Veränderungsenergie mobilisieren

Gerade erfolgreiche Projekte hätten großes Potential, über den unmittelbaren inhaltlichen Erfolg hinaus breitflächig die Lust auf Veränderung zu stärken und neue Energie zu mobilisieren - vorausgesetzt, die bereits erzielten Erfolge würden auch gezielt kommuniziert.

Die Reparaturabteilung des Produktionsunternehmens war bereits einige Jahre lang eines der Sorgenkinder des Unternehmens, als sie von einem neuen Abteilungsleiter übernommen wurde. Innerhalb eines einzigen Jahres schaffte er es mit seiner Mannschaft, die Durchlaufzeit für Reparaturen auf ein Drittel der bisherigen Zeit zu senken. Eine beeindruckende Leistung der Abteilung, die vom Geschäftsführer im Führungskreis auch lobend hervorgehoben wurde - doch das war es dann auch schon. Die zahlreichen weiteren Möglichkeiten, diesen Erfolg zu verwerten, blieben ungenutzt.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall, sondern vielmehr die Regel und es beleuchtet einen vielerorts sichtbaren, sonderbaren Widerspruch: Auf der einen Seite verspüren Unternehmen und ihre Mitarbeiter täglich den Druck, sich weiter zu verbessern und dazu laufend Strukturen, Prozesse und Kompetenzen weiterzuentwickeln oder radikal zu verändern, was häufig zu Klagen über die wachsende "Veränderungsmüdigkeit" der Mitarbeiter führt. Auf der anderen Seite aber wird die wichtige Resource der bereits erzielten Erfolge geflissentlich übergangen: Projekt erfolgreich abgeschlossen? Ziele erreicht? Ok, gut. Also auf zum nächsten Projekt! Breitflächige Würdigung des Projekts? Fehlanzeige. Auswertung etwaiger "Lessons Learned" und Verbreitung dieses Wissens durch die am Erfolg Beteiligten? Ist nicht vorgesehen.

Was hätte man tun können?

Motivation zum Billigtarif: In vielen Unternehmen gilt nach wie vor der Satz: "Erfolgreiche Arbeit ist normal, genau dafür werden die Leute ja bezahlt." Dabei wird die Tatsache übersehen, das Menschen, die sich anstrengen, um Erfolge zu erzielen, es zu schätzen wissen, mit dieser Leistung auch wahrgenommen und dafür anerkannt zu werden. Unterbleibt diese Anerkennung, sinkt die Motivation ("Warum soll ich mich weiter anstrengen? Es fällt eh keinem auf.") und die aufgrund der Erfolge zuerst sehr hohe Veränderungsenergie sinkt rapide ab.
Eine einfache Lösung liegt darin, die Beteiligten dieses Erfolgs "vor den Vorhang zu holen". Etwa, indem man die Mitarbeiter kurz interviewt, wie sie es denn nun konkret geschafft haben, diesen Erfolg zu erzielen und dies in der Mitarbeiterzeitung / im Intranet / bei den Konzern-News veröffentlicht. Oder indem man das Team einlädt, gemeinsam beim nächsten Managementmeeting oder der Firmenfeier seinen Erfolg und die daraus gezogenen Lehren zu präsentieren. Oder aber, indem man dem Team den Auftrag gibt, zu überlegen, wer aller im Unternehmen / im Konzern noch von den vorgenommenen Veränderungen profitieren könnte, dazu eine kurze Präsentation zu entwickeln und sie bei Interesse ihren Kollegen vorzustellen.
Jede dieser Maßnahmen richtet den Scheinwerfer auf die Mitarbeiter und ihre Anstrengungen beim Erzielen dieses Erfolgs und erfüllt sie mit Freude und Stolz aufgrund dieser Beachtung. Sozusagen ein Schatz, der mit Leichtigkeit ausgebuddelt werden könnte, da die Lage des Schatzes bereits bekannt ist.

Veränderungsimpulse vervielfältigen: Motivation der direkt Beteiligten ist ein erster wichtiger Schritt, um die Wirkung eines erfolgreichen Projektes oder einer erfolgreichen Veränderungsmaßnahme zu verstärken. Doch die Wirkung ist noch viel weiterreichender, denn solch eine Beachtung wird natürlich auch von den Kollegen aufmerksam beobachtet. Das Signal ist klar und strahlt aus. "Hey, hier scheint sich Anstrengung tatsächlich zu lohnen. Gute Arbeitsergebnisse werden oben wirklich wahrgenommen und gewürdigt und nicht nur in Sonntagsreden beschworen!"

