Zwei Betrunkene machen noch keine standfeste Person

In seinem Buch "Das revolutionäre Unternehmen" setzt sich Gary Hamel in einem kurzen Kapitel auch kritisch mit dem Thema Fusion auseinander. Die prägnantesten Auszüge und Zitate.

Für Manager, die alle Möglichkeiten der internen Kostensenkung ausgeschöpft haben und die blind sind gegenüber neuen Wachstumschancen, gibt es eine Alternative: Megafusionen! Sie vermitteln dem Management die Hoffnung, einen zeitweiligen Aufschub in Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit sinkender Renditen erzielen zu können.

Allein in den USA summierten sich die bekannt gegebenen Fusions- und Übernahmeaktivitäten auf über 1,7 Billionen US-Dollar; das entspricht etwa 14 Prozent des Wertes aller in den USA registrierten Unternehmen! Wenn das gegenwärtige Tempo (1999) beibehalten würde, dann bestünde die amerikanische Wirtschaft in sieben oder acht Jahren weiterer Fusionsmanie schließlich nur noch aus einem einzigen Riesenunternehmen!

Eine 1999 durchgeführte Studie zeigt, dass von den 700 größten zwischen 1996 und 1998 erfolgten Abschlüssen tatsächlich mehr als die Hälfte zu einer Verringerung des Shareholder Value führte. (Wall Street Journal, 8.12.1999, Deogun Nikhil; Lipin, Steven „When the bid deal turns bad“) Die Fusionen folgen einem vertrauten Muster: Der Aktienkurs macht angesichts der Erwartung künftiger Effizienzsteigerungen einen Sprung nach oben, das Top-Management der übernommenen Firma wird mit Geld überhäuft und in den anschließenden Monaten machen das einer Fusion üblicherweise folgende Chaos und ständig steigende Integrationskosten fast alle der erwarteten Vorteile zunichte.

Merke: Wenn man zwei Betrunkene zusammenstellt, ergibt sich daraus noch lange keine standfeste Person!

Wenn der Fusionswelle eine sekundäre Logik zu Grunde liegt, dann ist es die einfache Arithmetik der Oligopole: Verringert man die Wettbewerbsintensität in einer Branche, indem man die Zahl der unabhängigen Konkurrenten reduziert, werden die Gewinne voraussichtlich steigen. Firmenchefs werden oft mit folgenden Begründungen für ihre Fusionspläne zitiert: „Um überhaupt Geld verdienen zu können, muss man Marktführer sein.“ Oder: „Nur die Größten werden überleben.“ Diese Denkweise ist höchst trügerisch. Selbstverständlich gibt es Größenvorteile, aber die Größe macht Unternehmen nicht gegen Innovationen immun, die alle bestehenden Regeln aushebeln. Die Tatsache, dass man eine noch größere Bank wird, hilft einem nicht dabei, sich gegen Unternehmen wie Charles Schwab oder E*Trade zu verteidigen. Masse bietet also keinen Schutz gegen den Angriff neuer, revolutionärer Mitbewerber. Die Denkweise in vielen fusionsbesessenen Führungsetagen scheint in folgende Richtung zu gehen: „Wenn wir wirklich ganz, ganz große Dinosaurier werden, dann können wir möglicherweise die Eiszeit überleben.“ Schauen Sie sich um, die Dinosaurier sind ausgestorben.

Merke: Es ist verdammt schwierig, sich zu paaren und gleichzeitig zu rennen!

08.2004

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