Ein guter Dienstleister ist viel wert

Mag. Thomas Strasser, Geschäftsführer der SCA Hygiene Products GmbH, über seine Karrierestationen, internationale HR-Arbeit und das Leben in komplexen Matrixstrukturen.

Was waren Ihre ersten Karriereschritte?

Ich habe an der WU studiert mit der Speziellen Personal und nach der Uni meinen ersten Job bei General Motors in Aspern bekommen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, nach der Uni ins Ausland zu gehen, was sich aber mit der Speziellen Personal als kein so leichtes Unterfangen herausgestellt hat. Daher war ich froh über das Angebot bei GM in Aspern, weil das ein Job im Personalwesen mit Auslandsbezug war, da damals Aspern gerade für den Konzern den Werksaufbau in Ungarn unterstützt hat. Ich wurde da Mitglied einer Unterstützungsgruppe und war dann mehrere Jahre für den Aufbau in Ungarn mit tätig. Der Aufbau in Ungarn war sehr stark recruitinglastig. Ich habe dort unzählige ACs gemacht und den Aufbauprozess der Fabrik mit begleitet, war innerhalb der Wiener Organisation eine Zeit lang für Compensation & Benefits verantwortlich und in den letzten beiden Jahren im Bereich Training & Development  tätig. Die Personalabteilung hatte, wenn man alle der Personalabteilung zugeordneten Bereiche wie Lehrlingswerkstätte, werksärztlichen Dienst, Arbeitssicherheit, und teilweise die Werksfeuerwehr mitrechnet, rund 50 Mitarbeiter . Das ist inzwischen deutlich geschrumpft. Nach gut fünf Jahren wechselte ich dann zu Philips. Dort war ich zwei Jahre in der Elektronikfabrik als Personalleiter für die Videokassettenfertigung, dann auch für die Lautsprecherfertigung tätig und hatte während dieser Zeit wiederum einen Osteuropabezug als HR-Support für Tschechien, die Slowakei und Slowenien.

Zu Philips kamen Sie schon als Personalleiter?

Ja, als Personalleiter für die beiden Fabrikeinheiten. Zu der Zeit war Philips in Österreich noch deutlich größer als heute mit in Summe ca. 8000 Mitarbeitern, wobei jede Unit einen Personalleiter hatte. Ich leitete ein Team mit 4-5 Mitarbeitern.

Wie war die erste Leitungsfunktion?

Nicht besonders spektakulär, weil in dieser Supportfunktion die Mitarbeiter alle ihre eingespielte Rolle hatten und in Bereichen wie der Personalverrechnung und –administration ja nicht ständig große Projekte und Revolutionen stattfinden. Insofern war das relativ leicht zu bewältigen und kein großer Sprung vom Mitarbeiter in die Führungsrolle. Der Wechsel zu Philips war 1996, da war ich 34 Jahre alt. An der Uni war ich ein Spätberufener gewesen, da ich nach Matura und Bundesheer bereits zwei Jahre gearbeitet hatte und erst mit 23 Jahren zu studieren begonnen habe. Auch während der Studienzeit habe ich fast durchgängig nebenbei gearbeitet. Mal geringfügig beschäftigt, mal Teilzeit, gegen Ende zu fast Fulltime.

Bei Philips kam dann die Zeit der zahlreichen Fabrikschließungen, oder?

Das war vor der Welle, hat aber damals schon mit der Schließung des Videowerkes begonnen.  Ende 1997 habe ich dann ein Angebot der SCA bekommen, auch aufgrund meines Wohnortes, weil ich in Ortmann nur einige hundert Meter von der Fabrik entfernt wohne. Ich war nicht aktiv bestrebt, von Philips wegzugehen, habe aber dieses Angebot bekommen, mich dann dafür entschieden und 1998 zuerst ein Jahr in Deutschland gearbeitet, in der damaligen Zentrale der Business Unit "Consumer Tissue" in der Gegend von Rosenheim. Anfang 1999 bin ich planmäßig nach Österreich zurückgekehrt und habe zunächst die Personalleitung für die Fabrik in Ortmann übernommen, in der weiteren Folge dann sehr rasch auch Aufgaben für Osteuropa, dann die HR-Verantwortung für einen Teil der Fabriken in Europa. Seit einigen Jahren bin ich als Country-HR-Manager für die gesamte Österreich Organisation verantwortlich und seit 4-5 Jahren HR-Director für eine Division in Osteuropa, die die Consumer Tissue- und die Supply-Chain-Organisation umfasst. Das reicht von Russland über den gesamten osteuropäischen Raum bis zum Balkan und nach Griechenland.

Die erste Osteuropa-Aufgabe war bei GM.

Genau, zuerst bei GM in Ungarn, dann auch bei Philips für drei Länder in Osteuropa und bei der SCA hat sich das dann weiter fortgesetzt. Die SCA ist in Business Groups unterteilt, Consumer Tissue ist eine davon, die anderen sind Personal Care, Packaging und Forest. Ich bewege mich innerhalb der Business Group Tissue und diese Division ist in Europa mit insgesamt ca. 9000 Mitarbeitern in Regionen gegliedert. Eine dieser Regionen ist East und dafür ist das Headquarter in Wien angesiedelt.

Wie gestaltete sich der Wechsel von Philips zu SCA?

Von der Kultur her fand ich Philips und GM ähnlicher als es die SCA ist. Die SCA hat noch immer ihren skandinavisch-schwedischen Touch in der Führungskultur und in der Kommunikations- und Entscheidungskultur. Das merkt man an der Entscheidungsgeschwindigkeit, die etwas einbindender, umfassender und damit langsamer, aber dafür dann stärker in der Umsetzung ist, wobei man auch mehr lokale, regionale und individuelle Freiheitsgrade hat als in den eher amerikanisch geprägten Unternehmen, wo die Managementsysteme sehr strikt vorgegeben sind und auch sehr penibel umgesetzt werden. Die Werkzeuge, die man zur Verfügung stellt, werden in der SCA mehr als Angebot verstanden denn als Instrumente, die 100% akkurat einzuhalten sind.

Wofür wurden Sie zur SCA geholt?

Im ersten Jahr in Deutschland war meine Aufgabe, eine Art Management Development Programm für die europäische Supply Chain Organisation für alle Führungskräfte und Mitarbeiter zu entwickeln. Kurz zuvor hatte in dem Geschäftsbereich eine große Akquisition stattgefunden hat, die PWA mit einer deutsch geprägten Unternehmenskultur, und das Management-Development-Programm sollte die Fusion auch von dieser Seite her begleiten. Also habe ich eine Bestandsaufnahme gemacht und ein Programm entwickelt, was für mich ein perfekter Einstieg in den Konzern war, weil ich durch die intensive Reisetätigkeit sehr schnell einen guten Überblick über das Unternehmen bekam und mir ein entsprechendes Netzwerk knüpfen konnte, von dem ich zum Teil heute noch lebe. In einer Zentralfunktion einzusteigen ist gerade in so einer komplexen Konzernstruktur ein idealer Einstieg.

Der Einstieg war auch insofern geplant, weil der damalige Personalchef in der Fabrik in Ortmann ca. 1,5 Jahre vor seiner Pensionierung stand und frühzeitig begann, sich nach einem Nachfolger umzusehen. Dabei stieß er auf mich, weil ich aus der Gegend komme und er wusste, dass ich aus dem Personalwesen bin und Konzernerfahrung habe. Durch den Zusammenschluss mit PWA gab es gerade eine offene Stelle in der Deutschland-Organisation, wodurch ich zuerst den Konzern kennenlernen und dann kurz vor seiner Pensionierung in die Fabrik nach Ortmann kommen konnte, wo wir dann noch ein paar Monate zusammengearbeitet haben und ich dann mit seiner Pensionierung das Personalwesen für die Fabrik übernahm. Als dann die Regionalstruktur gebildet wurde und Wien zum East-Headquarter wurde, kamen die Osteuropa-Agenden dazu. Heute gibt es eine sehr gut ausgebaute HR-Organisation in Moskau sowie HR-Manager - meist Ein-Mann- oder Ein-Frau-Stellen - in Warschau, Prag, Budapest, Bukarest und Athen.

Was genau reizt Sie an diesem Job?

Was mich nach fast 20 Jahren im HR-Wesen noch immer daran reizt, ist das Aufgreifen neuer Tools, die wir zum Teil auch selbst entwickeln und der permanente Versuch, diese dem Linienmanagement zur Verfügung zu stellen. Diese Rolle als interner Berater und Dienstleister finde ich nach wie vor spannend. Ich habe mitunter den Eindruck, dass Personalisten versuchen, fast zwanghaft ihre eigene Rolle zu rechtfertigen und ständig neu zu finden. Ich habe überhaupt kein Problem, "nur" ein Dienstleister zu sein. Einen guten Service zu bieten, auch innerhalb der Organisation, ist eine sehr herausfordernde Aufgabe. In Österreich sind in der Division rund 650 Mitarbeiter, in der Region East sind es derzeit ca. 1000 Mitarbeiter, trotz allgemeiner Krise ständig wachsend, da wir in dieser Region nach wie vor expandieren.

Inwiefern sind Sie mit dem Thema Führung konfrontiert?

Mit dem Thema Führung bin ich zweifach konfrontiert: Einerseits immer dann, wenn wir Führungsinstrumente im Konzern einführen, erneuern, auffrischen oder neu auf die Füße stellen. Was andererseits meine Aufgabe als Führungskraft anbelangt, habe ich zum einen die HR-Organisation in Österreich zu führen, die aus 8 MitarbeiterInnen besteht, dann die indirekte Führungsaufgabe für die jeweiligen lokalen HR-Organisationen und dazu kommt noch die Geschäftsführerfunktion für die Österreich-Organisation, da ich lokal als einer von zwei Geschäftsführern fungiere.

Worauf kommt es bei dieser Führungsaufgabe an?

Ich sehe sie keinesfalls als Belastung, im Gegenteil, sie macht Spaß, weil es ein Arbeiten mit Menschen ist und ein Eingehen auf die Individuen, mit denen man es zu tun hat. Mir ist besonders wichtig, als Führungskraft authentisch zu sein und zu bleiben, auch wenn sich die Rolle verändert. Vor allem, wenn man erstmalig in die Führungsrolle geht. Nichts kommt bei den Mitarbeitern schlimmer an als wenn Sie sich mit dem Übernehmen der neuen Rolle gegenüber den Ex-Kollegen plötzlich um 180° drehen. Natürlich ist es nötig, die neue Rolle auszufüllen und mit den neuen Aufgaben vielleicht auch den eigenen Arbeitsstil etwas zu ändern, aber als Persönlichkeit sollte man der bleiben, der man war und ist. Ich habe da einen sehr pragmatischen Ansatz, weil ich der Überzeugung bin, dass die wirkungsvollsten Führungskräfte die sind, die sich nicht – und da spreche ich jetzt gegen einen Teil meiner HR-Aufgabe – zwanghaft an irgendwelche Tools anklammern, die sie zur Verfügung gestellt bekommen und ständig auf moderne Strömungen aufspringen, sondern diejenigen, die das aufgrund des Gespürs tun, das sie für Interaktion haben, für den Umgang mit Menschen. Dann ist es am wirkungsvollsten und authentischsten.

Was machen Sie mit Führungskräften, die nicht so intuitiv drauf sind?

Eine gute Frage. Da stößt man immer wieder an die Grenzen. Da niemand perfekt ist - und im Umgang mit anderen schon gar nicht - und in der Kommunikation immer Verbesserungsbedarf besteht, ist es wichtig, über die eigene Effizienz als Führungskraft auch permanent Rückmeldung zu bekommen. Für wichtig halte ich auch - gerade bei den Führungskräften - mehr die Stärken zu betonen als permanent an den Schwächen zu arbeiten. Ich bin besser beraten, die Leute mit ihren Qualitäten an der richtigen Stelle einzusetzen, als ständig bemüht zu sein, an den Schwächen zu arbeiten. Es ist wichtig, sich der Schwächen bewusst zu sein, aber permanent danach zu trachten, diese zu verringern – und damit die Stärken aus dem Fokus zu verlieren – halte ich nicht für den besten Ansatz. Aber es stimmt, die meisten PE-Konzepte sind nach wie vor defizitorientiert.

Im Zuge der Managemententwicklung zur Zeit der Fusion haben wir begonnen, Managementpersonal in den Fabriken stärker international rotieren zu lassen. Für meinen Geschmack haben wir es dann eine kurze Phase lang zu sehr übertrieben, indem wir zu stark auf die Mobilität und die internationale Erfahrung geachtet haben. Das ist zwar wichtig, andererseits haben wir gesehen, dass ein Teil unserer Fabriken dann am besten performt, wenn es ein stabiles Managementteam gibt und nicht ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Da treffen unterschiedliche Ansprüche aufeinander.

Aufgrund der Business Group Struktur und der Regionalstruktur haben wir in den Ländern eine sehr komplexe Matrixorganisation. Zum einen gibt es in Österreich die Fabrik mit dem Werksleiter, die zur Supply Chain Organisation Central gehört. Wir haben – auf verschiedene Business Groups verteilt – die Österreich-Organisation, die für Sales und Marketing in Österreich verantwortlich ist. Zudem treffen in der SCA Hygiene Products Austria GmbH auch zwei Regionen zusammen, denn Österreich gehört zu Central, zur DACH-Region, gleichzeitig gibt es in Österreich das Headquarter für die Region Osteuropa. Für die legale Hülle der GmbH gibt es zwei Geschäftsführer, einer ist der Werksleiter, der zweite bin ich. Man nimmt dafür üblicher Weise zwei Personen aus dem Management, die gut in der Organisation verankert und in stabilen Positionen tätig sind. In der GmbH treffen die beiden Regionen DACH und EAST aufeinander. Insofern ist es auch schwierig, eine Geschäftsführerrolle auszuüben, weil ich ständig an die Konzernstruktuern anstoße. Ich habe in Österreich als Geschäftsführer aufgrund der Managementstruktur zwar die Verantwortung für das komplette Business, bin aber aufgrund der Konzernstruktur ständig gezwungen, Kompromisse einzugehen, vor allem was die Entscheidungen anbelangt, die in den regionalen Managementstrukturen gefällt werden. D.h. ich habe zwar in Österreich die Verantwortung, bin aber in viele Entscheidungen, die wiederum Auswirkungen auf das Geschäft in Österreich haben, nicht eingebunden. Z.B. was den Verkauf von Produkten anderer Business Units anlangt. Daher habe ich mir Foren und Meetingstrukturen geschaffen, die es mir erleichtern, meine GmbH-Geschäftsführertätigkeit auszufüllen, indem ich mir die Informationen, die ich dafür benötige, auf diesen Wegen hole.

D.h. es ist schwierig, mitzubekommen, was in den unterschiedlichen Units passiert und erst recht schwierig, das zu koordinieren und in eine Richtung zu steuern, weil diese Richtungen ja auch von den Business Units vorgegeben wird?

So ist es, wobei wir durch die Meetingstrukturen einen Überblick und durch die Finanzabteilungen Einblick in die Ergebnisse haben – d.h. von der Aufsicht her funktioniert das ganz gut und im Fall des Falles gibt es damit auch die Möglichkeit, gegenzusteuern.

Wenn man so eine Funktion einige Jahre macht und die Länder gut positioniert hat, wird einem dann irgendwann langweilig?

Nein, in Osteuropa ist das Wachstum nach wie vor sehr groß und wir verfolgen dort auch immer wieder M&A-Projekte. Z.B. haben wir vor kurzem in Russland eine neue Fabrik auf der grünen Wiese gebaut, was ich mit betreut habe und schon heute ist absehbar, dass eine weitere Vergrößerung des Standortes erfolgen wird. Dadurch dass in Österreich alles gut auf Schiene ist, kann ich mich auch immer wieder auf solche Projekte konzentrieren. Ich mag diese Kombination einer lokalen Aufgabe mit der Aufgabe für Osteuropa, die immer wieder Überraschungen bringt. Insofern gehe ich davon aus, dass ich noch länger bei SCA sein werde.

Meine Osteuropaaufgabe nimmt inzwischen, auch durch das Wachstum dort, sicher mehr als 50% meiner Arbeitszeit ein. Eine wiederkehrende Herausforderung als Geschäftsführer ist, einen Ausgleich herzustellen zwischen der lokalen Organisation mit ihren Bedürfnissen und ihren Aufgaben und der Business Group, die aus der zentralen Rolle ihre Anforderungen an die Organisation hat und ihr Werkzeuge zur Verfügung stellt. Einen Teil meiner Zeit nimmt daher das Bemühen in Anspruch, die teilweise unterschiedlichen Interessen einigermaßen auszupendeln, in beide Richtungen zu kommunizieren und die entsprechenden Rückmeldungen zu geben, damit die legitimen Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.

Woran würden sie den Unterschied zwischen guten und schlechten Führungskräften festmachen?

Mittel- bis längerfristig ist für mich das untrüglichste Anzeichen die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der jeweiligen Führungskraft. Da wir noch eine überschaubare Größe haben, traue ich mich zu sagen, dass ich es mitbekomme, wenn es irgendwo kracht. Natürlich machen wir auch regelmäßige Mitarbeiterbefragungen, wo man bei der Analyse weitere Hinweise erhält. Wenn es Probleme geben sollte, ist es meine Aufgabe, mit der Organisation, in der sich die Führungskraft befindet, Kontakt aufzunehmen. Sei es mit dem HR-Manager der jeweiligen Unit oder direkt mit dem Vorgesetzten. Ich rede auch direkt mit der betroffenen Person, habe aber aufgrund der Matrix eben keine direkte Vorgesetztenfunktion. Ich denke, kurzfristig lässt sich mit Ergebnissen viel zudecken, aber nicht auf ewig. Eine hohe Fluktuation, interne Konflikte und Probleme, die auf die Zufriedenheit der Kunden Auswirkungen haben, fallen auf die Führungskräfte zurück.

Wenn Führungskräfte alle paar Jahre rotieren, sind sie dann vielleicht schon wieder woanders.

Da traue ich mich schon zu behaupten, dass aufgrund der Führungsphilosophie, die wir bei der SCA verfolgen, diese "unmöglichen" Führungskräfte in der SCA fast nicht vorkommen und falls doch, nicht lange bleiben. Solche Leute loben wir dann eben nicht von einer Organisation in einen andere weg oder lassen sie rotieren, sondern ziehen dann auch die Konsequenzen.

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Mag. Thomas Strasser, GF und HR-Director der SCA Hygiene Products GmbH