"Wir haben optimistische Aussichten"

Dr. Alfred Veider, Geschäftsführer von Thales Austria, über die Vorteile methodischen Denkens, den Wechsel vom Techniker zum Manager und Generalisten und die Leidenschaft für ein Geschäft mit Zukunft.

Welche Ausbildung haben Sie genossen?

Ich bin in Zell am See ins Gymnasium gegangen, habe dann in Saalfelden die HTL für Maschinenbau gemacht und bin von dort an die Technische Universität nach Wien, um technische Physik zu studieren. Man kann sagen, ich habe von der Grundstruktur her eine sehr gute Grundausbildung, die ich nicht missen möchte: das Gymnasium für Allgemeinbildung und Sprachen, die HTL für die bodenständige Einschätzung von Technologien – Maschinenbau wird immer wieder unterschätzt, denn man muss auch eine Ahnung haben, mit welchem Material man was umsetzen kann. Gerade das Thema Materialwissenschaften habe ich sehr verinnerlicht. Mit Physik an der TU habe ich dann sozusagen denken gelernt, denn mit so einem Studium lernen Sie eine gewisse Methodik. Man kann darüber streiten, was gute und schlechte Methodiken sind, aber Sie haben zumindest mal eine. Später, im Berufsleben, habe ich dann angefangen, betriebswirtschaftliche bzw. generelle Managementthemen zu lernen und noch einen Master gemacht.

Während des Studiums in Wien habe ich mir verschiedene internationale universitäre Kontakte nach Ungarn und nach Deutschland aufgebaut, was dazu geführt hat, dass ich das Doktorat zum Großteil in München gemacht habe. Die deutsche Forschungslandschaft ist ja sehr stark geprägt durch eine aus meiner Sicht außergewöhnlich geglückte Symbiose mit den Max Plank Instituten und der Fraunhofer-Gesellschaft. Das fehlt in Österreich ziemlich. In München bin ich noch während des Studiums mit IBM in Kontakt gekommen. Dort habe ich dann in der Schweiz, nahe Zürich, meine erste Industriestelle bekommen. IBM hat weltweit vier Labors, eines in Japan, zwei in Amerika und eines in der Schweiz. Das hat mich sehr geprägt und auch bestärkt, aus der rein universitären Anwendung doch den Schritt in die Industrie zu machen.

Worum ging es bei der Arbeit für IBM?

Man hat damals dort versucht, die Magnetspeicher für IT-Anlagen immer kleiner zu machen, bzw. immer höher zu packen. Im Grunde ging es um die Frage: Wie klein können magnetische Speichereinheiten noch werden, so dass sie das Bit noch sicher speichern können? Das war eine sehr schöne Zeit, IBM war ein sehr attraktiver Arbeitgeber. Sie hatten in der Schweiz zwei Nobelpreise in Folge gewonnen, einen für Hochtemperatur-Supraleitungen und einen anderen für die Technik des Tunnelmikroskops, wodurch man hochauflösende Bilder von Oberflächenstrukturen bis auf die atomare Ebene runter machen kann, etwas, das speziell in der Metall- und Halbleitertechnik wichtig ist. Wenn man einmal in einer privatwirtschaftlichen Forschung drinnen ist, geht man nicht mehr so leicht auf eine Uni zurück. Dann schätzt man die Möglichkeiten der Privatwirtschaft sehr.

Ihre ursprüngliche Idee war, Forscher zu werden?

Physik studiert man, um zu wissen, um zu verstehen: "Ich möchte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält". Ich hätte mir durchaus vorstellen können, wirklich in die universitäre Forschung zu gehen. Ich war aber immer schon sehr teamorientiert, und die Wissenschaften - speziell die Naturwissenschaften – sind eben vielfach über Einzelleistungen geprägt. Mein erster Schritt war also zu IBM, der nächste führte dann zu einer anderen privatwirtschaftlichen  Forschungsorganisation, Alcatel, die damals europaweit sehr stark in der Telekommunikation, also in der Halbleiter- und Übertragungstechnik und der optischen Technik, anwendungsorientiert geforscht hat. Auf diese Weise kam ich immer mehr mit Industrieanwendungen in Kontakt. Zunächst mit Prozeßsteuerung und Telekommunikations-technik, in weiterer Folge dann mit dem Sektor Transport. Mitte der 90er-Jahre begann man dort, Systeme zu vernetzen und Verkehrsmanagementsysteme aufzubauen, sowohl im Straßenverkehr als auch im Schienenverkehr.

