Probleme entstehen in Projekten täglich mehrfach

Thomas Brugger, Assistent des Vorstandsdirektors Org/IT & Operations der Bank Austria-Creditanstalt und bis vor einem Jahr Leiter des Kompetenzzentrums Projektmanagement, über die Schritte zur Professionalisierung des Projektmanagements, die Einführung von Standards und die ständige Gratwanderung zwischen Eingehen auf Befindlichkeiten und Blick auf die Zielerreichung.

Wie kam es zum Aufbau des Kompetenzzentrums für Projektmanagement?

Wir haben das Kompetenzcenter für Projekt- und Prozessmanagement 2003 im Rahmen einer Umstrukturierung etabliert. Hintergrund war, dass bei den vielen Zusammenschlüssen der vergangenen Jahre zwar sehr viel Know-how angesammelt worden war, aber trotzdem viele Dinge in den einzelnen Bereichen immer noch sehr unterschiedlich abliefen. Seien es Dinge wie Statusreports, die in jedem Bereich anders aussahen und unterschiedlich gegliedert waren, seien es unterschiedliche Planungstools, die in Verwendung waren oder eben auch unterschiedliche Abläufe. Ziel des neuen Kompetenzzentrums war daher, primär für Org/IT-Projekte einheitliche Methoden, Prozesse und Tools im Projektmanagement festzulegen, auch um damit die Schulungen entsprechend aufbauen zu können.. Mit einem Fuß stehen heute alle zwölf Mitarbeiter des Kompetenzzentrums in Projekten - mal als Mitarbeiter, mal im Projekt Office, mal als Projektleiter - und auf der anderen Seite kümmern sie sich um Methodenentwicklung und Schulung.

Führen in der Linie und Führen in Projekten – sehen Sie hier Unterschiede?

Prinzipiell ja. Auf jeden Fall gibt es einen Unterschied bezüglich der Personalführung. Die Personalverantwortung bleibt weiterhin in der Linie verankert, während die funktionale Verantwortung für die Zeit des Projektes beim Projektleiter liegt. Kein Projektleiter hat einen Personalentwicklungsauftrag, der liegt weiterhin bei der jeweiligen Linienführungskraft.

Das zur Verfügung stellen von Mitarbeitern aus der Linie ist immer ein Aushandlungsprozess, aber wenn ich einen Mitarbeiter aus bestimmten Bereichen brauche, dann liegen dem ja meist auch fachliche Schwerpunkte zugrunde, die von eben diesen Bereichen initiiert und gewünscht sind. Es liegt also auch im Interesse der Linie, das Projektergebnis so rasch wie möglich und qualitativ so gut wie möglich zu erreichen. Dementsprechend ist ihnen auch bewusst, dass sie dafür auch die Mitarbeiter zur Verfügung stellen müssen.

Bekommt man als Projektleiter immer die Leute, die man braucht?

Im Wesentlichen ja, wobei dies sicherlich auch von der Erfahrung, Stärke und dem aufgebauten Netzwerk des jeweiligen Projektleiters abhängt. In den einzelnen Bereichen des Hauses haben sich mit der Zeit Mitarbeiter herauskristallisieren, die immer wieder zu Projekten herangezogen werden. Sei es, weil sie ein sehr spezifisches Know-how haben oder weil sie diese Art Arbeit gut und immer wieder gerne machen, weil sie damit der Routine des Liniengeschäfts ein Stück weit entfliehen können und das als angenehme Abwechslung erleben, ohne dass sie deswegen die Linienaufgabe aufgeben wollen.

Projektmanagement ist nichts Neues, trotzdem ist der organisatorische Rahmen vielerorts noch höchst dürftig, was klare Rollen, Prozesse, Verantwortlichkeiten etc. anbelangt. Wie lief bei Ihnen diese Etablierung von Standards ab?

Ein wesentliches Ergebnis, das wir in den vergangenen Jahren mit der Implementierung des Kompetenzcenters erreicht haben, ist die klare Definition der einzelnen Rollen. Angefangen beim Lenkungsausschuss, über den Auftraggeber, den Projektleiter bis zu den Projektmitarbeitern ging es um die Fragen: Wer hat welche Kompetenzen? Wer hat welche Aufgaben? Was gibt es für Berichtslinien? Usw. Wir sind jetzt mit den neuen Projektmanagement-Schulungen im dritten Jahr und inzwischen ist klar zu sehen, dass das auch wirklich so gehandhabt wird.

Woran erkennt man das?

Am laufend steigenden Know-how der in Projekten involvierten Personen, aber auch wesentlich am Verhalten der Linienführungskräfte. Früher war es beispielsweise immer wieder der Fall, dass Mitarbeiter zwar fürs Projekt abgestellt wurden, aber die Führungskräfte dann immer wieder ins Projekt hineinregiert haben, indem sie den Mitarbeitern gesagt haben, wie bestimmte Dinge zu interpretieren oder wie bestimmte Ergebnisse in dem Projekt zu handhaben sind. Dadurch kam es immer wieder vor, dass sich Mitarbeiter mehr an den Aussagen der Linie orientiert haben als an denen des Projektleiters, was natürlich zu Konflikten zwischen Linie und Projektleiter geführt hat. Heute ist von den Linienmanagern anerkannt und respektiert, dass die Mitarbeiter, was das Projekt anbelangt, eine andere Berichtslinie haben. Die Führungskräfte haben im Rahmen der Projektgremien ihre Chance mitzureden. Wenn es Probleme gibt, können und sollen sie es dort artikulieren. Aber genauso klar ist inzwischen, dass sie den Mitarbeitern im Rahmen des Projektes keine Aufträge zu erteilen haben. Heute sieht man, dass darüber nicht mehr diskutiert wird, aber das ist immer ein langfristiger Prozess.

D.h. es braucht klare organisatorische Regeln wie: Wenn es Probleme gibt, hat das im Lenkungsausschuss diskutiert zu werden?

Klar. Bei uns hat es eine starke Wirkung gehabt, die einzelnen Rollen klar zu definieren. Der Lenkungsausschuss ist das höchste Gremium des Projektes. Dieser Lenkungsausschuss reviewt regelmäßig den aktuellen Status des Projekts und er ist zuständig, wenn wichtige projektrelevante Entscheidungen anstehen, die nicht in der Kompetenz des Projektleiters liegen wie Abänderung der Ziele , Abänderung des Zeitplans und des Budgets u.ä. Dieser Lenkungsausschuss wird pro Projekt definiert, wobei wir trachten, dass er nicht zu groß wird, im Durchschnitt 4-5 Personen, mit einer Tagungsfrequenz alle 2-3 Monate, je nach Projektlaufzeit. Als Auftraggeber fungiert in der Regel derjenige, der die Initialzündung zum Projekt gegeben hat.

Wer kann bei Ihnen Projekte initiieren oder beauftragen?

Das hat bei uns nichts mit der Funktion zu tun, sondern wir haben einen klaren Beauftragungsprozess im Rahmen der gesamten Org/IT Beauftragungen. Sobald Projekte in irgendeiner Weise Organisations- oder IT-Unterstützung brauchen - und das ist bei allen größeren Projekten der Fall - kommt ein bestimmtes Prozedere zum Tragen: Zuerst priorisiert jede Division die Vorhaben, die sie sich wünscht, intern. Dann werden alle Vorhaben im Bereich Organisation zusammen getragen und dann starten Abstimmungsgespräche auf Basis der zugrunde gelegten Business Cases und des daraus resultierenden Scorings: Was bringt das Projekt an Mehrwert, was bringt es an Mehrerträgen, was bringt es an Synergien, etc.? So kommt es zur Festlegung einer Reihenfolge und dann folgt die Beauftragung an die Organisation und die IT. Es gibt ein eigenes Gremium, das sich u.a. aus Vertretern der Organisation und der einzelnen Business Divisions zusammensetzt, und dieses Gremium wählt letztlich die zu beauftragenden Projekte aus. Hinter jedem ausgewählten Projekt steht dann federführend zumindest eine bestimmte Division und diese Division definiert wiederum intern eine bestimmte Person, die das Projekt als Auftraggeber begleitet und unterstützt.

Womit kämpfen Projektleiter am meisten?

Auf der einen Seite natürlich mit Rahmenbedingungen wie: Sie bekommen Entscheidungen nicht in dem Zeitraum, in dem sie sie benötigen würden. Oder: Sie haben höchst unterschiedliche Mitarbeiter im Team, die sich nicht verstehen. Sie dürfen nicht vergessen: In der Linie haben Sie als Führungskraft viel mehr Zeit, ein wirkliches Team zu formen. Im Sinne eines Teams, wo sich alle kennen, man sich gut versteht, wo man über Privates Bescheid weiß, mal gemeinsam etwas unternimmt usw. Das schaut in Projekten oft ganz anders aus. Man spricht zwar auch vom Projekt-Team, aber in der Realität ist es meist viel eher ein Arbeitsteam, in dem sich die Mitarbeiter vorrangig auf einer Arbeitsebene verstehen und akzeptieren müssen, aber das muss noch lange nicht heißen, dass man miteinander immer gut Freund ist. Es müssen die Rollen akzeptiert sein, die jeder Projektmitarbeiter hat und man muss sich darauf verständigen, dass man an einem gemeinsamen Ziel arbeitet. Daher gibt es in Projekten grundsätzlich viele Konflikte.

Insofern sage ich immer: Man sollte sich als Projektleiter jeden Tag zumindest fünf Minuten nehmen, in denen man sich bewusst zurücklehnt und quasi von außen auf das Projekt, das Team und die Probleme draufschaut. Das hilft, Distanz zu wahren und die Sachen nicht zu nah an sich herankommen zu lassen. Denn Probleme entstehen in Projekten täglich mehrfach. Insofern muss man Abstand gewinnen und versuchen, sehr lösungsorientiert an die Dinge heranzugehen und vor allem auch das Team in diese Richtung zu erziehen. Als Projektleiter müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht die einzige Person sind, die Lösungen aufbereitet. Wenn Mitarbeiter mit einem Problem kommen, müssen Sie ihnen selbst Lösungsalternativen abverlangen, denn sonst  – und das geht sehr schnell – laden alle ihre Probleme im Zimmer des Projektleiters ab und warten dann nur mehr darauf, dass er ihnen sagt wie es weitergeht. Und das hält kein Projektleiter lange durch.

Wenn Sie als Projektleiter vor dem Problem stehen, dringend benötigte Entscheidungen nicht zu bekommen, was machen Sie in diesem Fall?

Normalerweise haben Sie mit dem Auftraggeber und mit dem Lenkungsausschuss relativ fixe und damit planbare Termine. Daher ist es wichtig, sich als Projektleiter insofern vorzubereiten, dass man den eigenen Projektplan und die eigenen Meilensteine so weit als möglich mit diesen Besprechungen und Gremien-Terminen abstimmt. Wenn das gut geplant ist, ist es meist auch kein Problem, Entscheidungen zu bekommen. Allerdings: Wenn Sie im Vorfeld mit niemandem über die anstehenden notwendigen Entscheidungen sprechen, werden Sie die Entscheidungen im Lenkungsausschuss weniger wahrscheinlich bekommen, denn dann werden die Leute dort zum ersten Mal damit befasst sein. Daher sind Vorgespräche mit den relevanten Personen anzuraten. Diese strategische Herangehensweise ist dann Ausdruck genau der Erfahrung und Kompetenz, die man als Projektleiter mit den Jahren aufbaut. Man wird gescheiter und lernt dazu, wie man sich die Dinge organisiert, die man braucht.

Aber natürlich gibt es immer wieder Fälle, wo Entscheidungen nicht gefällt oder aufgeschoben werden. Dann muss man als Projektleiter auch klar die Konsequenzen aufzeigen, klar Stellung beziehen und sagen: „Das ist in Ordnung, ich nehme das zur Kenntnis, aber es muss auch klar sein, dass das Auswirkungen hat auf diesen und jenen Meilenstein, auf den Endtermin, auf das Budget, usw.“ Dann obliegt es dem Gremium, diese Auswirkungen zu akzeptieren oder wenn nicht, zumindest eine Präferenz der wahrscheinlichen Entscheidungsfindung zu artikulieren und so rasch wie möglich die finale Entscheidung zu erwirken.

Wenn es persönliche Konflikte gibt, ist dann in den Projekten überhaupt die Zeit, das ordentlich zu diskutieren?

Das handhabt jeder Projektleiter anders. Projektleiter, die sehr viel Wert auf ein gutes Klima im Rahmen des Projektteams legen, setzen sich sehr intensiv mit den Konflikten auseinander. Die führen viele persönliche Lösungsgespräche, machen gruppendynamische Sitzungen, etc.. Diesen Projektleitern geht es dann nicht nur darum, ein bestimmtes Arbeitsergebnis zu erreichen, sondern sie wollen auch, dass die Leute persönlich sehr gut miteinander können. Ich würde aber behaupten, dass der Hauptteil der Projektleiter hier im Haus primär darauf schaut, dass jene Konflikte bereinigt werden, die die Zielerreichung behindern, während sie jene Konflikte, wo es zu sehr ins Persönliche hineingeht, eher zweitrangig behandeln. Nicht, weil es Ihnen nicht wichtig oder egal wäre, sondern schlicht aufgrund des Zeitfaktors. Projekte sind immer zeitlich extrem begrenzt und bedürfen daher in vielen Dingen einer Abwägung.

Was ist Ihrer Erfahrung nach die wichtigste Kompetenz eines Projektleiters?

Man braucht ein unheimliches Gespür für die Menschen, für die Projektmitarbeiter ebenso wie für den Umgang mit den Linienmanagern. Ohne gute Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen haben Sie in Projekten noch größere Probleme, als es ohnehin der Fall ist.

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Thomas Brugger, Bank Austria - Creditanstalt