Sand im Getriebe

Wie hoch schätzen Sie die Reibungsverluste in Ihrem Unternehmen ein? Was wäre bei gleichem Mitarbeiterstand und ohne große Investitionen noch drinnen, wenn es gelänge, all die nervtötenden Beschränkungen auszuschalten, die Management und Mitarbeiter bisher davon abhalten, das, was möglich wäre, auch zu realisieren? 10 Prozent? 20 Prozent? 30 Prozent...?

Unklare Absprachen, Grabenkämpfe, fehlende Entscheidungsvollmachten, schlechte Arbeitsmittel, eine chaotische Arbeitsorganisation und Büroaufteilung, ein fehlender Drucker und die dadurch verursachten langen Märsche durchs Haus – in jedem Unternehmen gibt es eine Unzahl großer und kleiner Störungsquellen, die Mitarbeitern täglich den Zahn ziehen und sie von effizienterer Arbeit abhalten.

Als einige deutsche Mittelbetriebe wie der Beschlägeerzeuger “Hettich” oder der Küchenproduzent “Nobilia”, die sich bereits mit Ansätzen wie TQM oder Business Reegineering für die Zukunft fit gemacht hatten, mit dem systematischen Ausräumen dieser Störungen begannen, erzielten sie innerhalb von 6-12 Monaten einen Produktivitätszuwachs von durchschnittlich 10-15 Prozent Mehrleistung bei gleicher Mitarbeiterzahl.

Wo ist noch Luft?

Am Beginn dieses von der deutschen Firma “Impuls Unternehmensentwicklung GmbH” konzipierten unternehmensweiten “Resourcing”-Prozesses steht eine an sich einfache Analyse von IST und KANN,  indem einer repräsentativen Gruppe von Mitarbeitern eine Reihe von einfachen, aber aufschlussreichen Fragen gestellt werden:

1. Wie schaut Ihre Leistung derzeit aus?

2. Angenommen, es gäbe in Ihrem Bereich keinen Sand im Getriebe, keine Ärgernisse, keine Behinderungen, wie würde die Leistung dann ausschauen?

3. Wo und wie würde sich diese Verbesserung bemerkbar machen? (Wo und wie würden die Kosten sinken? Wo und wie würden die Erträge steigen?)

Aus dieser Analyse ergibt sich eine erste Schätzung des erzielbaren Produktivitäts- und des damit verbundenen Ertragszuwachses.

On Top oder Flop

Diese Schätzung bildet den Ausgangspunkt eines halb-tägigen Info-Marktes mit der Führungsspitze des Unternehmens, bei dem konkrete Ziele und die Rolle des Top-Managements in diesem Prozess geklärt werden. Die alles entscheidende Frage: Ist die Unternehmensspitze bereit, sich selbst auf den kommenden Lernprozess einzulassen und die vereinbarten Regeln mit aller Konsequenz durchzusetzen? Nur dann geht der Prozess weiter.

Vorarbeit Führungskräfte-Coaching

Führungskräften zum hundertsten Mal ein Seminar allá “Führen in Zeiten des Wandels” aufs Auge zu drücken, wäre nicht sehr effizient. Sehr wohl aber ist es nützlich, mit dem Management zu erörtern: Wie wird hier konkret geführt? Wann wird geführt? Und vor allem auch: Was hindert Sie alles daran, Ihrer Führungsaufgabe in höherem Ausmaß nachzukommen?

Wenn das mittlere Management nur 10 oder 20 Prozent ihrer Zeit für Führung aufwenden kann, weil es den Rest seiner Zeit mit Papierkram, elendslangen Meetings oder Feuerwehreinsätzen zubringt, dann wird das Bild vom Sand im Getriebe auch für Manager schnell fassbar und emotional ansprechend. Erst wenn das Mittelmanagement für sich attraktive Perspektiven sieht, ist es mit im Boot und reif für den nächsten Schritt.

Führen heißt Leistung multiplizieren

Bereits am Tag nach diesem Führungskräftecoaching findet ein Mitarbeiter-Workshop statt, bei dem er darum geht, das Ziel der Produktivitätssteigerung einer nächsten Bewährungsprobe zu unterziehen. Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, ist die typische Antwort auf die Verkündigung von “Wir wollen X Prozent Produktivitätssteigerung” ein schlichtes “Das geht nicht!” Also lautet die logische Antwort: “Sie haben völlig recht. Bei den Schwierigkeiten, mit denen Sie momentan zu kämpfen haben, geht es tatsächlich nicht. Welche Hindernisse und Ärgernisse müssten Ihrer Ansicht nach also ausgeräumt werden, damit es doch geht? Welche Voraussetzungen müssten gegeben sein, damit Sie sagen könnten: Also unter diesen Umständen könnte ich mir das vorstellen!”

Nun gilt es, messbare und berechenbare Vorschläge zur Verbesserung der Produktivität im eigenen Arbeitsbereich zu formulieren. Sofern die Ideen nicht selbst realisiert werden können, werden sie an die zentrale Projektsteuerung weitergeleitet und von dort an diejenigen Personen delegiert, die die nötige Handlungs- und Entscheidungsmacht für die Realisierung besitzen. Im Gegensatz zu vielen “betrieblichen Vorschlagswesen” wird diese Realisierung sofort eingefordert und eingeleitet. Jeder der dabei Hilfe benötigt, erhält sie auch. Aber: Setzt jemand dann trotz Unterstützung innerhalb der vereinbarten Frist keine Taten, gibt es die gelbe Karte und eine weitere Frist. Geschieht dann immer noch nichts, folgt die rote Karte samt Versetzung oder Ausschluss aus der Mannschaft. Und das gilt für alle Hierarchieebenen.

Am Ball bleiben

Einige Wochen nach dem Mitarbeiter-Workshop findet ein “Controlling-Meeting” zur Zwischenauswertung  statt, mehrere Wochen danach gibt es eine erneute Projektauswertung mit den Führungskräften. Circa neun Monate nach dem Projektstart werden ein abschließendes Ergebnis präsentiert und die Mitarbeiter über die bisher erzielten Verbesserungen informiert. Dann gilt es, mit einer neuen Runde durchzustarten, um diesem ersten kräftigen Impuls weitere folgen zu lassen und das Erreichte zu stabilisieren.  Im Fall des Küchenherstellers “Nobilia” hieß das: Umstellung auf Teamarbeit, Änderung des Entlohnungssystems, bessere Maschinennutzung, mehr Gutteile und eine erhebliche Erhöhung der Ausbringungsmenge.

11.1999

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