Ein PE-Konzept für 32.000 Mitarbeiter

Wie etabliert man in kurzer Zeit Personalentwicklung in so einem großen und im Umbruch befindlichen Unternehmen wie der Post AG? Im Gespräch mit Mag. Andrea Amberger(mittlerweile Personalchefin bei Sony Austria).

Frau Mag. Amberger, gab es vor Ihrem Einstieg Ende 1998 schon eine Personalentwicklungsabteilung?

Es gab eine Schulungseinheit, die sich mit der Entsendung der Beamten zur Verwaltungsakademie beschäftigt hat,  mit der Beamtendienstprüfung sowie ab 1996 mit punktuellen Seminarreihen. Die Post-AG hat damals die Position ausgeschrieben und jemanden gesucht, der ein gesamtheitliches Personalentwicklungssystem für die Post entwickelt und implementiert und ein standardisiertes und transparentes Recruitingsystem aufbaut.

In der Aus- und Weiterbildung gab es zwei Mitarbeiter und im Recuiting drei. Es mußten  aufgrund der rasanten Unternehmensentwicklung die meisten Dinge neu aufgesetzt werden. Heute habe ich hier 20 Mitarbeiter und ein oder zwei Mitarbeiter in jeder der sechs Regionen, mit denen wir  die rund 32.000 Mitarbeiter der Post betreuen.

Wenn man in ein so grosses Unternehmen kommt und merkt, es gibt in dem Bereich noch nicht sehr viel, wie fangt man da am sinnvollsten an?

Ich halte es für unerlässlich, am Anfang eine akkordierte Definition über Ziele und Inhalt vorzunehmen.  Wohin geht es, womit und für wen? PE rechnet sich aus meiner Sicht für ein Unternehmen nur, wenn sie einen Beitrag zur Erhöhung der Performance am Markt leistet. D.h. sie muß sich eng an den Bedürfnissen des operativen Geschäfts und der Unternehmensentwicklung orientieren. Es gab zig Gespräche mit den Bereichsleitern und mit dem Vorstand, um ein Gefühl zu bekommen, was  die Hauptaufgabe der PE sein sollte und welcher Aufbau für diese Abteilung daher Sinn macht. Dann haben wir ein Konzept entwickelt, das u.a. definiert, dass PE für die Post an der Unternehmensstrategie ausgerichtete OE sein muss.

Womit konkret haben Sie dann begonnen?

Mit mehreren Dingen parallel. Die Organisation der Abteilung ist implementiert: Die Abteilung ist klar Dienstleister, wenn es um die Abwicklung der Aus- und Weiterbildung und wenn es um das Rekrutieren an sich geht. Sie ist klar eine strategische Einheit, wenn es um PE geht, um die Entwicklung der Organisation und des Managements. Unser Arbeitsschwerpunkt ist, Instrumente und Methoden zur Verfügung zu stellen bzw. gemeinsam zu entwickeln, die den Führungskräften helfen, ihre eigene Performance und die ihrer Organisationseinheit zu erhöhen und marktwirtschaftlich auszurichten.

Aus der Definition ersehen Sie, dass der Schwerpunkt für uns die strategische PE ist, wo wir im Auftrag des Vorstandes entsprechend der Entwicklung der Organisation Programme aufsetzen. Vergangenes Jahr haben z.B. eine edv-unterstützte Potentialerhebung eigens für die Post in Zusammenarbeit mit einem Beratungsunternehmen entwicjukelt und innerhalb von 11 Tagen 550 Postamtsleiter getestet. Aus den Ergebnissen haben wir ein dreistufiges Programm konzipiert, das heuer gestartet wurde und an dem nun über 700 Führungskräfte teilnehmen.

Als erstes Führungsinstrument haben wir das Mitarbeitergespräch eingeführt und in einem ersten Durchgang 80 Führungskräfte geschult, die nun bereits ihre Mitarbeiterspräche geführt haben. Die Follow-Up Veranstaltungen als Erfahrungsaustausch sind abgeschlossen. Jetzt erarbeiten wir ein roll-out-Konzept für die nächsten Hierarchieebenen. Dann haben wir im Sommer die erste österreichweite Budgetplanung für Aus- und Weiterbildung gemacht, wo wir von unten nach oben die Ausbildungsnotwendigkeiten abgefragt haben. Das ging innerhalb von 6 Wochen und hat toll funktioniert.

Da ging es darum abzufragen, wer will welches Seminar machen?

Wir machen keine Ausbildungen auf  Vorrat. Wir machen das, was der Mitarbeiter jetzt im Job und das, was das Unternehmen jetzt in der Umorganisation braucht.

Wie gehen die Mitarbeiter mit den veränderten Anforderungen um?

Das hängt sehr stark von dem einzelnen Mitarbeiter ab. Es gibt eine grosse Zahl an Mitarbeitern, die die Entwicklung begrüsst und versucht, das ihre beizutragen. Aber für viele Menschen ist Unsicherheit nur schwer auszuhalten. Und dem Anspruch, 32.000 Leute Knall auf Fall neu zu orientieren genügt auch ein privates Unternehmen nicht so einfach. Mitarbeiterängste gibt es in jedem Unternehmen, das reorganisiert wird. Ich habe das schon einmal erlebt, dieses Gefühl von Alteingesessenen, jetzt kommen da die Jungen und die Neuen, und wir sind plötzlich nichts mehr wert. Ich glaube, das ist der größte Fehler, wenn man auf der Schiene einsteigt.  Ich bin der Überzeugung, dass jeder Mensch in seinem Kontext sinnvoll handelt. Genauso handelt jedes Unternehmen in seinem Kontext sinnvoll. Aber die Zeit ändert sich und dadurch ergeben sich Anpassungsnotwendigkeiten.

Nur, es ist eben ganz wichtig, das alte System wertzuschätzen. Beamten an und für sich zu verteufeln, halte ich für extrem naiv. Auch hier gab es ein System, das zu seiner Zeit und in seinem Kontext sinnvoll war. Es gilt für mich die grundsätzliche Haltung, dass sich jeder Mensch nur dann weiterentwickeln kann, wenn er sich akzeptiert fühlt. Und das heisst auch, die Mitarbeiter auf den Zug aufspringen zu lassen und ihnen trotz des Drucks Zeit geben, mit den Veränderungen umgehen zu lernen.

Frau Mag. Amberger, vielen Dank für das Gespräch.

09.2000

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