"Personalfragen kommen am Schluss"

Mag. Christian Stieglitz, Personalchef der UTA Telekom (seit Feb. 2005 Personalchef der Mobilkom), über die vielfältigen Dilemmata, denen sich Manager in Fusionsprozessen gegenüber sehen.

Mit welchen Schwierigkeiten ist man als Manager bei Fusionen konfrontiert?

Vor allem ist man mit einem Widerspruch konfrontiert, der sich nicht auflösen läßt. Die Kernfrage aus Sicht des einzelnen Mitarbeiters lautet: Gibt es meinen Arbeitsplatz dann noch? Und: Wie wird dieser ausschauen? Diese Frage läßt sich aber erst sehr spät beantworten, weil man im Management zuerst andere Dinge klären muß: Welche Geschäftsfelder wird es geben, mit welchen voraussichtlichen Ergebnissen? Und schließlich: Wie viele Mitarbeiter kann ich mir für die Abwicklung dieser Prozesse leisten? Also genau die gegenteilige Reihenfolge wie beim Einzelnen, für den es vorrangig um die Frage geht: Was wird mit mir? Entscheidend für das Gelingen ist, wie lange es dauert, bis man das beantworten kann.

Jetzt gibt es bei vielen dieses Gefühl „ich bin hier zuhause, ich will nicht wechseln“. Es entsteht Frust und Ärger. Was kann man machen um das abzufangen?

Zuerst braucht es eine klare Entscheidung, wohin gehören die Bereiche und damit die in ihnen tätigen Mitarbeiter. Ob das mit der Zugehörigkeit für die Mitarbeiter ein Problem ist, ist von Bereich zu Bereich sehr unterschiedlich. Bei einem Call-Center beispielsweise, in dem man schon bisher für mehrere Kunden gearbeitet hat – und jetzt gibt es halt einen neuen Eigentümer - da sehe ich das Identitätsproblem nicht so sehr. In anderen Bereichen sehe ich das schon. Da geht es darum: wie schaffe ich es, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie dazu gehören. Und da passiert schon einmal viel über die Hard- Facts.

Wenn sie kommen, gibt es Büros, werden sie den anderen Mitarbeitern vorgestellt, funktionieren die Leitungen, gibt es einen Ansprechpartner für sie und auf der anderen Seite, gibt es auch in der übergebenden Firma noch jemand, der sie betreut, zu dem sie jederzeit kommen können? Die brauchen einfach eine besondere Aufmerksamkeit und man sollte da bei Kleinigkeiten großzügig sein. Beispielsweise, bekommt jemand da eine Garage, weil er im anderen Haus auch eine hatte? Da sollte man ihm das einmal zwei Monate zahlen und dann weiterschauen. Da geht es darum, nicht logisch vernünftig zu argumentieren, sondern sich eher die emotionale Ebene anzuschauen. Was da sicher ein Vorteil ist, ist wenn diese „Pakete“ bei einer Entsendung, bei einem Übergang,  vorab klar definiert sind. Wenn die Leute wissen, was erwartet sie ganz konkret wenn sie hinübergehen. Bis hin zur administrativen Unterstützung, wen rufe ich an, damit meine Möbel übersiedelt werden und was tue ich mit meinem Palmtop. Die ganzen Fragen, die ihn/sie beschäftigen, sollten geklärt sein. Eine Art all-Inclusive-Übersiedungsservice.

Wie komme ich zu einem durchdachten package?

Im Endeffekt lernt man es bei der ersten Übersiedlung. Das erste Team , das geht, sind die armen Hunde, der Testfall, Hier sieht man, was alles nicht funktioniert hat, das schreibt man alles in ein Konzept und versucht es künftig zu vermeiden. Darum ist es so wichtig, die ersten Übersiedler mit einzubinden.

Jetzt gibt es Fusionen, wo eine ganze Firma sagt, lasst uns zufrieden. Da weiß man doch schon im Vorhinein, dass es nicht funktionieren wird.

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass es gegen jegliche Art von Fusion einen Aufstand gibt. Die Leute sind prinzipiell dagegen, weil sie diese Veränderung, vor allem diese Phase Unsicherheit nicht wollen.

Oft wird schlicht zuwenig kommuniziert.

Ich glaube, dass es in gewisser Weise ziemlich egal ist. Denn die Schwierigkeit ist: das was man kommunizieren sollte, nämlich „was passiert mit dem einzelnen Arbeitsplatz“, das kann man lange nicht kommunizieren, weil man das erst ganz am Schluß weiß. Und das was man kommunizieren kann, ist nicht das, was die Leute hören wollen.

Vermutlich das beste ist, alles zu kommunizieren, was Du weißt, zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Nur, was ist jetzt der frühestmögliche Zeitpunkt? Wenn man es erst kommuniziert, wenn man es 100%ig sicher weiß, weiß es schon jeder vorher. Wenn man aber etwas kommuniziert, was nur zu 70% sicher ist, und es wird dann anders, dann heißt es gleich wieder, die da oben geben uns falsche Infos. Trotzdem halte ich es für das wesentliche, offen und ehrlich zu sagen, was man vorhat, auch wenn die Leute finden, dass das ein Blödsinn ist. Man hat es ganz einfach vor, daher soll man es auch sagen. Was sicher auch gut ist, ist eine Informationsstelle, wo die Mitarbeiter anrufen können. Die muß aber auch auf dem neuesten Stand sein. Genauso wichtig ist, die Betriebsräte von Anfang an mit einzubinden und vor den Betriebsräten keine Geheimnisse zu haben, sonst hat man automatisch sofort eine Front.

Womit ist man bei einer Fusion als Personalleiter konfrontiert?

Die meiste Zeit kosten die unzähligen Meetings in den verschiedenen Projektgruppen zu Themen wie: Wie schauen die einzelnen Pakete für die Wechsler aus? Wie betreue ich die am besten? Was passiert mit den Mitarbeitern, die abgebaut werden müssen? Wie mache ich das am besten? Es geht um die Fragen: Wie unterstütze ich die neue Organisation, um Stellen zu definieren, die Gehaltsbänder festzulegen, den Auswahlprozess zu unterstützen? Wie bin ich Ansprechpartner für den Einzelnen, der Sorgen hat und wie kommuniziere ich mit dem Betriebsrat? Dann geht es darum, die Systeme anzugleichen.

03.2001

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Mag. Christian Stieglitz