Was war da Ihre konkrete Tätigkeit?

Sobald man in der Industrie tätig ist, merkt man sofort - und das war für mich auch ein Schlüsselerlebnis - Sie können zwar alleine große Ideen haben, aber Sie können sie nicht alleine umsetzen. Man fliegt eben nicht mit der Leistung eines Einzelnen zum Mond, das geht nicht! Das ist eben auch der Unterschied zu einem großen künstlerischen oder naturwissenschaftlichen Werk. Die Umsetzung für die breite Masse bedarf des Teamworks. Das muss man mögen, sonst tut man sich das nicht an. Mich hat das immer fasziniert, daher war der Schritt in die Industrie eigentlich ein sehr natürlicher.

Was bedeutete diese Arbeit mit anderen? Projekte?

Ja, am Beginn standen viele Projekte, wobei da auch die EU ihren Beitrag dazu geleistet hat, weil es speziell in den 90er-Jahren eine Phase gab, wo relativ viel Geld in Forschungsprojekte geschwappt ist, um die internationale Kooperation zu stimulieren und große Programme anzustoßen. Es war sicher eine gute Initiative von der EU, zu sagen: Definiert Aufgabenkreise in der Energietechnik, der Infrastruktur, der Übertragungstechnik, wo auch immer und versucht, da auch in der Anwendung weiterzukommen. Das war die erste Phase meiner Karriere, wo ich auch in solchen internationalen Projekten mitgemacht habe, als Entsandter der Alcatel, die in Wien ein Forschungszentrum unterhalten und viel an solchen Programmen mitgearbeitet hat.

Wie kam es zu Ihrer Interessensverschiebung in Richtung Verkehr? Gibt es eine Ähnlichkeit über den Grundgedanken des Netzes, der in der Telekom-Industrie ähnlich ist wie beim Verkehr?

Teilweise. Natürlich wurde darüber nachgedacht, in welche Richtung die Anwendungen gehen und da kommt man sehr schnell drauf, dass es in Richtung Vernetzung geht. Die Revolution, die das Internet beschreibt, dass die Welt immer vernetzter ist, findet ja nicht nur im Sozialen statt, sondern auch in der Technik. Im Hintergrund findet die Vernetzung von Systemen statt, die früher nie vernetzt waren. Plötzlich bekommen bislang getrennte Systeme einen „IP Stecker“ und können miteinander reden. Bei dieser Konzeption vernetzter Systeme ist eine gewisse naturwissenschaftliche Methodik außergewöhnlich nützlich. Es ist nicht so simpel, solche Konzepte zu verstehen, geschweige denn, sie gestalten zu wollen. Das zu kombinieren mit Managementskills war genau das, was mich sehr interessiert hat. Ich konnte dann zusätzlich verstehen, wie man die Arbeitsteilung im Team macht, wie man das Team voranbringt und sich bestimmte Aufgabenstellungen gibt, die man dann umsetzen kann.

Wie sind Sie da hineingewachsen? Über eine Art Projektleitung?

Ja. Ganz klassisch. Ich glaube, ich habe das ziemlich von der Pike auf gemacht. Ich habe mit kleinen Leitungsfunktionen angefangen, zunächst auf Projektbasis, weniger in der Aufbauorganisation. Projekte sind eigentlich das, was zu Beginn viel interessanter ist als eine Aufbaufunktion, weil man Projekte auf eine bestimmte Zeit definiert, ein klares Ergebnis erzielt, Erfahrungen sammeln kann und auch Erfolgserlebnisse hat. Irgendwann habe ich eine Abteilung übernommen und danach verschiedene Stationen wie Produktmanagement und Vertrieb durchlaufen. Ich habe versucht, das ganze Unternehmen kennen zu lernen, daneben dann diese Master-Ausbildung gemacht, um mich auch betriebswirtschaftlich auf Vordermann zu bringen und sobald sich eine Gelegenheit geboten hat, in eine General-Management-Rolle zu kommen, habe ich sie ergriffen.

Was hat Sie am Management gereizt? Sind knifflige Forschungsfragen nicht viel spannender?

Natürlich gibt es gute Gründe, sich mit einem spannenden Thema intensiv auseinander zu setzen. Bei mir war sicher relevant, dass ich immer ein wenig diesen „Kapitänsgedanken“ gehabt habe. Ein Schiff gut zu führen ist eine spannende Aufgabe, aber das können Sie nicht alleine. Es ist ein gutes Gefühl, den Kurs vorzugeben und die Etappen zu planen, aber Sie brauchen auch jemanden an der Vorschot, jemanden, der die Segel bedient, jemanden, der die Nachtwache hält. Sie müssen die Aufgaben aufteilen, beginnen zu delegieren, zu vertrauen, die richtigen Leute an die richtigen Positionen zu setzen und das hat auch was für sich.

Was hat Ihnen in der ersten Führungsfunktion gefallen, was ging gut und was nicht?

Was man relativ schnell lernt, ist das grundsätzliche Handwerk der Projektführung. Welche Art von Parametern man verfolgt, wie man die Ziele vorgibt, wie man sie kontrolliert, wie die Teamzusammensetzung sein soll, damit es funktioniert, etc. Womit man am Anfang – denn das steht in keinem Lehrbuch – sicher schnell überfordert ist, ist, dass man mit dem konfrontiert ist, was man "menscheln" nennt. Dass eben nicht automatisch alle an einem Strang ziehen, sondern jeder seine Agenda hat und auch seine Gründe, sich so zu verhalten. Der eine hat gerade ein Kind bekommen, der andere gerade ein Haus gebaut, der dritte will eigentlich nur mehr weg, der vierte ist wirklich engagiert und will genau das machen. Es gibt so viele Motive, die man natürlich nicht nur auf einer ganz sachlichen Ebene analysieren kann. Das macht es auch wieder spannend, wenn man versteht, dass es da um viel mehr geht als nur um den sachlichen Inhalt. Wie bringt man Leute dazu, Teil eines Teams zu sein und wie kann man die verschiedenen Interessenslagen zumindest respektieren, denn ganz unter einen Hut bringt man sie ja nie. Das war eine sehr interessante Phase, die man eigentlich während der Mittelmanagementzeit machen muss.

Wie war es dann, in ganz andere Bereiche wie Produktmanagement oder Vertrieb zu wechseln?

Das war sehr interessant. Ich bin mittlerweile ein großer Anhänger von solchen Wechseln. Zum Generalisten wird man nur, indem man es tut. Das war wie ein Berufswechsel. Unterstützt wurde das mit einem speziellen Programm bei Alcatel, zusammen mit INSEAD und anderen Business Schulen. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es für einen halbwegs vernünftig ausgebildeten Techniker, der ein wenig offen ist, jederzeit möglich ist, Wirtschaft zu lernen. Es ist für einen halbwegs vernünftig ausgebildeten Wirtschaftler hingegen praktisch unmöglich, sich nebenher eine technische Grundausbildung anzueignen. Das würde außergewöhnliche Ausdauer und Anstrengungen erfordern. Aber als Techniker daneben zu lernen, wie die Finanzen funktionieren, wie das Rechnungswesen funktioniert, wie eine Firma einen Business Plan erzeugt, wie sie die eigenen Kapitaleinsätze bewertet, das kann man lernen. Und wenn man dann noch einige Projekte macht, z.B. einen Business Plan für die Eroberung eines neuen Marktes, dann kann man das üben und bekommt vielleicht sogar die Gelegenheit, das in die Praxis umzusetzen. Dann versteht man plötzlich, wozu die Finanzabteilung da ist, wozu das Produktmanagement da ist, was der Vertrieb macht, warum man Overheads kalkulieren muss etc. Ich bin bei Alcatel auch einmal für zwei Jahre ins Headquarter gegangen, wo ich zentrale Produktstrategieaufgaben gehabt habe für das weltweite Portfolio. Ich fand es extrem nützlich, Management einmal aus dieser Perspektive zu erleben. Ich glaube, man muss einmal den Schritt tun, mit dem Eigentümer auch im Headquarter zusammen zu arbeiten. Das ist erstens eine Frage des Lebenslaufs - wenn man das nicht hat, hat man einen kleinen Makel am Weg zum General Manager - vor allem aber ist es vom Verständnis her wichtig. Der Eigentümer hat ein Recht zu wissen, was mit seinem Geld passiert und man muss dieses Verständnis auch mit entwickeln, um z.B. professionell mit Regeln, die ein Konzern vorgibt, umgehen zu können. Es gibt immer bestimmte Gründe, warum bestimmte Dinge so gemacht werden, wie sie gemacht werden. Man mag die Gründe nicht immer teilen oder willkommen heißen, aber man kann sie verstehen.

