Toller Job - zumindest im Inserat!

Nicht immer halten Stellenangebote das, was sie versprechen. Dann weicht die Freude über einen neuen Traumjob wie dem Aufbau einer neuen HR-Abteilung in einem schnell wachsenden Unternehmen auch rasch wieder der Ernüchterung.

Wie kam es zum Wechsel in den neuen Job?

Ich wollte nach meinen Tätigkeiten im Vertrieb eines großen, international tätigen Personalbereitsteller und dann im Recruiting eines Personalberaters im nächsten Schritt einmal die Unternehmerseite kennen lernen und in Richtung Personalarbeit gehen. Also habe ich mich auf ein Inserat beworben, in dem eine Personalistin gesucht wurde, die in einem schnell wachsenden Unternehmen mit derzeit rund 100 Mitarbeitern die HR-Abteilung aufbauen sollte. Die vorrangigen Aufgaben waren Recruiting, das Identifizieren und Entwickeln von Potenzialträgern und die Etablierung systematischer Prozesse. So war es zumindest beschrieben. Ich hatte also ein erstes Gespräch mit dem Geschäftsführer und zwei Monate später ein Zweitgespräch. Danach fiel die Entscheidung dann relativ rasch.

Wie verliefen dann die ersten Tage?

Am Beginn habe ich mir das Unternehmen natürlich einmal primär von der Personalseite her angeschaut: Wie wird derzeit Personal besetzt, welche Personen werden ausgewählt, was konkret braucht das Unternehmen wo an Kompetenzen, wie hat die Personalauswahl bisher stattgefunden, usw. Das waren die Themen, über die ich einmal einen Nachmittag lang mit dem Geschäftsführer geredet habe, um mich zu orientieren. Dass eigentümergeführte Unternehmen oft ein wenig chaotisch sind, merkt man schnell daran, dass hier vom Zeitaspekt her vieles anders läuft als in großen Unternehmen. Die neue Funktion war als Stabstelle direkt an den Geschäftsführer gekoppelt, aber der war viel unterwegs, kam häufig erst am Abend ins Büro und war somit kaum greifbar. Wenn man aus einer Konzernstruktur kommt, ist das teilweise sehr gewöhnungsbedürftig. Es gab keine regelmäßigen Besprechungen, sondern das meiste passierte auf Zuruf.

Das klingt nach: Man muss dem Chef ständig hinterher laufen, um Entscheidungen zu bekommen.

Unter anderem. Grundsätzlich gesehen erfordert der Wechsel von einem Großunternehmen in einen Klein- oder Mittelbetrieb natürlich eine Umstellung. Vieles läuft hier anders als man bisher gewohnt war. Insofern hängt es einmal davon ab, mit welcher Erwartungshaltung man in den Job geht. Klarerweise ist hier vieles nicht so durchorganisiert wie in einem großen – um das voranzutreiben, wird man u.a. ja auch geholt – auf jeden Fall muss man sich komplett umorganisieren. Beispielsweise hatte ich in meiner alten Firma ein gutes Zeitmanagement und einen Outlook-Kalender, mit dessen Hilfe wir intern Termine und Besprechungen gemanagt und abgestimmt haben, während in der neuen Firma alle auf Zuruf gearbeitet haben, was ncihts anderes hieß als: Wer etwas gebraucht hat, kam einfach in mein Büro gestürmt, wodurch ich ständig unterbrochen wurde, was der Effizienz natürlich nicht gerade zuträglich ist. Dadurch lief hier vieles einfach wesentlich langsamer - das war für mich die größte Umstellung.

Aber es gab zu Beginn ein ausführliches Gespräch mit dem Geschäftsführer...

Ja, ein ziemlich langes Gespräch, bei dem er sich viel Zeit genommen hat. Aber rückblickend gesehen hat sich schon sehr bald herauskristallisiert, dass er eigentlich für sich eine Assistentin gesucht hat, die noch dazu möglichst ständig abrufbereit hätte sein sollen. Und das war ich beides definitiv nicht.

