"Besser zu sein reicht nicht"

Mag. Lorenz Wied, Leiter von Trout & Partners, Middle Europe über die typischen Fehler beim Finden einer klaren Positionierung für Produkte und Unternehmen.

Herr Magister Wied, was verstehen Sie unter Positionierung?

Positionieren heißt, sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. Das gelingt aber nur mit etwas, das im Gedächtnis der Kunden nicht schon von einem Mitbewerber besetzt ist. Genau das missachten viele Firmen. Die machen eine Marktforschung, wo man die Kunden fragt, was ihnen wichtig ist. Dann sagen z.B. bei Batterien die Befragten natürlich alle: Langlebigkeit ist wichtig. Also, so die Schlussfolgerung der Marketingleute, setzen wir auf Langlebigkeit. Richtig? Falsch! Langlebigkeit ist bereits von Duracell besetzt. Duracell diesen Platz im Gedächtnis des Kunden streitig zu machen, wird Ihnen nicht gelingen. Egal wie viel Geld Sie dafür aufwenden. Es können nicht zwei Unternehmen dasselbe Attribut im Gedächtnis des Kunden besetzen. Sie brauchen also etwas anderes.

OK, wie findet man nun dieses „Andere“?

Es gibt ganz unterschiedliche Arten der Differenzierung. Greifen wir eine heraus: Differenzierung durch die Produktionsweise. Zum Beispiel Bäckereien. Wie unterscheidet man sich bei normalen Semmeln? Über den Preis. Welche Semmel darf mehr kosten? Die handgemachte Semmel. Warum? Handgemacht ist ein wichtiges Attribut in der Bäckerei, aber natürlich nicht nur dort. Handgemacht muss nach unserer Vorstellung besser sein als industriell gefertigt. Es steht für eine besondere Sorgfalt, die bei der industriellen Produktion nicht passiert.

Wenn dem so ist, kann man das „handgemacht“ dramatisieren und darum eine Strategie bauen. So passiert in Linz, dort gibt es einen Bäcker, der dem Handsemmel-Thema treu geblieben ist. Er hat sich auf das Thema „handgemacht“ konzentriert und das ausgebaut. Nach den Handsemmeln kam das handgedrehte Salzstangerl, dann handgeflochtene Mohnweckerl und Salzweckerl, und schließlich brachte er als erster den Franzosenwecken. Er hat als erster dieses Segment „handgemacht“ besetzt, ist innovativ und hat durch das Attribut „handgemacht“ seine Produkte aufgewertet. Die schmecken tatsächlich gut, aber nicht so sehr, weil sie handgemacht sind, sondern wegen seiner besonderen Teigmischungen. Er hat es aber geschickt am „handgemacht“ aufgehängt.

Ein anderes Beispiel für handgemacht: Schnaps. Es gibt in Österreich noch Hersteller, die entkernen die Zwetschken händisch, weil  sie sagen, Schnaps aus entkernten Zwetschken ist armoatisch besser. Das stimmt auch und klarerweise kostet der auch mehr.

Wie gehen Sie beim Entwickeln einer Positionierung konkret vor?

Wir diskutieren mit Unternehmen gemeinsam ausführlich die Entwicklungsgeschichte, analysieren das aber nicht bis zum Unfallen, sondern wir schauen: Womit ist das Unternehmen gewachsen; wodurch ist es bekannt geworden, wo hat man gute Erfolge erzielt? Dann gleichen wir das ab mit der derzeitigen Position im Markt und gegenüber den direkten Konkurrenten und schauen anhand der häufigsten Kriterien der Differenzierung, welche Möglichkeiten der Differenzierung das Unternehmen in einem dieser Punkte oder möglicherweise in mehreren hat: Wo hat es Alleinstellungsmerkmale, die man glaubhaft beweisen, die man in der Kommunikation dramatisieren und um die man eine spannende Story aufbauen kann? Es den Kunden nur verschämt nebenbei zu erzählen, wird nicht zum Erfolg führen.

Tun das nicht eh die meisten?

Nein. Erstens gibt es viele Me-too-Produkte, bei denen der Kunde sich zurecht fragt, warum er das kaufen soll, weil er eben keinen Unterschied zu anderen Angeboten erkennt. Zweitens versuchen viele Firmen untaugliche Formen, um sich zu differenzieren. Sie argumentieren in Richtung „wir sind besser“, die „Qualitätsführer“ und verstehen nicht, dass Marketing kein Kampf der Produkte, sondern ein Kampf um Wahrnehmungen ist. Drittens ist Positionierung das Herz der Unternehmensstrategie und damit Chefsache, also nicht delegierbar. Nur, was passiert denn in der Praxis? Der Vorstand sagt zur Marketingabteilung: Wir brauchen eine neue Werbekampagne! Die Marketingabteilung schreibt ein Briefing für die Agentur, die Agentur kommt mit einem Rebriefing. Das wird dann abgestimmt und in eine Endform gebracht. Die wird dann „umgebrieft“ in ein sogenannte creative briefing, das die Kreativabteilung bekommt.

Meine Erfahrung ist, dass aus dem creativ briefing in der Regel überhaupt nicht hervorgeht, was die zentrale Botschaft, die differenzierende Idee ist. Aber darauf aufbauend wird eine Kampagne entwickelt. Manche Agenturen, die gut recherchieren, kommen dann zurück zur Marketingabteilung und sagen, wir haben mit ihrem Briefing und dem von uns geschriebenen Rebriefing ein Problem. Da gibt es ein paar strategische Fragen, über die wir mit Ihnen diskutierne müssen. Das Marketing geht dann zur Unternehmensführung und die sagt, nein, über die Strategie will ich nicht diskutieren, die steht fest. Dann wird eine Kampagne entwickelt, die halt so gut wie möglich zu dem passt, was im Briefing steht.

Zur Entscheidung über die Kampagne kommt dann die Geschäftsführung wieder dazu und entscheidet, ja oder nein. Teilweise ohne realistischen Hintergrund, sie schaut ob es ihnen gefällt oder nicht. Und dann wundert man sich, wenn die Werbung nicht den gewünschten Erfolg bringt, weil man statt effizient, kreativ und cool ist. Das ist am Ziel vorbei. Werbung soll unterhalten, nur - Unterhalten allein ist zu wenig. Werbung soll ja das Kaufverhalten der Kunden beeinflussen. Die entscheidende Frage ist: Gibt es eine Botschaft, die mir als Kunden ein Argument bietet und so eine Entscheidung ermöglicht oder erleichtert?

Wo liegen die häufigsten Fehler bei jungen Unternehmen?

Das ist ein interessantes Thema, bei dem ich immer wieder drei Dinge feststelle. Erstens man unterschätzt die Wichtigkeit der Entscheidung für den Namen des Unternehmens, des Produkts oder der Dienstleistung. Man versucht, das selbst zu machen und das kann auch gut gehen. Bei der Softwarefirma „ebit“ ging es gut, aber EBIT ist als Begriff schon besetzt, es steht eigentlich für Earnings before Interest and Tax. Wie man ein Produkt, eine Marke, eine Dienstleistung nennt, ist heute die wichtigste Entscheidung im Marketing, wenn nicht überhaupt die wichtigste Entscheidung in der Geschichte eines Unternehmens.

Das zweite ist, dass viele Jungunternehmer glauben, sie haben eine gute Idee und sind damit alleine im Markt. Aber sie glauben es eben nur, weil sie viel zu wenig darüber wissen, wer ihre Konkurrenz ist Das ist gefährlich für Start-ups. Sie gehen mit viel Engagement an die Sache heran und spielen das Geschäft dann direkt in die Hände der Konkurrenz, die sie vorher nicht gesehen haben. Das ist schade und unnötig.

Und - sie denken zuwenig über das Thema Differenzierung nach. Viele sagen, wie soll ich es mir leisten, mir einen Markennamen entwickeln zu lassen. Dabei gibt es genügend Möglichkeiten: Es gibt Gründerinitiativen, wo Vollprofis gratis ihre Meinung abgeben. Es gibt Business-Plan-Wettbewerbe in Österreich und Deutschland. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die Informationen gratis abzuholen, nur tun die Leute es nicht.

Herr Mag. Wied, vielen Dank für das Gespräch.

06.2003

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