Managen wie ein Profi

Von einem einheitlichen Verständnis dessen, was professionelles Management eigentlich ausmacht, ist man in der sogenannten Managementlehre meilenweit entfernt. Zwar wimmelt es nur so von sich gegenseitig widersprechenden Heilslehren, Prinzipien und Grundsätzen, doch hinter der scheinbaren Beliebigkeit der Antworten steckt System.

Eine Diskussion über professionelles Management anzuzetteln, bringt einen schnell in Teufels Küche. Denn zunächst gilt es zu klären, an welchen Kriterien Professionalität festzumachen ist. Dann gilt es zu fragen, was eigentlich Management als Beruf ausmacht? Und dann erst kommt man zur Beantwortung der eigentlichen Frage. Zumindest könnte man es so kompliziert angehen.

Aber Gott sei Dank gibt es ja noch die unzähligen sogenannten Managementgurus, die die Antwort schon fertig haben, bevor man noch die Frage stellen konnte. Jene Leute also, die mal von den sieben Grundsätzen erfolgreicher Führung sprechen, dann wieder von den fünf zentralen Managementaufgaben oder den vier wichtigsten Führungsinstrumenten. Jeweils kombiniert mit dem Versprechen, damit ganz, ganz sicher erfolgreich agieren zu können – vorausgesetzt, man befolgt die Regeln, Prinzipien, Grundsätze auf Punkt und Beistrich. Sollte der Erfolg ausbleiben, liegt es demgemäß nicht an den Grundsätzen, sondern entweder an der mangelhaften Umsetzung (vielleicht machen Sie den Kurs besser noch einmal, oder?) oder auch an den doofen Mitarbeitern, dem beschränkten Chef, der ungünstigen Marktlage, der verkorksten Kindheit, der Frühjahrsmüdigkeit oder was auch immer. Wenn man sich dann schließlich doch noch einmal selbst auf die Suche nach anderen Antworten macht, könnte man sich fragen: Wie werden diese Fragen eigentlich in anderen Berufen beantwortet?

Die Grundpfeiler von Professionalität

"Angenommen jemand will Schuster werden. Was muß er dann eigentlich können? Zum einen muß er das Material kennen, das er bearbeitet, sei es Leder oder Plastik. Dann muß er so etwas wie ein mentales Modell von Schuhen im Kopf haben, d.h. er muß ein Ahnung haben, wozu man sie braucht – allgemein als Schutz für die Füße, im speziellen als Gummistiefel oder Sandalen. Und drittens benötigt er bestimmte Fähigkeiten und ein bestimmtes Werkzeug zur angemessenen Bearbeitung des jeweiligen Materials." Mit diesem Beispiel verdeutlicht die Beraterin Dr. Ruth Seliger die drei Prinzipien professionellen Verhaltens, wie sie auch Stefan Titscher in seinem Buch "Professionelle Beratung" beschreibt. Seiner Ansicht nach basiert jede Form professioneller Beratung – aber die Prinzipien lassen sich auch auf andere Berufe anwenden – auf drei Grundpfeilern: auf dem Rollenverständnis, das man mit seiner Profession verbindet, auf den Theorien, auf die man sich bei seiner Arbeit stützt und auf den Methoden, die man konkret anwendet.

Schuster, Arzt, Manager – wo ist der Unterschied?

Was heißt das nun, wenn man das zum Beispiel auf den Beruf des Arztes umlegt? Dr. Ruth Seliger: "Jeder Arzt  - egal ob er nun ein mechanistisches Modell von Gesundheit und Krankheit hat, ob er ein Ganzheitsmediziner, ein Homöopath oder ein chinesischer Mediziner ist - hat Modelle im Kopf. Modelle vom Menschen, von Gesundheit, von Krankheit, von Genesung. Ein Arzt muss etwas wissen über den 'Gegenstand' mit dem er es zu tun hat, in diesem Fall den Menschen. Jeder Arzt hat zudem ein bestimmtes berufliches Selbstverständnis und damit zusammenhängende Vorstellungen über die Rolle der Arzt-Patient-Beziehung. Und er braucht Wissen über Therapieformen und darüber, wie er durch die Art der Therapie Einfluss nimmt auf den Krankheitsverlauf. D.h. er sollte sich im klaren sein, dass es einen Unterschied macht, ob er zum Patienten sagt, 'gehen Sie nach Hause und legen Sie sich ins Bett', oder ob er sagt, 'nehmen Sie ein Antibiotikum'."

Im Management ist es sehr ähnlich: Auch hier braucht man Know-how über das "Material" mit dem man arbeitet, man braucht ein Modell, was man mit dem Material bezweckt und man braucht Instrumente und Fähigkeiten, die für die Bearbeitung dieses "Materials" angemessen sind.

Der Arbeitsgegenstand im Management

Allerdings – und das ist ein erster wesentlicher Unterschied zum Schuster - ist das zu bearbeitende Material im Fall von Management nicht irgendein lebloses Material wie Leder oder Gummi, sondern eine Organisation, d.h. ein soziales System. Das unterscheidet Management von vielen anderen Berufen, auch wenn das ein Unterschied ist, den viele Manager nicht machen.

Eine gute Managementlehre, so könnte man verallgemeinernd feststellen, muss Managern sagen können, mit welchen Phänomenen sie es zu tun haben. Denn je nachdem, wie man nun dieses Phänomen Organisation beschreibt, kommt man zu gänzlich unterschiedlichen Managementverständnissen, damit auch zu anderen Managementaufgaben und zu diesen Aufgaben angemessenen Instrumenten und Tools. Management- und Organisationsverständnis bedingen sich gegenseitig, oder wie Dr. Wimmer von der Beratungsfirma osb-international es formuliert: "Die beiden sind Zwillinge." Damit ist klar: Wer über sein eigenes Managementverständnis spricht, liefert implizit immer auch seine Annahmen über die Funktionsweise von Organisationen mit, auch wenn er sich dessen gar nicht bewusst ist und vielleicht noch nie bewusst darüber nachgedacht hat.

Betrachtet man nun die unterschiedlichen Organisationsverständnisse, dann bietet sich als eine sehr nützliche Unterscheidung die von Heinz von Förster geprägte Unterscheidung in triviale und nicht-triviale Systeme an, da sie auf eindrückliche Art und Weise die damit jeweils verbundenen Logiken, Funktionsweisen und damit Steuerungsverständnisse beschreibt, die als "Zwilling" auch dementsprechende Management- und Führungsverständnisse hervorbringen.

Triviale und nicht-triviale Maschinen

Mit diesen Begriffen illustrierte Heinz von Förster den Unterschied von lebenden und nicht-lebenden Systemen. Als Beispiel diente ihm das Bild einer Maschine mit vier farbigen Lämpchen und darunter vier Knöpfen in den selben Farben: blau, grün, rot, gelb. Man macht also einen Versuch, drückt auf den blauen Knopf und tatsächlich, das blaue Lämpchen leuchtet auf. Man drückt auf den roten Knopf, rotes Lämpchen, wieder blauer Knopf, blaues Lämpchen. Sofort verfestigen sich in unserem Kopf klare Wenn-Dann-Relationen. Wir stellen Regeln des Funktionierens auf: "Immer wenn man auf den roten Knopf drückt, leuchtet die rote Lampe auf." Eine durchaus nützliche und angemessene Hypothese im Fall eines trivialen, nicht-lebenden Systems, z.B. einer Maschine.

Nun aber kommt der zweite Versuch. Jetzt können die Knöpfe plötzlich gut oder schlecht aufgelegt sein, der Kasten ist launisch, er kann seine inneren Zustände verändern. Man macht wieder einen Versuch, drückt auf den roten Knopf, es leuchtet rot auf, man drückt auf den grünen Knopf, es leuchtet grün auf. Dann drückt man wieder auf den roten Knopf, doch jetzt leuchtet es plötzlich blau auf. Was ist jetzt los? Man drückt wieder grün und nun leuchtet es gelb auf. Jetzt sind wir endgültig verwirrt. Die Reaktion ist nicht mehr vorhersehbar. Hier haben wir es mit einem System zu tun, dessen inneren Zustände sich in einer - einem selbst - nicht einsichtigen Weise verändern, eben mit einem nicht-trivialen System.

Nun sind Organisationen, zumindest nach Ansicht der Systemtheorie, soziale Systeme und die wiederum folgen der Logik nicht-trivialer Systeme. Das wiederum heißt, dass man mit einem "trivialen" Steuerungsverständnis beim Management eines "nicht-trivialen" Systems Probleme bekommen wird. Wie jeder Manager aus eigener leidvoller Erfahrung weiß.

Professionalität im Management

Professionalität im Management heißt, so gesehen, vor allem einmal für sich selbst klar zu kriegen, welche "Modelle", d.h. welche Bilder von Organisation, von der eigenen Aufgabe und Rolle, vom eigenen Menschenbild und Führungsverständnis man im Kopf hat. Es heißt darüber hinaus, zu erkennen, dass diese Modelle - die jeweiligen Organisations- und Managementbilder - das eigene Handeln prägen, was - je nachdem welche Wirkung ich erreichen will - dem jeweiligen Zustand des Systems angemessen sein kann oder auch nicht. Und nicht zuletzt könnte sich daraus die Strategie ableiten, eine innere Einstellung, ein Welt- und Menschenbild zu entwickeln und darauf aufbauend sich ein Verhaltensrepertoire anzueignen, das der Nichttrivialität von Personen und Organisationen bewusst Rechnung trägt.

Das führt zwar zur Einsicht, dass rezepthafte Steuerungsvorschläge, die sich angeblich situationsunabhängig umsetzen lassen, in nicht-trivialen Systemen wenig Sinn machen. Es eröffnet auf der anderen Seite aber auch einen ganz neuen Blick auf das wichtigste Steuerungsinstrument überhaupt, über das man als Manager und Führungskraft bei der Einwirkung auf soziale Systeme verfügt: die eigene Person!

 

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