"Strategieentwicklung durch ständiges Gemurmel"

Mag. Norbert Zimmermann, Aufsichtsratschef der Berndorf AG, über die Anforderungen an Strategieentwicklung in turbulenten Umfeldern.

Über Strategie

Bildlich dargestellt, wäre die Vision, gemeinsam den Mount Everest zu besteigen. Die Strategie ist dann die Wahl des Weges und der Route, die zur Erreichung dieses Ziels führt. Strategie muss in einfachen Bildern Platz haben, sonst wird sie nicht verstanden. Die Vision der Berndorf AG ist, "in Unabhängigkeit weiter zu wachsen". Insofern ist unsere Vision kein Punkt, sondern ein Prozess. Die Strategie muss sich diesem Prozess - Wachsen und dabei unabhängig bleiben - unterordnen und möglichst effiziente Wege dorthin beschreiben. Damit wandert die Strategie hinter einem beweglichen Ziel her. Folglich ist unsere Strategie auch nichts Festgeschriebenes, sondern ein immer wieder redefinierter Prozess. Im Moment achten wir stark auf Liquiditätskriterien, weil das heute ein wichtiges Element bei der Wahrung der Unabhängigkeit ist. Es ähnelt ein wenig der Quadratur des Kreises. Wenn man auf die Liquidität achten und gleichzeitig wachsen will, dann muss man sich schon einiges einfallen lassen.

Über Strategieumsetzung

Wenn das Ziel klar ist, zu dem die Strategie führen soll, dann bedeutet das etwa für den Geschäftsführer aus einem unserer Produktionsunternehmen: Ordne deine Aktivitäten dem übergeordneten Ziel "Achten auf die Liquidität" unter und überleg dir, was du dazu beitragen kannst, Wachstum bei gleichzeitiger Kontrolle der Liquidität zu schaffen. Also wird er schauen, was er im Kostenbereich sparen, im Bereich des working capital effizienter wirtschaften und in der technischen Innovation verbessern kann. Innovation führt zur Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen und zur Erhöhung der Produktivität. Dann sind wir besonders konkurrenzfähig, können mehr absetzen und wachsen.

Der Größte sein zu wollen, ist beispielsweise noch keine Strategie, das ist eine Vision. Eine dazu passende Strategie wäre z.B. wir wollen durch Aufkauf der Größte werden, also durch Übernahmen oder durch Merger. Das ist eine Strategie, ob sie gut oder schlecht ist, ist eine ganz andere Frage. Ein kleines Unternehmen hat natürlich ganz andere Visionen, vielleicht nur die, dass es in 10 Jahren noch existiert. Aber auch dann muss ich mir überlegen, auf welchem Weg kann ich diese Aussage realisieren? Jeder hat eine Strategie. Die Frage ist, wie gut oder schlecht ist sie, und wie flexibel oder starr ist sie. Ist sie unbeweglich oder ändert sie sich je nach Umfeldbedingungen? Wird sie ständig an die Mitarbeiter kommuniziert oder steht sie in einem goldenen Buch, das nur der Chef kennt?

Über den Strategieprozess

Strategieentwicklung ist ein permanenter Prozess. An unserer Vision "unabhängig zu bleiben" hat sich in letzter Zeit nichts geändert. Aber an unserem Weg, das zu erreichen, einiges. Denn der hängt, wie gesagt, von den Umfeldbedingungen ab. Vor einigen Jahren haben wir uns darauf konzentriert, Marktanteile zu gewinnen und dadurch unsere Kraft zu erhalten. Im Moment verteidigen wir eher Marktanteile und nehmen mehr Rücksicht auf die Liquidität. Strategie ist ja keine Einmalaktion, sondern ein ständiger Diskussionsprozess. Auf formaler Ebene gibt es ein jährliches Strategiemeeting von Holdingvorstand und Geschäftsführern der Tochterunternehmen, aber daneben gibt es ständig Gespräche mit den einzelnen Geschäftsführern, in denen wir die Entwicklung der einzelnen Branchen und die jeweiligen Strategien diskutieren. Eine Art ständiges Gemurmel.

Über die Umfeldbedingungen

Krisen treten nicht überraschend ein, sondern es gehen ihnen frühzeitig Signale voraus. Daher müssen Sie ein gutes Sensorium für diese Signale entwickeln, um sich rechtzeitig darauf einstellen zu können. Das können Sie aber nur, indem Sie ständig mit Ihren Managern und wichtigen Marktteilnehmern im Gespräch bleiben und vor allem, indem Sie Strategien nicht zu starr machen und sie exekutieren, obwohl sie nicht mehr sinnvoll sind.

So ein Signal wäre für uns, wenn morgen eine bahnbrechende Strategie im Energiebereich passieren und die Autos alle nicht mehr mit Benzin fahren würden. Schließlich ist die Ölfeldtechnik unser größtes Geschäftsfeld. In dem Fall müssten wir sofort die Strategie für unsere ganze Gruppe überdenken. Wenn das volatile Umfeld beklagt wird, übersieht man eines: je turbulenter die Situation wird, desto interessanter werden auch die Alternativen und die Wahlchancen, die sich auftun. Die Zahl der Möglichkeiten erweitert sich in einem lebendigen Umfeld enorm. Und das sollte Unternehmer eigentlich freuen.

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