Diese Arbeit im Headquarter betrifft die Zeit vor der Aufteilung, als Alcatel in Österreich noch ein Konzern war?

Genau. Das war Anfang des Jahrtausends. Erst als die Phase begonnen hat, in der die Konzentration am Telekomsektor sehr intensiv wurde, haben die Überlegungen angefangen, wer mit wem zusammen geht und wie man das finanziert. Nach der Masterausbildung konnte ich dann in relativ kurzer Zeit den Schritt zum General Manager machen. Wichtig waren die beiden Stationen Produktmanagement und Vertrieb. Denn bis auf die Finanzabteilung habe ich alle anderen Unternehmensbereiche gesehen. Und mit der Finanz arbeitet man als Manager immer eng zusammen: für die Budgets, die Business Pläne, auch für die Angebote. Wenn man im Vertrieb ist, lernt man sehr viel vom Unternehmen, weil vieles über die Kalkulationen einfließt.

Wenn man mit Ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeit in den Vertrieb kommt, steht man da nicht relativ unbeleckt da?

Nein. Denn selbst wenn Sie in der Technik arbeiten, sind Sie für bestimmte Angebote ja unterstützend tätig. Für ein Angebot ist es nötig, technische Analysen abzugeben, das Angebot technisch auszuarbeiten, etc.  Zudem ist ja die ganze Entwicklung auf den Markt ausgerichtet, d.h. da gibt es einen engen Austausch mit dem Vertrieb. Was neu ist, wenn man aus der Technik kommt, ist, wie man am Markt und wie man vor Kunden agiert. Das kann man lernen und das war Teil der Ausbildung, zuerst natürlich relativ theoretisch. Worauf es dann ankommt, ist, wie glaubwürdig Sie dem Kunden gegenüber treten können. Da ist es in unserem Segment als Verkäufer ein echter Vorteil, mit einer soliden technischen Ausbildung und einer entsprechenden Überzeugung auftreten zu können. Sie können in unserem Markt nichts mit Folien verkaufen, am besten ist es, Sie zeigen eine Anlage, die bereits seit 20 Jahren funktioniert und noch nie ausgefallen ist. Da geht es in hohem Maß um die persönliche Glaubwürdigkeit und eigentlich kann man erst mit einem technischen Hintergrund wirklich glaubwürdig auftreten, denn sonst macht Sie das Gegenüber mit der kleinsten Frage sofort auf. So gesehen war meine technische Ausbildung und Erfahrung gerade auch im Vertrieb ein Vorteil.

In welcher Funktion waren Sie im Vertrieb und im Produktmanagement tätig?

Im Vertrieb war ich für das internationale Geschäft zuständig. Ich hatte die klare Aufgabe, das internationale Geschäft innerhalb von zwei Jahren zu verdoppeln, was wir auch geschafft haben. Es war klar, dass die Nachbarmärkte interessante Märkte sind, die man von Österreich aus bedienen kann. Vor allem Ungarn, wo wir erste große Aufträge gewonnen haben, aber auch in der Schweiz haben wir Erfolge gehabt, etwas später erste Erfolge in Bulgarien. Wir arbeiten eben wichtige östliche Nachbarmärkte von Österreich her auf. Im Produktmanagement war ich zunächst für das Portfolio am Standort zuständig. Wir haben auch eine eigene Forschung und Entwicklung (R&D), d.h. wir sind für Teile des weltweiten Portfolios in der Weiterentwicklung verantwortlich. Wir sind hier in einer Weltkompetenz-rolle, daher war die Schärfung des Portfolios von mir zu definieren. Über diese Aufgabe habe ich dann die Produktstrategie und R&D-Rolle auch im Konzern wahrgenommen. Damals gab es Alcatel Österreich, mit einem Geschäftsbereich Verkehrstechnik und ich war Geschäftsfeldleiter. Heute bin ich Geschäftsführer der Thales in Österreich, nachdem dieser Geschäftsbereich von Alcatel an Thales verkauft wurde. Als es zum Verkauf kam, war ich gerade im Headquarter in Paris und wurde dann von Thales quasi zurückgesandt als Geschäftsführer.

Wie lief der Verkauf von Alcatel an Thales ab?

Zunächst war es eine unbare Beteiligung, Alcatel hat den Bereich Verkehrstechnik als Equity in die Thales eingebracht und die Firmen agierten im Rahmen einer Industriepartnerschaft. In der Folge des parallel ablaufenden Mergers Alcatel und Lucent (ALU) hat man sich dann in der ALU entschieden, Cash zu generieren, worauf sie ihre Thales Beteiligung schließlich verkauften.

Gibt es eine ähnliche Kultur bei Thales wie bei Alcatel?

Ja sehr ähnlich. Was für uns sehr vorteilhaft war, ist, dass Thales in vielen Gebieten gute Techniken und Märkte hatte, aber nicht im Bereich Bodentransport. Normalerweise geht es bei solchen Deals sofort um Synergien, hier aber war es ein Andocken eines neuen Marktsegments. Entsprechend meinte der Konzern: Ok, zeigt einmal, was ihr könnt. Das haben wir getan und da sind wir sehr stolz darauf, denn es gibt nicht sehr viele Merger, bei denen die herein fusionierte Firma mit einem Businessplan kommt, der in der Due Diligence erarbeitet worden ist und den sie dann auch einhalten kann. Wir haben das gehalten. Das hat super funktioniert, auch deswegen, weil man uns freie Hand gelassen hat. Österreich war für Thales aus zwei Gründen interessant. Einerseits wegen dem speziellen Know-How, andererseits auch wegen dem speziellen Marktwissen. Thales war vorher in Österreich nicht besonders aktiv und im ganzen angrenzenden Segment Süd- und Osteuropa waren sie auch nicht wirklich präsent. Über unser Thales Austria bekam die Gruppe erstmals substantiellen Marktzugang. Als wir dann die ersten Zahlen auch wirklich gebracht haben, haben wir sofort ein erweitertes Mandat für Osteuropa und Südosteuropa bekommen. Gerade in unserem Markt ist vieles ohne eine lokale Präsenz im Markt nicht durchführbar. Die Installation und die Inbetriebnahme macht man mit lokalen Leuten, die man natürlich sofort in eine Struktur integriert und dann in die Höhe fährt. Ganz grob kann man sagen, es ist bei uns kein Exportgeschäft möglich, wo man nicht zumindest 50% lokalen Anteil hat. Mit dieser lokalen Wertschöpfung ist also sofort auch die Repräsentanz da. Diese Repräsentanzen müssen Sie wiederum von einem lokalen Headquarter aus steuern und diese Rolle übernehmen wir von Wien aus.

War die Übernahme der General-Manager-Funktion eine große Umstellung oder einfach ein nächster, logischer Schritt?

Die Verantwortung für eine Abteilung oder einen bestimmten Bereich zu haben, ist das eine. Die Verantwortung für eine Firma zu haben, ist schon etwas anderes. Ich würde zumindest von mir nicht behaupten, dass ich das auf die leichte Schulter genommen habe. Ich habe wie gesagt diesen Kapitänsgedanken, ich übernehme gern das Ruder, aber man ist nur so gut wie das Team, mit dem man arbeitet. Eines der ersten Dinge, die man tut, ist zu versuchen, möglichst schnell eine schlagkräftige Truppe zu formieren, die mitzieht. Einer der ersten Schritte war daher auch, die Crew zu durchleuchten, wer paßt dazu, wer nicht. Da fangen dann die ersten nicht ganz so angenehmen Aktivitäten an. Das bleibt einem als Chef einer Einheit aber nicht erspart.

Was sind die Kriterien?

Es ist ganz selten, dass man jemanden für inkompetent hält. Was aber sehr wohl passiert, ist, dass es aufgrund der verschiedenen Interessenslagen der kooperierenden Individuen zu Konflikten oder unterschiedlichen Auffassungen kommen kann, die im System selber keine Lösung haben. Wenn man das einmal sieht, weiß man, man muss sich von einer dieser Personen trennen oder sie zumindest woanders hin bewegen, damit der lokale Konflikt – z.B. dass zwei auf den gleichen Job spitzen oder eine bestimmte Entwicklung vorhaben, die einander vollkommen widerspricht – gestoppt wird. Dann muss man diesen Knoten durchschlagen und handeln, um das martialisch zu formulieren. Denn von allein pendelt sich das im System nicht mehr ein. Die Kontrahenten werden das beliebig lang hin und her spielen und solange keiner die Oberhand gewinnt, ist das nur ein ständiger Reibungsverlust.

Wann genau war der Verkauf von Alcatel an Thales?

2007 erfolgte der Wechsel von Alcatel zu Thales. Ausgehend von 2005 waren wir rund 140 MA, heute doppelt so viel, und der Umsatz hat sich ebenfalls verdoppelt. Wir haben jährlich ein knapp zweistelliges organisches Wachstum absolviert, das man als Organisation recht gut verkraften kann. Ein aufrechterhaltbares Wachstum, um sustainable mal richtig zu übersetzen. So können wir schrittweise die passenden Ressourcen aufbauen, ohne zu viel auf einmal durcheinander zu bringen. Der Schlüssel beim Wachstum ist ja profitables Wachstum, es ist keine Kunst, schnell zu wachsen, ohne entsprechenden Profit abzuliefern. Wir wachsen einerseits durch die Erschließung von Auslandsmärkten und andererseits durch die weitere Erschließung des Inlandsmarktes mit Hilfe des zusätzlichen Portfolios von Thales. Nehmen sie nur das Thema Cyber-Security, Schutzmaßnahmen für kritische Infrastrukturen, oder bei der Datenübertragung über öffentliche Netze. Das wird immer wichtiger, da ist Thales sehr stark.

Natürlich sind auch die Nachbarmärkte für uns sehr interessant, denn dort wird überall in die Infrastruktur investiert werden. Viele sind ja gespannt, was die nächste Finanzperiode der EU, 2014 bis 2020, bringen wird. Ich erwarte, dass viel Geld, welches bisher nach Spanien oder Portugal geflossen ist, dann nach Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, etc. fließen wird. Und da sind wir nahe an diesen Märkten dran. Ich bin also hier trotz aller Budgetzwänge optimistisch.

Persönlich halte ich es für sehr zukunftsträchtig, im Verkehrssektor tätig zu sein: Mobilität ist ein unbestreitbares gesellschaftliches Bedürfnis, öffentlicher Verkehr ist politisch korrekt, hat etwas mit green zu tun, man versucht beizutragen, die Welt ein wenig besser zu machen. Das alles kann ich meinen Verwandten und Freunden erklären, ohne dass ich mich dafür schämen muss. Ich sehe klar die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit dieser Aktivitäten. Das ist tatsächlich ein Verkehrsmittel, an das man glauben kann, für das es sich lohnt sich einzusetzen. Daher bin ich auch leidenschaftlich gern in dieser Branche, an einer so vielversprechenden geographischen Stelle, mit so vielversprechenden Aussichten.

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Dr. Alfred Veider, Geschäftsführer der Thales Austria GmbH