Top – Flop – Top again

Von 1995 bis 1998 war bei der Zürich Versicherung die Gruppe „Klagenfurt Stadt und Land“ österreichweit das beste Verkaufsteam. Doch 1999 ließ die Leistung ohne klar erkennbaren Grund nach und im Jahr 2000 setzte sich der Abwärtstrend in der Teamleistung weiter fort. Die üblichen Ansätze, den Umsatz zu erhöhen, brachten keine Veränderung der Lage. Der Umschwung kam mit einem neuen Denkansatz.

Im Frühjahr 2000 besuchte der Leiter des Verkaufsteams, Dietmar Knapp, eine zweitägige Ausbildung in Reteaming, einem Programm, das auf den Konzepten der lösungsorientierten Kurztherapie von Steve De Shazer basiert und dessen Design von Ben Furman und Tapani Ahola vom Brief Therapy Institute in Helsiki entwickelt wurde:

Knapp´s erste Erfahrungen: „Nachdem ich die Ausbildung gemacht hatte, habe ich mir gedacht, jetzt probier ich das einmal in der Praxis aus. Also habe ich alle Aussendienstmitarbeiter für einen Tag zusammengeholt; den Innendienst habe ich zu dem Zeitpunkt aber noch bewusst ausgespart. Nun gibt es beim Reteaming ja mehrere Möglichkeiten anzufangen: Man kann z.B. damit starten, dass jeder sagt, was ihm nicht passt, diese Probleme dann auflisten und dann bei jedem Punkt fragen, wie es statt dessen sein soll. Man beginnt also mit den Problemen und verwandelt sie dann in Ziele.

Der Zielzustand

Eine andere Möglichkeit – und der von mir damals gewählte Weg - ist der Einstieg über einen „Gute-Zukunft-Brief“ im Sinn von ‚Stellen Sie sich vor, heute ist ein Jahr nach unserem Treffen und das Team ist genauso, wie Sie sich das damals gewünscht haben. Schreiben Sie mir einen Brief, wie das heute, ein Jahr später ausschaut.’ Ich habe zwar zuerst Bedenken gehabt, ob die Leute das auch machen, aber das ist gut angekommen.“

Am Ende der Übung las jeder seinen Brief in der Runde vor. Die Palette der positiven Veränderungen reichte von: „wir sind wieder so erfolgreich, wie wir früher waren“, „wir liegen mit unserer Zielerreichung weit über den Minimalerfordernissen“ bis hin zu „wir unternehmen wir etwas gemeinsam“ sowie eine Reihe privater Wünsche.

Die Auswahl eines Zieles

Im nächsten Schritt hatte jeder Teilnehmer die Aufgabe, aus dem Vorgelesenen zwei bis drei Ziele abzuleiten, die dann in der Runde gesammelt und gebündelt wurden. Aus diesen Zielen galt es dann, sich für ein einziges Ziel zu entscheiden. Eine hilfreiche Frage ist hier: Welches Ziel hat, wenn es erreicht wird, den positivsten Einfluss auf viele andere Ziele? Die Gruppe entschied sich für das Ziel „Verbesserung der eigenen Arbeitsorganisation und Zeiteinteilung“. Damit endete dieser Tag und die Gruppe vereinbarte ein weiteres Treffen eine Woche darauf.

Der erwartete Gewinn

Im nächsten Schritt ging es um die Frage: welche Gewinne ergeben sich für wen, wenn wir das definierte Ziel erreichen: „Was glaubt ihr, werden die Vorteile davon sein, euer ausgewähltes Ziel zu erreichen: aus persönlicher Sicht, aus Sicht des Teams, der Organisation, der Kunden, eurer Familie?“ Schließlich heißt ein Ziel zu setzen nicht notwendigerweise, dass jedem der Gewinn klar ist, den das Erreichen des Zieles bringen kann und dementsprechend gering ist in solch einem Fall die Motivation und das Engagement. Positiv formuliert: Die Anziehungskraft eines Zieles ist direkt proportional zu den Vorteilen, die man erwarten kann.

Nach einem Brainstorming über diese Vorteile - u.a. ein gutes Gefühl bei der Arbeit, zufriedene Kunden, mehr Geld, mehr Zeit, eine höhere Lebensqualität – war die Frage: Was für eine Wirkung wird das haben, wenn wir das Ziel erreichen? Die Antwort der Mitarbeiter:  „Dann müssten wir in den zweiten fünf Monaten (bis Oktober) eigentlich doppelt so viel Geschäft machen wie in den ersten fünf Monaten.“ Als sogenannten „cool name“ für das Projekt fand die Gruppe: „roter Oktober“ und als sichtbarer Icon fungierte ein roter Punkt, der fortan in allen mit dem Projekt in Zusammenhang stehenden Unterlagen und auf jedem Telefonhörer zu finden war.

Ressourcen anzapfen

Beim nächsten Programmpunkt ging es um die Frage: wer braucht welche Unterstützung? Der Verkaufsleiter wurde hier von der Gruppe als Kontrollinstanz ebenso in die Pflicht genommen wie einige weithin bekannte Kollegen aus anderen Verkaufs- und Aufgabenbereichen, die als Rollenmodell für gutes Zeitmanagement und effiziente Routenplanungen fungierten.

Ein ebenso wichtiger, wenn auch für die meisten Teilnehmer sehr ungewohnter Schritt war die „Inventur der Teamressourcen“. Die Aufgabe hier besteht darin, jedem Mitglieder der Gruppe mitzuteilen, was man persönlich an dieser Person besonders schätzt sowie wie und warum das für einen selbst hilfreich ist. (Welche besonderen Talente, Fähigkeiten und Qualitäten können Sie bei den Mitgliedern Ihres Teams finden und inwiefern könnte das bei der Zielerreichung von Nutzen sein?)

In einem zweiten Schritt geht es darum, „äußere Ressourcen“ (Kollegen, andere Abteilungen, Experten, Außenstehende) zu identifizieren, die sich beim Vorhaben als unschätzbare Hilfe erweisen könnten. Im dritten Schritt hat das Team die Aufgabe, den Vorrat an früheren Erfolgen, bei denen man es mit ähnlich gelagerten Herausforderungen zu tun hatte, anzuzapfen. (Es stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wenn man sich daran erinnert, schon bei früheren Gelegenheiten mit ähnlichen Situationen fertig geworden zu sein.)

Babysteps und Fortschritte

Schließlich geht es darum festzulegen, was welches Mitglied beitragen wird, damit das Ziel erreicht wird. Nicht große ehrgeizige ziele sind hier gefragt, sondern kleine realistische Taten. Dementsprechend gilt es, drei Fragen zu beantworten: Was werde ich morgen tun, was in der ersten Woche und was wird in einem Monat geschehen, das mir bestätigt, dass eine positive Entwicklung stattgefunden hat?

Selbst wenn die Fortschritte klein und unbedeutend erscheinen mögen, sie sind Zeichen dafür, dass die zuerst nur erhoffte Entwicklung bereits stattfindet. Daher ist es schlicht klug, hervorzuheben, was bereits geschehen ist und jedem, der in irgendeiner Form daran beteiligt war, Anerkennung und Dank auszusprechen. (Sich gegenseitig dabei zu erwischen, einen positiven Beitrag geleistet zu haben, ist nicht nur Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung, es bringt ein Lächeln ins Gesicht der Menschen, motiviert unheimlich und hat enorme Auswirkungen auf das Klima der Abteilung.)

Die harten Fakten sprechen im Fall des Zürich Kosmos Teams für sich. Lag das Team nach den ersten fünf Monaten im internen Ranking noch auf Platz 28, hatte es fünf Monate später die gesetzten Umsatzziele erreicht und sich bereits auf Platz 6 vorgeschoben. Es folgte ein gemeinsames Reteaming von Innendienst und Außendienst, ebenfalls mit deutlichen Verbesserungen in der Kommunikation und Zusammenarbeit. Derzeit ist es Ziel des Verkaufsteams, im Ranking wieder unter die Top 3 zu kommen und schaut man genau hin, sieht man sie schon: die vielen kleinen und großen Fortschritte.

08.2001

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