Vom Profil her ausgeschrieben war eine HR-Leitung, aber besser besetzt hätte man wohl eine Assistenzposition, die nebenbei ein wenig Recruiting macht. Einerseits hat der Geschäftsführer zwar klar gesehen, dass es erforderlich wäre, die Personalarbeit zu professionalisieren und zu systematisieren, andererseits war es dazu offensichtlich noch zu früh. Bislang war alles auf ihn konzentriert gewesen, wodurch er überlastet war, aber gleichzeitig hat er sich auch sehr schwer getan, Dinge loszulassen. Nicht untypisch. Zudem hat er wohl auch erst im Lauf der ersten Tage und Wochen gemerkt, dass der Aufbau einer Personalabteilung ein größeres Thema wäre als er vielleicht gedacht hatte. Es fehlten einfach so gut wie alle grundlegenden Dinge. Weder gab es eine Schnittstelle zur Lohnverrechnung, noch eine Bewerberdatenbank, noch irgendwelche klaren Prozesse oder Systeme. Auch von arbeitsrechtlicher Seite her hätte vieles passieren müssen. Man hätte den Personalbereich also wirklich von Null aufbauen müssen.

Wenn es funktioniert hätte, was wären dann Ihre ersten Schritte gewesen, um einen HR-Bereich aufzubauen?

Am Beginn braucht es einmal eine umfassende Kennenlern- und Analysephase, um zu schauen, ob die Basics da sind, was hier wie gesagt noch nicht der Fall war. Konkret ging es hier aufgrund des schnellen Wachstums vorrangig darum, einige wichtige Führungspositionen zu besetzen. Das war ein zeitlich drängendes Thema gleich zu Beginn. Im nächsten Schritt wäre es darum gegangen, das gesamte Recruiting zu systematisieren, Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile zu definieren und zu standardisieren, um auf dieser Basis dann klare Kriterien für die Suche und Auswahl festlegen zu können. Parallel dazu fand ich es wichtig, den Such- und Auswahlprozess zu beschleunigen und auf eine neue Basis zu stellen. Auch das Bewerbermarketing hätte einen großen Entwicklungsbedarf gehabt. Es gab viele Bewerbungen, auf die gar nicht oder viel zu spät reagiert wurde. Weiters ging es darum, im Arbeitsrecht die wichtigsten Prozesse zu definieren und festzulegen, wann passiert was, welche Mitarbeiter betrifft das, wer ist Anlaufstelle für welches Service usw. Dann gab es den großen Block "Mitarbeiter halten", sprich die Notwendigkeit für Ideen und Maßnahmen zur Verringerung der Fluktuation. Mittelfristig wären dann die Themen Führungskräfteentwicklung, Schulung, Weiterbildungsangebot angestanden. Und es hätte noch viele andere Themenbereiche gegeben.

Noch einmal zurück zu den ersten Arbeitstagen: Wie ging es nach dem ersten Orientierungsgespräch weiter?

In diesem Gespräch ging es um die Frage, was die wesentlichen Schritte und Ziele für die ersten Monate sind. Da wir schon beim Einstellungsgespräch vereinbart hatten, dass ich im August auf Urlaub gehen könnte, gab es insofern gleich einen Zeitdruck, als der Geschäftsführer in dem Monat davor schon einige Positionen besetzen wollte. Daher fiel die Entscheidung, mit dem Thema Suche und Auswahl zu starten und in einem späteren Schritt das vorhandene Zeiterfassungssystem zu optimieren.
Durch das schnelle Wachstum waren drei Bereiche entstanden, für die wir jetzt schnell drei Leiter suchen mussten. Nur hat es schon einmal ewig gedauert, intern die richtigen Personen zu erwischen, um die nötigen Infos zusammen zu tragen, was wo genau gebraucht wird, damit ich überhaupt mit der Suche starten konnte.

Wann haben Sie konkret gemerkt, dass da etwas in die falsche Richtung läuft?

Ich glaube, das Bauchgefühl hat man oft schon zu Beginn, in den ersten Tagen. Vom Bauchgefühl her habe ich mich schon vor der Zusage gefragt, ob das der richtige Job ist. Der Bauch hat gesagt, "ich glaube nicht", aber der Kopf hat gesagt, "klar, eine spannende Herausforderung". Das waren die zwei Stimmen.

Worauf hat der Bauch skeptisch reagiert?

Auf vieles. Schon das Bewerbungsgespräch selbst war ein bisschen chaotisch. Zudem war etwas schwammig beschrieben, was die Hauptaufgaben sein würden. Und wenn man ein Unternehmen zum ersten Mal betritt, bekommt man oft auch unbewusst die Stimmung mit. Auch wenn man neu in eine Branche kommt, merkt man bald, ist es eine Branche, die einen anspricht oder nicht? Das kommt sehr bald heraus. Dazu kommen persönliche Sympathie- oder Antipathieeffekte, wo man sich vielleicht einen Moment lang denkt, das ist nicht so ganz meines, das dann aber wieder wegschiebt. Ein weiterer Faktor ist wohl der Auswahlprozess selbst: Wie lange dauert das? Wann bekommt man Antwort? Aber dann kommt der Kopf und sagt: "Sei nicht so skeptisch. Stell dich der Herausforderung. Schau es dir mal an." Und dann sagt man zu.

Und dazu ein Eigentümer/Geschäftsführer, der zwar einerseits rational denkt, dass er Dinge abgeben will, das dann aber doch nicht funktioniert, weil er nicht auslassen kann.

Ja. Das merkt man beispielsweise, wenn man über einzelne Fragen und Vorstellungen diskutiert und die Auffassungen immer wieder stark auseinander gehen. Man macht einen Vorschlag und merkt sofort, er will das nicht so haben. Dann stellt man sich selbst die Frage: Kann ich das vertreten, stimme ich dem zu, oder halte ich es für falsch? Ein typisches Thema, bei dem unsere Auffassungen weit auseinander gingen, war Arbeitszeit als Leistungskriterium. Er war der Meinung, je mehr man arbeitet, desto mehr soll sich das auf Bonus und Anerkennung auswirken, währen ich der Meinung bin, dass man die Produktivität und nicht die Dauer belohnen sollte.

Im Recruiting waren die Unterschiede nicht so extrem, aber trotzdem war es schwierig. Denn schon bei der Frage, wen genau suchen wir für die Position X, brauche ich, um ein gutes Inserat machen zu können, ein Stellenprofil. Und dazu muss man sich einmal zusammensetzen, sprich Zeit investieren, um zu klären: Welche Perspektive kann ich hier eigentlich anbieten? Die Geschäftsführung des Bereichs, ja oder nein? Suche ich einen jungen Mitarbeiter oder einen bereits sehr Erfahrenen? Da fehlte dann schon die Zeit, um das zu klären. Und auch das Verständnis, denn bisher war das ja nicht nötig gewesen. Bisher hatte er sich die Leute alle selbst angeschaut, ausgewählt und "eben mal einen Monat angeschaut und da gesehen, wofür er sie nützen könnte."

Aber der Punkt ist: Ich bin eben nicht der Eigentümer, der so agieren kann. Als Personalist muss ich bestimmte Dinge wissen, wenn wir eine Stelle besetzen wollen. Also braucht es in diesem Augenblick mehr Klarheit darüber, was der Kandidat schon mitbringen muss und welche Anforderungen, sei es fachlich, sei es fachübergreifend wir stellen; welche Ziel wir mit dieser Besetzung verfolgen und welche Entwicklungsmöglichkeiten hier hinterlegt sind.

Wie oft haben Sie den Geschäftsführer gesehen?

In der ersten Woche öfter, dann vielleicht zwei Mal in der Woche, kurz, oft zwischen Tür und Angel.

Wer hat schließlich die Reißleine gezogen?

Das war eigentlich er, an dem Tag, bevor ich auf Urlaub gefahren bin. Genauer gesagt nicht er, sondern sein Stellvertreter, der mir am letzten Probetag gesagt hat, das es wohl doch nicht so ganz passen würde, weshalb sie die Probezeit nicht verlängern wollten. Das hat mich nicht wirklich umgeworfen, denn ich habe mich in ersten Woche nicht wohlgefühlt und danach eigentlich auch nicht und ständig überlegt, ob ich die Ziele, die wir eigentlich angestrebt haben, wirklich umsetzen kann. Ich wollte eigentlich noch etwas abwarten und schauen, ob es sich bessert und anders wird, aber ich war dann ganz froh darüber, dass wir den Schnitt gemacht haben.

Wenn man es genau nimmt, gab es auch noch andere Faktoren auf der persönlichen Ebene, warum es für mich nicht gepasst hat. Zum einen hatte ich einige Monate vor Jobbeginn geheiratet und musste mir dann jeden Tag die Frage gefallen lassen, ob ich planen würde, schwanger zu werden, was an sich schon nicht korrekt war. Zudem war er im Umgang mit den Mitarbeitern ein im Prinzip sehr cholerischer Chef, womit ich nicht gut zurecht komme. Ich brauche eine gewisse Wertschätzung im Unternehmen und wenn ich sehe, dass es die nicht gibt, sondern dass die Stimmung – je nach Befindlichkeit des Chefs - ständig schwankt, dann tue ich mir sehr schwer. Denn dann stehen die Mitarbeiter ständig unter Strom, sind hektisch, frustriert und als Personalistin wird man dann schnell zur Klagemauer und zum Kummerkasten. Da muss man dann schon sehr aufpassen, dass man nicht Dinge verspricht, die man nicht halten kann. Ich kann nicht sagen, jetzt bin ich da und das und das werde ich gleich ändern. Das kann ich ja nicht, ich kann nicht gegen meinen Chef reden oder einfach Dinge entscheiden, wenn es nicht abgesprochen ist.

Gab es vor dem letzten Arbeitstag schon Andeutungen des Chefs?

Nein, insofern habe ich mich auch geärgert. Denn der Geschäftsführer hat eigentlich immer gesagt, dass er sehr zufrieden sei, auch am Tag, bevor ich auf Urlaub gegangen bin. Und dann kommt am letzten Tag sein Stellvertreter, um mir mitzuteilen, dass wir es besser beim Probemonat belassen. Er selbst war gar nicht da und hat sich auch nicht mehr bei mir gemeldet. Ich habe ihm dann am letzten Arbeitstag ein Mail geschrieben, mit einer Auflistung des Status quo und dem, was als nächstes zu erledigen ist und das war es dann. Es kam keine Antwort.

Rückblickend gesehen, was haben Sie daraus für sich mitgenommen?

Einerseits fand ich es sehr interessant zu sehen, wie sehr man in seiner Arbeitsweise durch die Vorunternehmen geprägt wird und darin verhaftet ist. Man nimmt seine Gewohnheiten und vieles aus der bisherigen Kultur mit. Das zweite ist: Da man in einem Kleinunternehmen sehr stark eigentümerabhängig ist, muss es auf der persönlichen Ebene umso besser passen. Und selbst wenn man sehr genau ausdiskutiert, welches Verständnis z.B. von der Personalarbeit man jeweils hat, ist das doch keine Garantie, dass es klappt. Denn neben dem Inhaltlichen geht es vor allem darum, dass der bisher sozusagen Alleinregierende sich plötzlich umstellen muss, indem auch er sich an Regeln und Prozesse halten muss, wenn diese funktionieren sollen. Und da schlagen dann zwei Seelen in einer Brust, was wohl oft darauf hinausläuft: "Ich sollte zwar...., aber ich will nicht!" Oft wird das erst im Tun klar. Denn bisher gab es das ja im Unternehmen noch nicht. Erst wenn man es vor sich hat, merkt man, will ich das oder will ich das nicht?

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