Wissen managen statt Wissensmanagement zu beschwören: Mit der Darstellung des Erfolgs allein ist es noch nicht getan. Denn so nett solche "Benchmarks" auch sind, als Betrachter fragt man sich natürlich: Wie haben die das nun konkret angestellt? Vor welchen Problemen sind sie gestanden? Welche Hürden mussten sie überwinden? Was waren die entscheidenden Lernerfahrungen?
Je authentischer und plastischer die Schilderungen ausfallen und je konkreter die gefundenen Ideen und Vorgangsweisen dargestellt werden, desto eher lassen sich daraus für die anderen Ideen und Wege ableiten, im eigenen Bereich erfolgreicher zu sein. Eine gut gewählte Form des (Mit-)Teilens von Wissen wird somit zum Ausdruck der Bereitschaft zu geben, zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Imagewerbung nach außen: Erfolgsgeschichten helfen in einem weiteren, heutzutage immer wichtiger werdendem Punkt: Sie machen den eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg deutlich, sei es als Abteilung oder Bereich  gegenüber der Geschäftsführung oder auch als Unternehmensteil oder Tochterunternehmen gegenüber dem Konzern: "Die haben da etwas Tolles auf die Beine gestellt". Hier eine kleine Meldung über den neuen, viel effizienteren Prozess (am besten mit viel Lob für die vor- und nachgelagerten Bereiche, die "wesentlich dazu beigetragen haben"), dort ein kleines Handout mit "Lessons Learned" für die anderen Abteilungen, Schwester- oder Tochterunternehmen - all das ist auch eine Form dezenter PR in eigener Sache, ohne dabei allerdings zu protzen und zu übertreiben, um nicht als "Selbstbeweihräucherung" vom Tisch gewischt zu werden. In Zeiten ständiger Veränderungen, in denen das Organigramm im Halbjahresrhythmus über den Haufen geworfen wird, ist es alles andere als hinderlich für das eigene "Standing" im Unternehmen, als innovative, engagierte Truppe gesehen zu werden. Ebenso klar ist, dass auch Auftraggeber und Projektleiter bzw. Führungskraft einen Teil dieses Glanzes abbekommen. "Ist die Sonne erst mal aufgegangen, scheint sie auf alle gleichermaßen".

Attraktiver Arbeitgeber: Die gezielte Kommunikation von Erfolgen bewirkt aber nicht nur viel innerhalb des Unternehmens, sie nützt natürlich auch nach außen: Das Unternehmen kann anhand konkreter Success-Stories seine Modernität, seine Innovationskraft und eine von Wertschätzung getragene Unternehmenskultur demonstrieren. Es erlangt damit schrittweise den Ruf eines Vorreiters, betreibt aktiv Imagepflege und erhöht so ganz nebenbei seine Attraktivität am Arbeitsmarkt. Gerade weil Unternehmen beim Thema "Wertschätzung der Mitarbeiter" oft "Wasser predigen und Wein trinken" reagieren Bewerber besonders sensibel auf all jene Informationen, die dieses Bild glaubwürdig untermauern können. Geschäftsführer, die das Unternehmen nach außen repräsentieren müssen und Personalisten, die den Arbeitsmarkt nach den heiß begehrten "Talenten" screenen, sind für solches "Futter", um ihre Aussagen mit konkreten Beispielen zu untermauern, durchaus aufgeschlossen, ebenso wie die Communication- oder Marketing-Abteilung. Vorausgesetzt - diese Personen werden "richtig adressiert".
Auch hier gilt die alte Weisheit: "Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Fischer." Bekommt der Geschäftsführer den Eindruck, "da nimmt sich wohl jemand sehr wichtig, indem er ständig betont, wie toll er und sein Bereich sind", stehen die Chancen weit weniger gut, als wenn er denkt: "Wir stehen unter ständigem Kosten- und Effizienzdruck von Seite der Eigentümer, der Konzernmutter, etc. Was gibt es für Beispiele, wo ich glaubhaft darstellen kann, dass wir gut unterwegs sind und uns verbessern oder anderen Bereichen vielleicht sogar voraus sind?"

Klingt schön, passiert aber selten. Warum?

Neben dem Klassiker "Zeitdruck" dürfte vor allem ein Faktor dafür verantwortlich sein, dass viele der erzielten Erfolge wenig bekannt werden. Die meisten Projektpläne enthalten keinen eigenen, schon von Beginn an mitgedachten Kommunikationsplan. (Welche Fortschritte, Zwischenergebnisse, Resultate sollen wann wie an wen kommuniziert werden?) Der auf den ersten Blick einleuchtende Grund:  Zu Beginn ist noch völlig offen, ob das Unterfangen erfolgreich sein wird oder nicht. Warum also etwas an die große Glocke hängen, bevor der Erfolg sicher ist? Man könnte sich ja auch blamieren. Wohl wahr, aber mitdenken sollte man es trotzdem. Denn wenn das Projekt erst einmal abgeschlossen ist, ist es dafür in aller Regel zu spät. Zum einen werden Projektmitarbeiter nach Projektende üblicherweise sofort ins nächste Projekt abkommandiert oder wieder von der Linie vereinnahmt, zum anderen wurde für diesen Punkt in der Planung ja weder Zeit noch Budget vorgesehen. Und wer nimmt schon gern die Mühe auf sich, das am Ende eines Projektes nachzuverhandeln. Also gibt man sich lieber mit der Genugtuung zufrieden, die definierten Ziele erreicht zu haben und lässt den ungehobenen Schatz dort, wo er ist: Vergraben!

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