Training oder Führung?

Ein kleiner Leitfaden von Wolfgang Arndt zur Frage, wann Training angebracht ist und wann nicht.

Der Sachbearbeiter  hat die Parameter, die fürs neue Mailing gebraucht werden, völlig unzureichend in die Kundendatei eingegeben. Im Sekretariat wird der Briefkopf bei jedem Briefkopf mühsam neu formatiert. Die Verkäufer geben Rabatte, die die Kalkulation zu kippen drohen.

Wenn Mitarbeiter nicht das tun, was sie sollen, reagieren viele Vorgesetzte nach einem ähnlichen Muster: Aha, der kann das nicht. Der braucht ein Training! Und wenn das nichts nützt, wird gleich noch ein zweites nachgeschoben. Trotzdem ist Erfolg keineswegs garantiert. Was bleibt, sind Frust auf beiden Seiten, negative Arbeitsmotivation und Verärgerung. Dabei lassen sich solche Mißerfolge vielfach vermeiden. Denn die Ursachen ineffektiven Arbeitens sind oft relativ leicht zu beseitigen – und das ohne Training. Tut ein Mitarbeiter nicht das, was er eigentlich soll, sind zunächst vier grundsätzliche Fragen zu beantworten:

1. Weiß der Mitarbeiter, was er tun soll?

Den Fall, daß ein Mitarbeiter über seine Arbeit nicht ausreichend informiert ist, gibt es häufiger als erwartet. Vielleicht ist den Verkäufern der Deckungsbeitrag des Produktes noch nie gründlich erläutert worden? Eventuell wissen die Schreibkräfte gar nicht, daß sie sich selbständig mit den Routinen des PC vertraut machen sollen? Und welchen Sinn bestimmte Angaben in der Kundendatei haben, wurde dem Sachbearbeiter vielleicht nie genau erklärt. In solchen Fällen nützt kein Training – es reicht, den Betreffenden umfassend zu informieren.

2. Will der Mitarbeiter das, was er tun soll?

Wenn die Antwort ”Nein” lautet: Prüfen Sie, ob ihm seine Aufgabe einfach keinen Spaß macht, oder ob ihre Erfüllung ihm subjektive Nachteile bringt. So kann es der Schreibkraft unter Umständen den Spott ihrer Kolleginnen einbringen, wenn sie sich intensiver mit dem PC vertraut macht. Oder die Provision des Verkäufers richtet sich nach dem Umsatz, so daß er ein Interesse daran hat, Verträge ”um jeden Preis” abzuschließen. Der Sachbearbeiter schließlich mag hinter einer übersichtlicheren Strukturierung der Kundenkartei einen Vorwand vermuten, seine Arbeit zu kontrollieren. Stellt sich also heraus, daß im Unternehmen bisher das Falsche belohnt wurde, muß die Führungskraft dies ändern. Und zwar ohne Training!

3. Lassen Marktsituation und organisatorische Rahmenbedingungen zu, daß der Mitarbeiter tut, was er tun soll?

Ist eine der beiden Voraussetzungen nicht gegeben, ist ein Training ebenfalls nutzlos. Auch der beste Verkäufer ist machtlos, wenn die vom Unternehmen festgesetzten Preise dem Markt nicht angemessen sind. Eine bereits jetzt überlastete Schreibkraft wird keine Zeit finden, sich zusätzlich weiterzubilden, und ein Programm, das nicht genug Platz für Zusatzinformationen läßt, kann auch vom engagiertesten Mitarbeiter nicht optimal gepflegt werden. Sorgen Sie deshalb dafür, daß die Arbeitsorganisation und die Arbeitsumgebung die Leistung Ihrer Mitarbeiter fördern statt behindern.

4. Kann der Mitarbeiter das, was er tun soll?

Nur wenn Sie diese Frage mit ”nein” beantworten, – und wirklich erst dann – ist Training nötig, das beispielsweise die Durchsetzungsfähigkeit des Verkäufers, das EDV-Know-how der Schreibkraft und das systematische Denken des Sachbearbeiters verbessert.

Zum Schluß noch eine Kontrollfrage, um ganz sicher zu unterscheiden, ob das Problem im Bereich ”Können” oder ”Wollen” liegt: Würde der Mitarbeiter die Aufgaben erfüllen, wenn er dafür besonders belohnt würde? Sollte die Antwort ”Ja” lauten, dann ist der Mitarbeiter seiner Aufgabe gewachsen. Folglich ist nicht Training, sondern Führung angesagt!

10.2000

Zum Autor:

Wolfgang Arndt ist Trainer bei der VA Akademie für Führen und Verkaufen in Sulzbach/Taunus, D. Der Beitrag erschien erstmals in der Zeitschrift „Motivation“ 6/99

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: