Wie steht´s um Ihre Manager?

Dr. Gundi Wentner, geschäftsführende Gesellschafterin von Wentner-Havranek, Institut für Unternehmensberatung, über den Einsatz von Management-Audits und Management-Appraisals.

Wie steht es um das Potential im Management?

Das ist natürlich für jedes Unternehmen ein Thema. Immer mehr Firmen machen Management-Audits und schauen sich an, was der Ist-Stand der Fähigkeiten ihrer Manager ist - auf individueller Ebene und als Portfolio: Wo sind unsere kollektiven Stärken und Schwächen? Wo haben wir potentielle Top-Führungskräfte, wie viele haben wir? Wo haben wir Führungskräfte, die eher ein Problemfall sind und aus welchen Gründen? Haben wir genügend Nachwuchsführungskräfte?

Wenn man einen Einzelnen anschaut, dann muss man da sehr vorsichtig sein, weil viele der Instrumente, die man verwendet, sehr relativ sind. Gleichzeitig haben es manche Firmen am allerliebsten, wenn man das gesamte Managementportfolio auf eine einzige bunte Graphik reduzieren kann, wo dann die Person am Schluss ein Punkt ist in einem Koordinatensystem. Das ist zumindest hinterfragenswert. Die Gefahr ist, dass das weder der Anforderung gerecht wird, als Unternehmen zu guten Managern zu kommen, noch wird es den Menschen gerecht.

Gemäß dem Motto: Sagen Sie mir, wie ist er wirklich?

Einerseits gibt es den Punkt Fachwissen, das ist noch relativ leicht. Man kann Wissensfragen stellen, und das sieht man noch am ehesten aus dem Lebenslauf und den bisherigen Tätigkeiten. Dann gibt es das große Feld der fachübergreifenden Fähigkeiten, der Schlüsselqualifikationen, wie Managementfähigkeiten. Die kann man auch sehr gut einteilen, in solche die erlernbar sind, skills, und solche die nicht oder nur schwer erlernbar sind, Talente. Beides braucht man.

Ein Bereich, den man sicher unter die Talente einordnen kann, ist das, was man als soziale Kompetenzen bezeichnet. Die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, Menschen mitreissen und begeistern zu können oder ein ganz wichtiges Feld für eine Führungskraft, ihr innerer Antrieb, ihre Motivation. Da gibt es vieles, was man kaum lernen kann: die Grundeinstellung, die Haltung anderen Menschen gegenüber, die Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Wie stellt man das nun fest?

Gleich. Der andere Bereich, die skills, gibt es natürlich auch. Klassische Managementtechniken wie Ziele zu vereinbaren, Leistung zu beurteilen, Verhandlungen zu führen, planvoll zu arbeiten, das sind Dinge, die kann man lernen. Zu einem Teil ist das einfach Handwerkszeug.

Was aus meiner Sicht bei all diesen Fragen sehr wichtig ist: Es braucht ein genaues Berufsbild der Führungskraft, bevor man sagen kann, was das Anforderungsprofil ist. Sind es Führungskräfte, die selbst Führungskräfte führen oder solche, die eine Gruppe von Mitarbeitern führen? Man wird auch große Unterschiede haben zwischen Funktionen wie Vertrieb und eher innenorientierten Funktionen, zwischen Unternehmen verschiedener Branchen und sicher auch je nachdem in welcher Situation das Unternehmen ist. Ein Unternehmen in der Krise stellt an Führungskräfte andere Anforderungen als ein Unternehmen in einer starken Wachstumsphase. Das ist einmal das Um und Auf, die Basis. Man muss den spezifischen Unternehmenskontext berücksichtigen.

Um herauszufinden, ob das passiert, schaut man sich am besten den Prozess, die Vorgangsweise an, oder?

Ja. Aus meiner Sicht meint Potential primär, dass man einschätzt, welche Fähigkeiten jemand für eine andere Position und Aufgabe hat. Beim Appraisal und Audit geht es jedoch primär darum, einen Ist-Zustand festzustellen: Wie gut sind die Leute gemessen an den definierten Anforderungen? Es geht um eine Einschätzung ihrer besonderen Fähigkeiten, Talente, ihres Wissens.

Wir sind aus unserer Beratungssicht eher auf der Linie, dass wir sagen, dass situative Verfahren am aussagekräftigsten und treffsichersten sind. Wenn es um ein Management Audit geht, wo man sich einzelne Führungskräfte anschaut, kann man das nur in Einzelverfahren machen. Da arbeitet man in der Regel mit sehr strukturierten Interviews, wo sich immer mehrere Fragen auf bestimmte Anforderungen beziehen. Man versucht, über Fallbeispiele zu rekonstruieren, wie sich verschiedene Personen in bestimmten Situationen verhalten.

So eine Frage wäre: "Stellen Sie sich vor, Sie sind Führungskraft in folgender Situation: Sie haben zwei Mitarbeiter, die beide an einem sehr wichtigen Projekt arbeiten und beide sehr erfahren sind, Sie merken aber, dass die beiden völlig unterschiedliche Meinungen darüber haben, wie man das angehen sollte und was da jeweils die besten Lösungen wären. Die Situation gefährdet langsam, aber sicher den Erfolg des Projektes. Was tun Sie?" Also eher sehr verhaltensorientierte Verfahren, die sehr nahe am Arbeitsalltag sind. Wir haben aber schon in den Fragen, die wir stellen, Anforderungen drinnen wie Selbstreflexion, Lernbereitschaft, Rollenflexibilität, Motivation.

Wir machen gerade ein großes Projekt in einem Finanzdienstleistungsunternehmen, in dem es auch eine Beurteilung durch Kollegen und Mitarbeiter gibt. Wenn das zur Kultur eines Unternehmens passt, ist das auch ein gutes Instrument, weil man aus der Summe der Beurteilungen und Eindrücke ein gutes Bild von den Fähigkeiten der Person bekommt.

Wie komme ich zu klaren Anforderungen?

Wenn jemand sagt, eine Anforderung ist "Teamfähigkeit", könnte man fragen: In welchen typischen Situationen zeigt sich das? Dann kommen schon Beispiele. Wenn man versucht, die Anforderungen beobachtbar und operationalisierbar zu machen, hilft es zu fragen: Wann ist die Anforderung gut erfüllt, wann ist sie nicht gut erfüllt? Wie verhält sich jemand, der die Anforderung gut erfüllt? Sobald man in dieses Beispielhafte kommt, ist es nicht so schwer, das abzuchecken. Aber natürlich, Überschriften in Anforderungsprofilen wie soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Verhandlungsgeschick für sich alleine sind Null aussagekräftig, denn da versteht jeder etwas anderes darunter.

Was ist in einem Audit entscheidend?

Da gibt es viele Punkte. Etwas, was mir sehr wichtig ist, ist, dass wir nicht den Anspruch erheben, dass wir bei den Interviews mit 100% Sicherheit eine richtige Einschätzung treffen. Daher sagen wir in den Auswertungsgesprächen, "Wir haben das im Gespräch so und so erlebt, wir würden das in Bezug auf die Anforderung so und so setzen. Wie sehen Sie sich da selber, passt das? Sehen wir das Ihrer Meinung nach völlig falsch, sehen Sie sich da anders?" Wir geben Feedback und hinterfragen dann sozusagen noch einmal das Feedback. Also: Gespräch, Auswertung, Rückmeldung und Feedbackgespräch mit den Gesprächspartnern. Erst dann folgt eine gemeinsame Runde mit den Top-Managern, wo sowohl einzelne Personen als auch das Gesamtbild besprochen wird.

Durch die Feedbackgespräche wissen die Leute auch, was wir dem Auftraggeber erzählen. Sie bekommen ein schriftliches Gutachten, wo die definierten Anforderungen genau aufgelistet sind und zu jeder Anforderung die Einschätzung notiert ist. D.h. der Einzelne bekommt ein qualitatives Gutachten und zusätzlich machen wir auch eine graphische Auswertung, vor allem weil der Kunde das meistens will: Wie hoch ist die Anforderung gewichtet und wie steht die jeweilige Person dazu? Wo gibt es jeweils Abweichungen nach oben oder unten?

Jeder Berater sagt, er definiert mit seinen Kunden die Anforderungen.

Nein, das glaube ich nicht. Viele Berater arbeiten nach dem Prinzip: "Wir haben da so und so viele Jahre Erfahrung mit tausenden Leuten, wir wissen, was eine gute Führungskraft ausmacht." Wir haben da lange überlegt, weil diese Leute ja am Markt sehr erfolgreich damit sind, haben uns dann aber bewusst dagegen entschieden. Das ist nicht unsere Beratungsphilosophie.

Wie passiert die Rückmeldung an den Auftraggeber?

Der erste Frage an das Unternehmen ist: Mit welcher Zielsetzung machen Sie das im Unternehmen? Warum wollen Sie das eigentlich tun? Der erste Frage an den Berater, wenn Sie einen suchen, könnte sein: Wann soll ein Unternehmen das Ihrer Meinung nach tun, wann nicht?

Die nächste Frage an das Unternehmen ist: Wie gehen Sie den Prozess an? Dann die Frage: Was ist das Anforderungsprofil, gibt es da eines für alle Personen? Dann lässt man sich das Anforderungsprofil zeigen und schaut, wie differenziert ist das?

Dann kommt die Frage: Welche Methoden? Und was messen die jeweils? Eine ganz wichtige Frage ist auch: Feedback an die einzelne Person: Gibt es das? Wie schaut das im Einzelnen aus? In welcher Form, wer macht das, was bekommen die Leute in die Hand? Was bekommt der Auftraggeber in die Hand? Wie wird das Projekt im Unternehmen kommuniziert? In welchem Rahmen?

Beim Anforderungsprofil ist es wichtig, dass fachliche und fachunabhängige Fähigkeiten klar getrennnt werden. Oft stehen im Gutachten fachliche Dinge drinnen, wo man eigentlich sagen müsste, es ist unmöglich, dass der Externe das in diesem Prozess beobachten kann.

Weitere spannende Fragen sind: Worauf schauen die Unternehmen, worin sehen sie den Nutzen? Und: Was heißt diese Anforderung genau? Von wem und wie wird die definiert? Wie schaut die Auswertung genau aus? Wie schaut die Begründung aus für die Ergebnisse?

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Dr. Gundi Wentner, Deloitte Touche - Wentner Havranek