch einmal genau darauf hin überprüft, inwieweit sein Erreichen auch konkret beobachtbar ist: „Angenommen Sie würden nach einem Jahr ein Video machen und das Team hätte bereits große Fortschritte erzielt, beschreiben Sie die Szene, das konkrete Verhalten.“

Mindestens so wichtig wie das Ziel ist die Festlegung von Zwischenzielen, von möglichst kleinen Stufen, die den laufenden Fortschritt anzeigen und so zu ersten Erfolgserlebnissen führen: Was ist morgen das erste kleine Zeichen, dass wir auf dem Weg sind? Was ist in einer Woche ein deutliches Zeichen für den Fortschritt und was ist in einem Monat geschehen, das uns bestätigt, dass eine positive Entwicklung stattgefunden hat? Diese Fortschritte gilt es erst einmal wahrzunehmen und dann auch angemessen zu würdigen, was bei herkömmlichen Zielprozessen leider nur allzu oft unterbleibt. Mit dieser Festlegung der Zwischenziele und der konkreten Zeichen, anhand derer ihre Erreichung bemerkbar ist, endet die erste Phase.

Reteaming bei der Zürich Versicherung

Dietmar Knapp war eine der ersten Führungskräfte bei der Zürich Versicherung, die die dreitätige Ausbildung zum Reteaming-Coach absolvierten und die Methode dann sofort bei ihrer Arbeit umsetzten. Nachdem er in den 90er-Jahren als Verkaufsleiter eine Region in Kärnten übernommen hatte, schaffte er es unter Anwendung der Methode, sich mit seinem neuen Team innerhalb eines Jahres von den hinteren Rängen auf Platz drei des internen Rankings vorzuarbeiten. Im Jahr 2002 übertraf man als eines von vier Teams in Österreich die 100% Marke und 2003, so Knapp „hat sich das Team das Ziel gesetzt, Nummer eins zu werden und ich werde mich hüten, sie daran zu hindern.“ Gerade weil der Prozess den Raum aufmache, damit sich die Mitarbeiter mit ihren eigenen Zielen und Ideen einbringen können und ihre Beiträge zu der Frage, welche Wege dazu am besten beschritten werden sollen essentieller Bestandteil des Prozesses sind, mache die Arbeit, so die Beobachtung Knapps, den Mitarbeitern jetzt auch viel mehr Spaß.

Ebenfalls im Jahr 2002 nahm dann die gesamte Führungsmannschaft der Kärntner Landesdirektion an der dreitägigen Ausbildung teil. Mit dem Effekt, dass sich die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg seitdem spürbar verbessert hat. Nach dem Motto „Wenn die Führungskräfte das machen, wollen wir das auch“ sprang mittlerweile auch die interne Abteilung, die die Makler betreut, auf den Zug auf, was eine weit bessere Kooperation von Innendienst und Außendienst nach sich zog.

Zukunft braucht man nicht rechtfertigen

Günter Rockenschaub, bis 2003 Personalchef bei Zürich und ebenfalls Teilnehmer der ersten Stunde, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. "Der eine große Vorteil dieses Ansatzes ist, dass er stark zukunftorientiert ist. Durch Fragen wie „was wollen wir in der Zukunft machen“ ist Reteaming für die Teilnehmer ein angenehmer Prozess, weil man nicht Personen angreift, sondern eine gemeinsam wünschenswerte Zukunft plant. Damit ändert sich auch die Kommunikation. Sie wird offener, das Betriebsklima verändert sich positiv und die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigt. Um nicht in die frühere Problemfixierung zurückzufallen, muss man aber ständig am Ball bleiben. Wir haben daher immer wieder follow-ups gemacht und 2003 in Wien bei den Führungskräften einen Schwerpunkt Teamentwicklung gesetzt, wobei sich jede Führungskraft, die das wollte, auch coachen lassen konnte. Gerade beim täglichen Umgang helfen diese lösungsorientierten Fragen sehr und je mehr Leute das machen, desto mehr gewöhnt man sich daran."

Bei Rückfällen in alte Muster kann es schon mal vorkommen, dass Mitarbeiter ihre Führungskräfte mit Aussagen wie „das war aber nicht gerade lösungs- und resourcenorientiert“ schnell wieder auf den richtigen Weg bringen. Damit diese Methode mehr ist als ein Strohfeuer, gibt es allerdings eine wichtige Voraussetzung: Die Führungskräfte müssen in dem Ansatz für sich selber genügend Vorteile erkennen können: für sich persönlich, für Ihre Führungsleistung, für die Zielerreichung etc. Dazu dient wohl auch die Frage am Ende jedes Reteaming-Prozesses: "Was haben Sie von diesem Entwicklungsprogramm über diesen Prozess, über Lösungsorientierung und über sich selbst gelernt?"

 

Focus auf Probleme Focus auf Lösungen
Probleme bewerten Ziele deutlich machen
Frühere Fehler untersuchen Frühere Erfolge untersuchen
sich der derzeitigen Behinderung bewusst sein sicher der derzeitigen Verbesserung bewusst sein
Probleme erklären Fortschritt erklären
Auf Schwächen und Versagen hinweisen Auf Stärken und Resourcen hinweisen
Für Probleme werden Menschen als verantwortlich angesehen Anerkennen der Menschen als die, die zur Lösung beigetragen haben

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