Entlastung ja, Einschränkung nein

Der Leiter eines Bereichs mit rund 35 Führungskräften und 600 Mitarbeitern über gute und verbesserungswürdige HR-Dienstleistungen, offene Wünsche und die Verführbarkeit von Personalisten.

Was sehen Sie als Führungskraft als Aufgabe der HR an?

Zum einen die Hilfe bei der Suche und Auswahl von Bewerbern. Das ist eine klassische Aufgabe von HR, wo ich auch starke Unterstützung brauche, um mir eine zweite Sichtweise zu holen. Was ich auch gerne von HR hätte, was derzeit leider nicht so ist, ist Hilfe bei der Entwicklung meiner Mitarbeiter und meiner Führungskräfte. Vor allem in Richtung Persönlichkeitsentwicklung und Skills-Entwicklung, indem sie sie coachen. Denn ich bin selbst ja kein Coach, sondern "nur" Führungskraft.

Was gibt es sonst noch?

Ansprechstelle für mich bei allen Personalangelegenheiten, überall dort, weil ich nicht weiß oder unsicher bin, wie das gesetzlich genau geregelt ist. Bei solchen Fragen schnell Antworten zu bekommen, empfinde ich als gutes Service. Wobei ich es wichtig finde, dass HR da auch eine gewisse Ehrlichkeit walten lässt, d.h. nicht Anwalt einer Seite ist, sei es des Unternehmens oder der Mitarbeiter, sondern eine neutrale Position einnimmt und mir alle Seiten darlegt. Manchmal habe ich den Eindruck, HR agiert als Anwalt des Unternehmens und rückt nur die Informationen gerne raus, die im Interesse des Unternehmens sind. Aber die Mitarbeiter sind durch Betriebsrat oder Arbeiterkammer oft besser informiert als ich als Führungskraft und diese Informationslücke schafft dann Probleme.

D.h. man hat als Führungskraft oft das Gefühl, die Mitarbeiter kennen sich gut aus und wissen genau, worauf sie hinaus wollen und man selbst bewegt sich auf rutschigem Parkett.

Genau.

In welchen Situationen kommen Sie mit HR in Kontakt?

Vor allem beim Recruiting, wenn Sonderabrechnungen zu erledigen sind und beim Beenden von Dienstverhältnissen. Da erwarte ich mir von HR, dass sie auch Austrittsinterviews führen, damit man Statistiken bekommt, warum Mitarbeiter eigentlich das Unternehmen verlassen und so Schwachstellen erkennt. Das Trennungsgespräch selbst ist natürlich Sache der Führungskraft, aber strukturierte Austrittsgespräche muss jemand Neutraler machen.

Wo hilft Ihnen HR am meisten?

Derzeit leider nur bei zwei Dingen. Bei der Bewerberauswahl, da habe ich eine sehr starke Unterstützung und bei Informationen zu arbeitsrechtlichen Fragen. Das funktioniert wunderbar.

Was sind beim Arbeitsrecht typische Fragen, mit denen man als Führungskraft konfrontiert ist?

Es sind immer wieder Fragen zu Überstunden, Überstundenabrechnungen, Fragen zu Dienstreisen, zum Kilometergeld, Fragen zur Pensionierung.

Ist Personalentwicklung nicht ein Thema, auf das HR eh ganz scharf ist?

Der Wille der HR ist da, nur gibt es derzeit keine Person, die dafür abgestellt ist. Da braucht man einen Mitarbeiter, der vielleicht ein Coach ist und einmal Trainer war. Es geht nicht nur um die Organisation von Weiterbildung oder das Zwiegespräch mit einem Mitarbeiter, sondern auch um die Analyse der Situation und das Identifizieren, welche Entwicklungsschritte in einem Team, bei einem speziellen Mitarbeiter oder in einer Abteilung überhaupt notwendig wären.

HR hat immer die Vorstellung, Führungskräfte sollten sich intensiver um ihre Mitarbeiter kümmern und mehr führen. Die Führungskräfte beklagen sich hingegen über zu viel Arbeit und zu wenig Zeit und versuchen teilweise Führungsarbeit an die Personalisten abzuschieben. Wie erleben Sie das?

Das ist grundsätzlich ein Problem. Die Frage ist, woher kommt es? Einerseits ist es ein mögliches Zeichen dafür, dass man Führungskräfte hat, die gute Fachkräfte waren und dann in eine Führungsposition gehoben werden, aber vielleicht nicht immer die notwendigen Skills haben. Daher haben wir auch in den letzten Jahren sehr viel ins Thema Führen investiert und sind da inzwischen sehr fit. Zum anderen haben Führungskräfte heute tatsächlich so viele Aufgaben, dass sie ständig nach Entlastung suchen und damit natürlich immer die Versuchung da ist, das eine oder andere an die Personalabteilung zu delegieren. Erst recht, wenn die dankbar nach jedem Strohhalm greifen und damit erst ein Stück weit ermöglichen, dass sich einzelne Führungskräfte aus ihrer Verantwortung stehlen. Dazu braucht es ja immer zwei.

Was ist beim Recruiting die besondere Leistung von HR?

Das fängt damit an, mir zu helfen zu definieren, was ich überhaupt suche, indem wir zuerst die Stelle beschreiben und ein klares Anforderungsprofil erstellen. Dann kümmern sie sich um den Auftritt in den Zeitungen und die Vorauswahl. Mir werden nur mehr die fünf, sechs besten Kandidaten präsentiert, von denen die Personalabteilung glaubt, dass sie in Frage kommen könnten. Sie organisiert dann auch die Bewerbungsgespräche. Das erlebe ich als sehr angenehm, denn das erspart mir viel Zeit. Und das Gespräch selbst führen wir zu dritt.

Wie geht es Ihnen mit Standards, die vom Unternehmen vorgegeben werden? Fühlen Sie sich dadurch in Ihrer Führungsarbeit eingeschränkt?

Nein, denn dadurch dass die meisten Führungskräfte eh überlastet sind, besteht ohne Standards die Gefahr, dass sie die Führungsarbeit schleifen lassen. Daher sind Standards durchaus sinnvoll. Die Frage ist nur, wie streng das Ganze gelebt wird. Wenn die Rahmenbedingungen vorgeben werden und ich das mit meinen eigenen Inhalten füllen kann, macht es Sinn. Wenn aber diese Regeln zu eng sind und zu bürokratisch, dann wird es zum Problem.

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: