Man muss die Potentiale nur anzapfen

DI. Wolfgang Palz und Harald Schwarz, Manager von Adtranz Austria über ihre bisherigen Karrierewege und Führungserfahrungen.

Wie kamen Sie dahin, wo Sie jetzt stehen?

S: Ich bin 39, bereits seit 20 Jahren im Unternehmen, habe als technischer Zeichner begonnen und mich dann im Unternehmen weiterentwickelt. Es gab immer wieder Veränderungen durch Fusionen und durch Abgänge, wo sich die Herausforderung stellte, immer wieder neue Positionen einzunehmen. Vor ca. drei Jahren ist mein Vorgänger, der Leiter des Fahrleitungsbaus, aus dem Unternehmen ausgeschieden. Die Stelle wurde mir angeboten. Ich habe damals lange überlegt - vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten ist immer eine heikle Geschichte – und mich dann dafür entschieden. Seit drei Jahren leite ich nun den Fahrleitungsbau mit 70 Mitarbeitern.

P: Ich bin 36. Meine Laufbahn unterscheidet sich von jener von Harald Schwarz. Ich bin mit dem Touch eines Quereinsteigers in das Unternehmen gekommen, ein Jahr nach dem Joint-Venture zwischen ABB und AEG, Anfang 1997. Davor habe ich in der AEG in der Abteilung Sondertechnik gearbeitet und zuvor in Graz Wirtschaftsingenieur und Maschinenbau studiert. Nach meinem Wechsel hierher war ich zuerst sozusagen Nachbar von Herrn Schwarz als Leiter der Gruppe Signaltechnik. In dieser Phase haben wir gemeinsam eine Managementausbildung gemacht. Durch die Pensionierung des damaligen Abteilungsleiters wurde ich dann vorigen Sommer Leiter der gesamten Geschäftseinheit. Heuer wurde ich dann auch Leiter des Vertriebs in Österreich / Marketing and Key-Account.

Was heißt für Sie Führen, was macht Führen aus?

P. Führen ist zunächst Menschenarbeit, heißt Orientierung geben, Klarheit schaffen, und den Einzelnen mit der Kompetenz und den Aufgaben bestücken, dass er sich wohlfühlen kann. Und die Rahmenbedingungen schaffen, dass er die Aufgaben auch erfüllen kann.

S: Ich sehe das genauso. Beziehungsarbeit ist einer der wesentlichen Bestandteile von Führung.

Sie sind seit 20 Jahren im Unternehmen. Wurde damals anders geführt?

S: Extrem anders. Da gab es eine extrem strenge Hierarchie. Die BBC war ein altes Flaggschiff, wo man den Vorstand ganz oben nie gesehen hat, außer vielleicht im Fernsehen. Dann hat man ihn angeschaut und gesagt, schau das ist unser Chef. Da war man als kleiner Mitarbeiter wirklich das kleine Rädchen. Da hat noch der Chef unterschreiben müssen, damit man eine Tuschfeder bekommt. Die Führungsarbeit hat sich erst verbessert, als Klaus Woltron nach der Fusion zur ABB die Führung übernommen hat. Dann ist es spürbar in Richtung Modernisierung gegangen.

War eine gute Führungskraft vor 50 Jahren wirklich so anders als heute? Grundlegendes wie respektvoll mit dem anderen umzugehen, ist doch nichts Neues?

P: Ich glaube, dass sich die maßgeblichen Einstellungen nicht geändert haben können. Der Unterschied ist, dass durch die zunehmende Geschwindigkeit und Komplexität Führungskräfte heute eher in Gefahr geraten, diese Grundwerte aus den Augen zu verlieren, weil sie so wie der Hund nach der Knackwurst irgendwelchen Kennzahlen hinterher rennen.

Wenn man sich aber in fünf unterschiedliche Managementseminare setzt, hört man möglicherweise fünf  verschiedene Ansätze?

P: Ich denke, dass eine Orientierungslosigkeit einsetzt, wenn Manager mit einem Wandel konfrontiert sind, der schneller ist, als sie selbst innerlich verarbeiten können. Dann verlieren sie aus dem Auge, was das Wichtige ist und sie verlieren den Boden unter den Füßen. Dann taucht eben eine boomende Branche auf, die da Hilfestellungen und Lösungen anbietet. Eine Frage von Angebot und Nachfrage. Wunderheiler, bei denen es gestern hieß, mach es nach den Japanern nach, mache Qualitätsmanagement und Kaizen, erklären heute, du sollst joggen gehen. Morgen ist es wieder etwas anderes.

S: Da ist sicher immer wieder die eine oder andere gute Idee dabei ist, die man aufnehmen kann. Aber wir sind halt alle Individuen und alle verschieden. Man kann nicht die eine richtige Lösung präsentieren, aber man kann den Blick schärfen und Anstösse geben.

Wo ist für Sie der Unterschied zwischen einem Persönlichkeitsentwicklungsseminar und einem Managementseminar? Wann ist ein Seminar etwas wert, in Ihren Augen gut oder schlecht?

S: Sie spüren das im Bauch. Wenn es Ihnen nahe geht und Sie aufwühlt und etwas in Ihnen arbeitet, wenn Sie zum Nachdenken kommen, dann ist es ein gutes Seminar. Oft sind es kleine Übungen, wo man etwas erlebt und zum Ergebnis kommt, ich würde nicht wollen, dass das jemand mit mir macht. Und dann schaut man, wie macht man es eigentlich selber.

Wir legen ja eigentlich alle unsere besten Jahre in unsere Berufszeit und im Endeffekt geht es mir darum, dass ich in den Spiegel schauen und sagen können muss, dass ich etwas dazu beigetragen habe, dass meine Mitarbeiter in ihren besten Jahren Spaß am Leben gehabt, statt daran gelitten haben. Es geht um die Fragen: Ist er sich wertvoll vorgekommen? Ist er ein Star gewesen für sich und andere, oder habe ich sein Selbstbewußtsein permanent tief unten gehalten, damit ich selber gut dastehe? Denkt er sich: Super, was ich zusammengebracht habe oder denkt er, verdammte Arbeit.

Wann macht Ihnen Führen Spaß?

P: Genau das: Messen Sie uns daran, ob wir glückliche Mitarbeiter haben. Wenn die Mitarbeiter das, was sie tun, als lebenswert und sinnvoll erachten, dann macht es für sie und für einen selbst Sinn und Spaß.

S. Jeder fühlt sich wohl, wenn er das machen darf, was er gut kann. Motivation ist in letzter Konsequenz, wenn die Leute das dürfen, was sie gut können. Dazu muß man an die Leute glauben. Und länger hinschauen, statt schon zu glauben zu wissen, wie die sind. Nur wenn ich mich intensiv mit dem anderen auseinandersetze, bekomme ich ein Bild, wo der Mitarbeiter hin will. Wenn man das in zwanzig Minuten im Mitarbeitergespräch abhandelt, wird das nicht reichen, um zu wissen, was sein Weg für die nächsten Jahre ist. Das braucht Zeit und ist letztendlich wieder eine Beziehungsfrage. Gerade in den Krisen, die wir gehabt haben, entdeckt man oft erst das wirkliche Potential der Leute. Sie haben bildlich gesprochen ein volles Faß Bier vor sich stehen, dass sie nur anzapfen müssen. (10.2000)

Herr DI. Palz, Herr Schwarz, vielen Dank für das Gespräch.

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