Unternehmen unter Strom

Die Liberalisierung in der Energiewirtschaft wird vielen Unternehmen der Branche noch arg zu schaffen machen. Ein Regionalversorgungsunternehmen in der Steiermark, die Feistritzwerke in Gleisdorf, ist hingegen schon heute gut gerüstet für den künftigen Wettbewerb.

„Die Liberalisierung in unserer Branche war ein Quantensprung vom abhängigen zum freien Kunden. Das erste was wir daher gemacht haben, war, bei den 70 Mitarbeitern im Haus ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich die Welt ändert. Das wichtigste war, einmal Akzeptanz zu finden dafür, dass wir uns am Markt bewähren müssen. Und das war insofern gar nicht so einfach, als viele in der Branche gar nicht geglaubt haben, dass die Liberalisierung so rasch kommen kann. Aber die Realität hat uns recht gegeben.“

Wohl wissend, dass der Prophet im eigenen Land immer am wenigsten zählt, erreichte der Geschäftsführer der Feistritzwerke, Ing. Rupert Portugaller, den nötigen Kulturwandel, indem er meinungsbildende Mitarbeiter schon frühzeitig auf Veranstaltungen nach England, Deutschland und Skandinavien schickte, alles Länder, die Österreich in den Liberalisierungsbestrebungen um Jahre voraus sind.

Dementsprechend beeindruckt und mitunter auch betroffen von den Erfahrungen der ausländischen Kollegen kamen diese Mitarbeiter dann ins Unternehmen zurück, schilderten den anderen Mitarbeitern ihre Erlebnisse und meinten: „Da sollten wir bald was tun“.

Prozesse statt Funktionen

Der klassische Aufbau von Energieunternehmen, den Ing. Portugaller bei seinem Einstieg Anfang der 90er-Jahre auch bei den Feistritzwerken vorfand, war eine Aufteilung in einen kaufmännischen und einen technischen Bereich. Selbstverständlich mit klarer Dominanz des technischen Bereichs. Geprägt von seinen Vorerfahrungen bei der Firma Elin, die von einer funktionalen Organisation zu einer Prozeßorganisation umgebaut worden war, entschied der Geschäftsführer, diese Neuorganisation auch beim Regionalversorger durchzuführen.

Nach einer Definition von sieben Kernprozessen, die den zentralen Kundenanforderungen entsprachen und in sich geschlossen vom Angebot bis zur Rechnungslegung reichten, wurden Arbeitsgruppen mit Mitgliedern aller Berichtsebenen gebildet, die diese Kernprozesse analysierten, neu entwarfen oder verbesserten. Statt bisher zwei Bereichsleitern gab es dadurch nun sieben Prozeßverantwortliche, die sich in der Folge zu Cost-Center-, dann Profit-Center- und nunmehr Geschäftsbereichsverantwortlichen weiterentwickelten. Begleitet wurde diese Entwicklung durch Schulungen in Prozeßmanagement, Betriebswirtschaftslehre und den Aufbau eines adäquaten Controllings, um eine eigenverantwortliche Steuerung der Bereiche überhaupt erst möglich zu machen. Auch während dieser Zeit fuhren immer wieder Mitarbeiter ins Ausland, um die dortigen Entwicklungen zu beobachten und dann durchaus mit Stolz nach Hause zu melden: „Wir sind am richtigen Weg“.

„Garantierte Dienstleistungen“

Vor drei Jahren wurde dann das nächste Projekt in Angriff genommen, ausgehend von der Frage, was erwartet der Kunde überhaupt? Auch hier half ein Blick über die Grenzen. Man beschaffte sich bereits vorhandenes Datenmaterial und Studien und gelangte rasch zum Thema „Termine“. Also schufen die Feistritzwerke die sogenannten „garantierten Dienstleistungen“, bei denen sich das Unternehmen gegenüber den Kunden verpflichtet, klar definierte Leistungen innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen. „Andernfalls – und das ist meines Wissens nach in unserer Branche im deutschsprachigen Raum  einmalig – nimmt das Unternehmen Geld in die Hand und zahlt dem Kunden eine Pönale in Form eines Stromgutscheins von 20,- Euro“, so der Geschäftsführer.

Seit letztem Herbst ist das Unternehmen noch einen Schritt weiter. Bei einem Benchmarking in anderen Branchen stieß man auf eine Hotelgruppe, die berühmt ist für ihr exzellenter Kundenservice. Anlaß genug, um entsprechend dem Firmenleitsatz „Wir wollen Österreichs kundenfreundlichstes Energieversorgungsunternehmen sein" in Großgruppenworkshops mit der Firma Trigon die „Sunny-Spielregeln“ zu entwickeln. Sunny steht dabei für eine lachende Sonnenblume und gemeinsam definierte Spielregeln für den Umgang miteinander und mit dem Kunden, die als sticker im ganzen Haus verteilt sind und den Kunden bei jedem persönlichen und schriftlichen Kontakt überreicht werden.

Der Energieversorger als Energiesparer

Klar ist, dass aufgrund des zunehmenden Marktdrucks die erzielbaren Preise fallen werden. Ebenso klar sah man bei Feistritzwerken daher die Notwendigkeit, frühzeitig mit dem Aufbau neuer Geschäftsfelder zu beginnen. Das beginnt schon bei der angebotenen Energie, hat doch der von den Feistritzwerken gelieferte Strom den mit Abstand höchsten Anteil an Fotovoltaikstrom in ganz Österreich und das führt bis zum neuen Geschäftsfeld Energie-Engineering, in dem das Unternehmen seine Kunden dabei unterstützt, Energie zu sparen! Sozusagen als Pilotprojekt senkte man zu Beginn gleich einmal die Heizungskosten im eigenen Haus um 36% und hilft nun vor allem öffentlichen Einrichtungen bei der Optimierung von Strom-, Wärme- und Wasserverbrauch. Oder aber, so der Kunde das wünscht, die Feistritzwerke kaufen und betreiben selbst die Heizungsanlagen in Wohn- oder Bürohäusern, gemäß dem Motto: „Wir versorgen Sie mit Wärme und Sie brauchen sich um nichts mehr zu kümmern.“

Ein weiteres zukunftsträchtiges Geschäftsfeld ist bereits intensiv angedacht. Ing. Portugaller: „Stichwort Telekommunikation: Wir haben ja in jedem Raum unserer Kunden eine Steckdose. Sie können davon ausgehen, da wird sich noch einiges tun.“

Autor: Peter Wagner, 07.2000

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: