Einsames "Strategie-Ausbrüten" gefährdet den Umsetzungserfolg

Ein internationales Beratungsunternehmen übertitelte kürzlich eine Anzeige recht treffend mit den Worten: "Der Vorstand hat 19 Wochen gebraucht, um die neue Strategie zu erarbeiten. Die Mitarbeiter haben 20 Minuten gebraucht, um selbige falsch zu verstehen".

Die beste Strategie bleibt wirkungslos, wenn deren eigentliche Umsetzer - im Regelfall die mittleren Führungskräfte - zu spät oder unzureichend darüber informiert werden, wohin die neuen Wege führen und mit welchen Mitteln strategische Zielsetzungen erreicht werden sollen. Das Deutsche Handelsblatt berichtete im Januar von einer Studie, wonach 50% der befragten mittleren Führungskräfte sich mit den neuen Konzepten ihrer Chefs nicht anfreunden konnten. Ursache: Die Umsetzer erfuhren davon erst durch die Medien. So bringt man auch die beste Strategie zu Fall.

Natürlich läßt sich die Strategieformulierung nicht "demokratisieren". Sie ist und bleibt Chefaufgabe und kann daher nicht an die Mitarbeiter delegiert werden. Wenn der Umsetzungserfolg erhöht werden soll, ist jedoch folgende Vorgangsweise empfehlenswert:

     

  1. Das Top-Management legt in einer Strategieklausur die Eckpunkte der neuen Marschroute fest und definiert Mittel und Wege zur Zielerreichung.
  2. In Workshops wird die mittlere Führungsebene mit dem Strategiekonzept vertraut gemacht. Dabei werden die Umsetzungsmaßnahmen kritisch diskutiert und feinjustiert. Im Anschluß daran durchläuft das Konzept nach dem Motto "Was könnte die Umsetzung gefährden?" eine Rüttelstrecke. Es werden alle Pro und Kontras offen auf den Tisch gelegt und mögliche Fallstricke bei den einzelnen Implementierungsphasen antizipiert.
  3. Die Ergebnisse aus diesen Workshops werden zusammengeführt und dieses durch praktische Umsetzungsgesichtspunkte angereicherte Strategiekonzept, wird nun der gesamten Führungsmannschaft durch das Top-Management präsentiert.
  4. In kurzen Orientierungsworkshops vermitteln die Führungskräfte ihren Mitarbeitern die Kerninhalte der Strategie und welche neuen Anforderungen es zu bewältigen gilt. Selbstverständlich werden auch die nötigen Unterstützungsmaßnahmen vorgestellt.
  5. Erst jetzt erfolgt die Öffentlichkeitsarbeit, die von interner Informationstätigkeit flankiert wird (z.B. in Mitarbeiterjournalen).

Natürlich gibt es strategische Zielsetzungen - wie z.B. Fusionen - die nicht in der beschriebenen Reihenfolge ausgearbeitet und umgesetzt werden können. In solchen Fällen ist es allerdings sinnvoll, die Punkte 2. - 4. (teilweise auch 5.) unmittelbar nachdem strategische Fakten geschaffen wurden, durchzuführen - z.B. nach einer "freundlichen Übernahme". Dadurch wird sichergestellt, daß ein Großteil der Führungskräfte und Mitarbeiter die Umsetzung der Strategie mitträgt.

Reine Kopfstrategen ("Einsame Brüter") und Hardliner, die im Schnellschußverfahren Strategien durchziehen wollen, sind gegenüber der vorgeschlagenen Methode naturgemäß skeptisch. Führungskräfte dieses Typus übersehen allerdings, dass die erfolgreiche Realisierung jeder Strategie mündige Mitarbeiter voraussetzt. Mitdenken können und mitentscheiden dürfen, fördern diese Mündigkeit. Sie ist die beste Voraussetzung dafür, daß Strategiekonzepte keine Papiertiger bleiben und Umsetzungsprobleme auf ein Minimum beschränkt bleiben.

Zum Autor: Dr. Hans Eicher ist Autor des Buches: "Goldgrube statt Millionengrab. Personalmanagement Können schlägt Wissen".

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