Fusion - der Tag danach

Allen Beteuerungen über "kritische Größe, Globalisierungsdruck etc." zum Trotz, lassen die nackten Zahlen das beschwörende Gerede von Synergieeffekten als das erscheinen, was es ist ist: Wunschdenken, das nur in den seltensten Fällen in Erfüllung geht.

Nach einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Mercer Management scheiterten knapp 60 Prozent der 300 Fusionen, die man genauer unter die Lupe genommen hatte. Eine Studie des US-Consulters A.T.Kearney kommt zu ähnlich alarmierenden Ergebnissen. Danach haben nur 42 Prozent der Fusionen den Unternehmenswert erhöht, 58 Prozent hingegen Unternehmenswert vernichtet.

„Weltmeister“ in der Wertvernichtung ist laut dieser Studie die Luft- und Raumfahrtsindustrie mit 73 Prozent wertvernichtenden Zusammenschlüssen, gefolgt vom Konsumgüterbereich mit 68 Prozent. Diese enormen Wertverluste sind aber keineswegs zwangsläufig. So konnten in der Luft- und Raumfahrtsindustrie die erfolgreichsten Fusionen Wertsteigerungen von 35 Prozent erzielen. Im Konsumgüterbereich brachten es die besten sogar auf 40 Prozent Wertsteigerung. Wie erklären sich nun die enormen Unterschiede bezüglich Erfolg oder Mißerfolg bei Fusionen?

Stolpersteine vor der Fusion

Stark vereinfacht kann man sagen, dass die Pre-Merger-Phase, also die Vorbereitungsphase, in finanztechnischen und rechtlichen Fragen noch sehr professionell gemanagt wird. Kommt es hier zu Fehlern, liegen diese typischerweise in fehlenden bzw. schwammigen strategischen Überlegungen - d.h. einer fehlenden schlüssigen Antwort auf die Frage: Warum sollen genau diese beiden Unternehmen gerade jetzt und in der geplanten Form  fusionieren? -, in der weitverbreiteten krassen Unterschätzung der Integrationskosten nach der Übernahme und in der ebenso typischen Unterschätzung der Integrationsdauer.

„Das meiste Porzellan wird schon in der Phase der Anbahnung zerschlagen, indem man entweder schlecht, zuwenig oder zuviel informiert“, beschreibt Dr. Boos von der Beratergruppe Neuwaldegg einen weiteren Knackpunkt. Mag. Gerald Moser, Geschäftsführer in der von Neste übernommenen Krems Chemie sieht das ähnlich: „Ganz entscheidend ist, wie die Übernahme intern kommuniziert wird. Kaufe ich ‚die Barfüssigen, denen ich jetzt zeige, wo Gott wohnt’ oder kaufe ich das Unternehmen, weil es strategisch Sinn macht, wegen seiner Klasse? Das ist eine der entscheidenden Aufgaben und die Verantwortung des Managements: Welche Bilder schaffe ich durch meine Aussagen? Wie wird es angekündigt?“

Wer sind die Schlüsselpersonen?

Es gibt Fusionen, die schlicht deswegen schiefgegangen sind, weil man die Schlüsselpersonen des zu fusionierenden Unternehmen vor dem Merger zu spät kontaktiert und eingebunden hatte“ nennt Frank Boos ein weiteres Kriterium. „Man braucht auf der anderen Seite ja Leute, die gewillt sind mitzutun, die in ihrem Unternehmen Stimmung machen und die bereit sind, Ihnen Informationen zu geben. Wenn Sie ein Unternehmen kaufen und von dort eine Person in das  Projektteam holen, dann ist von entscheidender Bedeutung, welchen Ruf und welche Akzeptanz diese Person in ihrer Firma hat. Wenn Sie das im Vorfeld nicht erfahren haben, weil Sie sich nicht darum gekümmert und da jemanden erwischt haben, der zwar hierarchisch hoch angesiedelt ist, aber den Ruf eines Frühstückdirektors hat, dann haben Sie schon halb verloren. Deswegen ist die Sensibilität im Vorfeld so wichtig. Die Schlüsselpersonen zu identifizieren und die ins Projektteam zu kriegen, das ist eine Vorentscheidung über Gelingen oder Scheitern.“

Keine Zeit für Gefühle

Der mit Abstand häufigste Grund für das Scheitern von Firmenübernahmen ist die völlige Fehleinschätzung vieler Top-Manager in Bezug auf die sozialen Prozesse, die bei so einer Fusion ablaufen. Wenn sich die Mitarbeiter gegen die Fusion wehren und nicht miteinander wollen, wenn divergierende Unternehmenskulturen unbearbeitet aufeinanderprallen und Gewinner-Verlierer-Situationen entstehen, sinken die Chancen einer erfolgreichen Fusion rapide. Nun ist es völlig normal und gar nicht zu vermeiden, daß Fusionen begleitet sind von einem hohen Maß an Verunsicherung, Angst, Orientierungslosigkeit und Trauer über den Verlust eines Stücks bisheriger Heimat und Identität. Um so entscheidender sind daher die Signale, die das neue Top-Management aussendet. Nicht zufällig war denn auch in einem Mercedeswerk die am heißesten diskutierte Frage, mit welchem Auto der damalige Chrysler-Chef Bob Eaton anläßlich seines Werkbesuchs vorfahren würde. Er kam mit einem Mercedes - und diese Meldung verbreitete sich mit Lichtgeschwindigkeit im ganzen Konzern. Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn er mit einem amerikanischen Auto vorgefahren wäre? Darauf können Sie wetten!

Je weniger sich das Management nun dieses Signalcharakters ihrer Handlungen bewusst ist und je weniger es sich gezielt und für die Mitarbeiter sichtbar mit den „weichen Faktoren“ beschäftigt, desto mehr Glas geht bei der Fusion dann in aller Regel zu Bruch. Vor allem dann, wenn – wie das heute ja zunehmend der Fall ist – das Wertvollste am übernommenen Unternehmen nicht irgendwelche Maschinen und Gebäude, sondern dessen Know-how sind. Denn springen die wichtigsten Know-How-Träger erst einmal frustriert ab, ist der Schaden gleich ein mehrfacher: Das eben noch teuer bezahlte Know-how stärkt mit einem Mal nicht mehr einen selbst, sondern die direkte Konkurrenz. Und durch die Integrationsprobleme kassiert die Konkurrenz nicht nur unzufriedenen Spitzenkräfte ein, sondern bietet auch unzufriedenen Kunden eine neue Heimat. Im schlechtesten Fall ist das neue fusionierte Unternehmen dann weniger wert als für sich alleine vor der Fusion. Beispiele dafür gibt es ja genug.

Autor: Peter Wagner, 04.1999

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: