Wie steht es um die Steuergerechtigkeit?

Zahlen Spitzenverdiener zu wenig Steuern? Nicht unbedingt, wenn man sich die tatsächliche Verteilung der Lohnsteuereinnahmen ansieht.

"In Deutschland tragen die reichsten 10% des Landes über 50% des Steueraufkommens." Thomas Druyen, Inhaber des Lehrstuhls für vergleichende Vermögenskultur an der Sigmund Freud Universität in Wien

Streit um die Höhe des Steuersatzes:

Die österreichischen Top-Verdienen sind laut einer deutschen Studie im internationalen Vergleich verhältnismäßig gering besteuert. Der effektive Steuersatz liegt der Untersuchung zufolge bei 38,5 Prozent. Innerhalb der EU ziehen nur die Slowakei, Polen und Großbritannien weniger ab.
Eine Reihe von Sonderregelungen führt dazu, dass Österreichs Spitzenverdiener trotz des hohen Spitzensteuersatzes und hoher Sozialabgaben im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich stark belastet werden: Die Begünstigung des 13. und 14. Gehalts, die Anrechnung der Sozialabgaben auf die Steuerlast sowie deren Deckelung sind laut der Untersuchung des (deutschen) "Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung" die Hauptgründe dafür.
Die Studie verglich länderweise, wie viel ein Arbeitgeber an Kosten veranschlagen muss, wenn er dem Angestellten 100.000 Euro netto im Jahr zahlen will. In Österreich sind das laut Studie 162.705 Euro. Das ergibt einen Satz für Steuern und Sozialabgaben von 38,5 Prozent. Nach Ansicht des Studienautors Christof Ernst hat die Deckelung der Sozialabgaben durch die Höchstbemessungsgrundlage den größten Einfluss auf die Abgabenlast in Österreich.
Quelle: Standard online am 19.02.2007

Franz Schellhorn von der Tageszeitung "Die Presse" zieht in seinem Beitrag die 38,5 Prozent an Steuern und Angaben der oben zitierten Studie in Zweifel und rechnet nach: Interessanterweise kommt er bei einem Nettoverdienst von 100.000 Euro auf 71.675,70 Euro an Steuern und Sozialabgaben, was einer Belastung von 41,75 Prozent entspricht. Zählt man auch die Arbeitgeberbeiträge von 28.836,28 Euro hinzu, kassiert der Staat in Summe 99,160,28 Euro an Steuern und Abgaben, was einer Steuerbelastung von 50 Prozent entspricht.
Wie erklärt sich nun der Unterschied zwischen 38,5 und 41,75 Prozent? Laut Schellhorn wurden in der deutschen Studie Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung kurzerhand nicht als Abgaben, sondern als Versicherungsbeiträge gezählt. (s. nachfolgende Graphik).
Quelle: "Presse" am 23.02.2008

Wie stark werden Einkommen in Österreich belastet?

Jahresbezug (inkl. 13. und 14. Monatsgehalt)

Netto 25.000 50.000 100.000
Lohnsteuer 6351,70 22.979,83 61812,20
Sozialversicherung 6848,14 9863,50 9863,50
Brutto (Lohnzettel) 38.199,84 82.843,46 171.675,70
Belastung 34,55% 39,65% 41,75%

Zusätzlich vom Arbeitgeber zu entrichten

 

Sozialversicherung 8311,68 11.971,58 11.971,58
Dienstgeberbeitrag 1718,99 3727,95 7725,40
Dienstgeberzuschlag 152,79 331,37 686,70
Kommunalsteuer 1145,99 2485,30 5150,27
Mitarbeitervorsorgekassa 584,45 1267,50 2626,63
Summe 11.913,90 19.783,70 28.160,58
Brutto (Gesamt) 50.113,74 102.627,16 199.836,28
Gesamtbelastung 50,11% 51,28% 49,96%

 

Lohnsteuer: Welche Gruppe trägt am meisten bei?

 

Bruttolohn % des Lohnsteueraufkommens % der Lohnsteuerpflichtigen
Bis 1.071 Euro 0% 42,4%
1.071 – 2.500 Euro 32% 39,7%
2.500 – 5.000 Euro 41,4% 15,1%
mehr als 5.000 Euro 26,5% 2,8%

 

Angestellte und Pensionisten mit mehr als 5.000 Euro brutto stellen unter drei Prozent der Lohnsteuerpflichtigen, tragen aber mehr als ein Viertel der Gesamtsumme bei. 2,55 Millionen Österreicher verdienen so wenig, dass sie überhaupt keine Lohnsteuer zahlen.
Quelle: Format 3/2008

Nichts ist so dehnbar wie die "Mitte"

 

     

  • Bezeichnet man die Einkommen von 20.000 bis 50.000 brutto als Mittelstand (1.428 bis 3.500 Euro brutto im Monat), dann sind das 2,3 Mio. Österreicher, die 51,4 Prozent der Lohnsteuern zahlen.
  • Meint man mit Mittelstand all jene, die zwischen 25.000 und 50.000 Euro brutto verdienen, zahlen 1,63 Mio. Bürger 44% des Lohnsteueraufkommens.
  • Rechnet man nur die 1,08 Millionen Bürger zur Mitte, deren Jahreseinkommen 30.000 bis 50.000 Euro beträgt, stünde der Mittelstand nur mehr für ein Drittel der Lohnsteuerlastung.

(s. folgende Tabelle)

 

 

Wer zahlt wie viel Lohnsteuer?

 

Bruttobezug/Jahr Zahl der Fälle Anteil an allen Lohnsteuerpflichtigen in % Lohnsteuer in Mio. Euro Anteil am gesamten Lohnsteueraufkommen in %
0 bis 15.000 2.550.000 42,4 0 0
15.000 bis 20.000 696.000 11,6 675 3,6
20.000 bis 25.000 674.000 11,2 1441 7,6
25.000 bis 30.000 590.000 9,8 1987 10,5
30.000 bis 35.000 424.000 7,1 1940 10,3
35.000 bis 40.000 282.000 4,7 1635 8,6
40.000 bis 50.000 342.000 5,7 2714 14,4
50.000 bis 70.000 280.000 4,7 3469 18,4
70.000 bis 100.000 116.000 1,9 2410 12,7
100.000 bis 200.000 47.000 0,8 1766 9,3
über 200.000 7000 0,1 862 4,6
Summe 6.008.000 100 18.899 100

Richtig ist, dass der Anteil der Lohnsteuer bei der Steuerstruktur in Österreich im EU-Vergleich sehr hoch ist: 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Österreich gegenüber 0,4 Prozent des BIP im EU-Schnitt. Bei Steuern auf Vermögen ist Österreichs Anteil hingegen äußerst gering: Hier beträgt der Anteil nur 0,5 Prozent des BIP in Österreich gegenüber 2,1 Prozent im EU-Schnitt.
Quelle: OECD, Wifo, Graphik im Format 3/2008

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