"And the Oscar goes to ..."

Dass öffentliche Verwaltungen nicht gerade wahnsinnig innovativ seien, ist ein ebenso weitverbreitetes wie überholtes Klischee. Die Gemeinde Pasching etwa, die ihre rund 6.500 Einwohner seit einigen Jahren mit einer "bürgerorientierte Qualitätspolitik" verwöhnt, gewann 2001 den "Verwaltungsoskar", den renommierten "Speyrer Qualitätspreis für herausragende Leistungen und innovative Lösungen in der öffentlichen Verwaltung".

Begonnen hat die Wandlung der Gemeindeverwaltung bereits in der ersten Hälfte der 90er-Jahre, nachdem der Paschinger Bürgermeister Ing. Fritz Böhm beschlossen hatte, seinen damaligen „Brotberuf“ im Industrievertrieb eines Vorarlberger Maschinenbauunternehmens an den Nagel zu hängen und das bis dato in Teilzeit ausgeübte Bürgermeisteramt zum Fulltime-Job zu machen.

Kaum war er vollzeitig präsent, gab es einige Personalwechsel auf der Führungsebene, die gleich in mehrfacher Sicht einen Tabubruch darstellten: erstens holte er die meisten neuen Führungskräfte aus der Privatwirtschaft, womit Böhm das bis dahin gültige Senioritätsprinzip druchbrach, zweitens waren viele dieser Führungskräfte um einiges jünger als ihre Mitarbeiter (Durchschnittsalter der Mitarbeiter: 42 Jahre, Führungskräfte: 35) und drittens gab es plötzlich einen außergewöhnlich hohen Frauenanteil im Management mit der neuen Amtsleiterin Mag. Doris Jordan an der Spitze (Frauenanteil in der Verwaltung: 83%, bei den Führungskräften: 75%). Also nicht gerade die übliche Vorgangsweise in der öffentlichen Verwaltung. Klar ist, dass dieser Wechsel ziemliche Unruhe in der Gemeindestube auslöste und es einiger Teamseminare bedurfte, um zu einem allseits gedeihlichen Miteinander zu finden. Dem folgten verschiedene Maßnahmen der Führungskräfteweiterbildung, die Einführung des Mitarbeitergesprächs und die ISO-Zertifizierung als eine der ersten Gemeinden Österreichs. Die nächste Veränderung kam unter der Flagge „Jedem Mitarbeiter sein PC“ und  bestand aus flächendeckender IT-Einführung und ersten Workflow-Analysen, um die nun edv-mäßig abgebildeten Abläufe mehr an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten.

Die gemeinsame Klammer

Anläßlich eines gemeinsamen Nachdenkens über „Auffrischungsmaßnahmen für das Mitarbeitergespräch“ und dem Wunsch nach einer Kundenbefragung hatte Christian Rischawy, Geschäftsführer der Firma IOT schließlich auf die Idee, das Instrument der 360° Analyse für die Gemeinde zu adaptieren. Mit seiner Hilfe sollten all die bisherigen Maßnahmen besser aufeinander abgestimmt und auf einen gemeinsamen Focus und Außenbezug ausgerichtet werden.

Wie schaut das 360° Feedback nun konkret aus? Christian Rischawy: „Das 360° Feedback besteht aus Kunden-, Führungskräfte- und Mitarbeiterfeedback, wobei wir alle drei Teile mit den Mitarbeitern gemeinsam entwickelt haben, damit erstens das, was sie wissen wollen, wirklich drinnen steht, damit es zweitens ihre Sprache ist und drittens von Anfang an allen klar ist, warum wir dieses oder jenes fragen.“

Den Beginn machte im Herbst 1999 ein Führungskräfte-Feedback (mit Selbst- und Fremdbild), kurz danach das Mitarbeiter-Feedback im Zuge des Mitarbeitergesprächs (bei dem die Ergebnisse des Führungskräfte-Feedbacks noch nicht bekannt waren) und schließlich die Kundenbefragung: Im Frühjahr 2000 wurde der Fragebogen während eines Zeitraums von 4-5 Wochen an alle Bürger verteilt, die das Gemeindeamt betraten, mitsamt einer kurzen Erläuterung über Sinn und Zweck und der Bitte, ihn auch wirklich auszufüllen. Die Rücklaufquote der ersten Befragung betrug sensationelle 90 Prozent, die der zweiten Befragung im Dezember 2000 ebenfalls rund 85 Prozent. Entscheidend dabei war, so Rischawy: „Wir wollten die tatsächlich erbrachte Leistung überprüfen, nicht das Image der Verwaltung an sich.“ (s. Kasten: Auszug aus der „Kundenbefragung“)

Die Ergebnisse der Kundenbefragung wurden dann in einer Plenarveranstaltung allen Mitarbeitern präsentiert. Dann definierte die Führung die sich daraus ergebenden Änderungen und Ziele, die in einem nächsten Schritt in den Abteilungsbesprechungen darauf abgeklopft wurden: Was heisst das in Bezug auf die Anforderungen an Führung und welche Veränderungen bringt das für die Mitarbeiter? In einer nächsten Runde von Mitarbeitergesprächen wurden dann bereits darauf aufbauende Ziele vereinbart und ein halbes Jahr später die nächste Kundenbefragung durchgeführt, um zu eruieren, ob die in Angriff genommenen Veränderungen bereits erste Früchte trugen. Im Gegensatz zu vielen einmalig durchgeführten Befragungen, deren Ergebnisse meistens ohne Auswirkungen bleiben, etablierte sich so in Pasching ein kreisförmiger Prozess, bei dem eine Aktion die nächste anstößt und vorantreibt.

Auszug aus der „Kundenbefragung“

(Die Antwortmöglichkeiten: trifft voll zu , trifft weitgehend zu, weder noch, trifft eher nicht zu, trifft gar nicht zu.)

     

  • Die/Der Mitarbeiter/in, die/der mich heute betreut hat, wirkte auf mich freundlich.
  • Der/Die Mitarbeiter/in brauchte nur kurze Zeit, um meine Angelegenheit zu erledigen.
  • Mir wurde von dem/der Mitarbeiter/in ein Sitzplatz angeboten.
  • Mein Anliegen wurde zum vereinbarten Zeitpunkt erledigt.
  • Alle Auskünfte wurden mir auf eine verständliche Art und Weise gegeben.
  • Wie lange mußten Sie warten, bis Ihr Anliegen bearbeitet wurde?

03.2001

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