Was treibt uns an?

Schwierigkeiten mit Mitarbeitern, Kollegen oder anderen Personen resultieren oft genug aus ganz unterschiedlichen Herangehensweisen an Aufgaben, die Ihnen als Führungskraft möglicherweise unverständlich und nicht nachvollziehbar erscheinen. Diese Unterschiede erzeugen Spannungen und Konflikte und führen zu Unklarheit über Ihre Möglichkeiten als Führungskraft, Mitarbeiter zu motivieren.

Einen äußerst hilfreichen Erklärungsansatz bietet hier das Konzept des "psychologischen Hungers", das auf der von Eric Berne in der ersten Hälfte des 20-Jahrhunderts entwickelten "Transaktionsanalyse" beruht. Die Transaktionsanalyse unterscheidet drei Arten psychologischen Hungers:

Hunger nach Struktur

Nach Berne "vergeht" die Zeit nicht, sondern "wir gehen durch die Zeit". Menschen stehen vor dem Problem, ihre wachen Stunden zu strukturieren, ihre Zeit irgendwie auszufüllen. Hunger nach Struktur ist das Bedürfnis nach Orientierung und nach klaren Rahmenbedingungen. Beispiele aus dem Alltag sind Ordnungskriterien, Zeiträume und -pläne, Inhalte, Aufgaben, Richtlinien für den Ablauf, Durchführungsbestimmungen, Muss-Kriterien, Tätigkeiten Stellen- und Funktionsbeschreibungen usw.

Je nach Intensität des Wunsches gibt es: Den Wunsch nach sehr viel Struktur (Linie in der folgenden Graphik weit oben) oder den Wunsch nach viel Freiraum (Linie weit unten).

Hunger nach Akzeptanz

Eric Berne erwähnt an verschiedenen Stellen seines Werks die Beobachtungen des Entwicklungspsychologen Rene Spitz, der - wie bereits andere Forscher vor ihm - feststellte, dass Säuglinge, die keine Gelegenheit haben, Kontakt zu Beziehungspersonen aufzunehmen, in der Entwicklung zurückbleiben,  krankheitsanfällig werden oder sogar ohne erkennbare Organerkrankungen sterben.

Hunger nach Akzeptanz ist das Bedürfnis, in Beziehungen angenommen zu werden und eine Reaktion des Gegenübers zu erleben. Inhalte dieser Dimension sind Kontaktbedürfnis, Blickkontakt, Eingehen der anderen auf meine Worte, Handlungen, Verhaltensweisen, Anerkennung, Lob, Bestätigung, Gespräche, "Wissen", woran man beim anderen ist usw.

Ja nach Ausprägung dieses Bedürfnisses gibt es: sehr starke Bedürfnisse, akzeptiert zu sein (Linie im oberen Bereich); das Bedürfnis, Beziehungen und Kontakte als passend und sinnvoll zu erleben (Mittelbereich) oder das Bedürfnis, alleine zu sein, somit kaum Kontakt, Beziehung, Anerkennung zu benötigen (Linie im unteren Bereich).

Hunger nach Anreiz:

Wer von jedem sinnlichen Reiz abgeschirmt wird, also z.B. durch bestimmte Maßnahmen davon abgehalten wird, irgend etwas zu sehen, zu hören, zu tasten, zu riechen oder zu schmecken, zeigt im allgemeinen nach zwei Tagen krankhafte seelische Zustände wie z.B. Halluzinationen. Gefangene fürchten nichts so sehr wie Isolierhaft über längere Zeit, eine Art Folter.

Impulse oder Stimulanz meint das Bedürfnis, aktiv und verändernd tätig werden zu wollen. Beispiele im Leben dafür sind Neugierde, Impulse geben, etwas Anderes/Neues tun wollen, Abwechslung haben, nicht immer dasselbe tun wollen, Veränderungsvorhaben, Ziele für Umorientierung, Umorganisation, Aktivitäten, die herausfordernd sind, Spontanität usw.

Je nach Intensität der Bedürfnisse nach Anreizen heißt das: immer wieder etwas Neues wollen, stark auf Impulse aus sein (Linie im oberen Bereich), Neuerungen und Ideen als interessant erleben, aber auch Gewohntes eine Zeit lang machen (Mittelbereich) oder lieber bei Gewohntem bleiben, Veränderungen als Kraftaufwand und nicht notwendig erleben (Linie im unteren Bereich).

Beispiel: psychologischer Hunger

Im obigen Beispiel entspricht die eigene Einschätzung, beispielsweise eines Mitarbeiters, der durchgezogenen Linie. Sie kann mit einer Fremdeinschätzung, z.B. eines Kollegen oder der Führungskraft, verglichen werden (der strichlierten Linie). Im Beispielsfall hat der Mitarbeiter ein wesentlich höheres Akzeptanzbedürfnis, jedoch ein wesentlich geringeres Anreizbedürfnis, als dies der Fremdeinschätzer vermuten würde.

 

Vorgehen: Welche inneren Beweggründe habe und brauche ich?

Eine Möglichkeit, mit diesem Ansatz zu arbeiten, könnte sein, vorzuschlagen, dass einmal alle Beteiligten – zuerst jeder für sich – das Blatt ausfüllen und in einem zweiten Durchgang von jeweils einer anderen Person in der Runde eine Fremdeinschätzung machen lassen.

 

Im folgenden Schritt werden die Ergebnisse gemeinsam besprochen, hinterfragt und in Hinblick auf die derzeitige Situation analysiert. (z.B. "Sehen wir irgendeinen Zusammenhang zwischen den hier deutlich gewordenen unterschiedlichen Bedürfnissen und den zeitweise auftretenden Kommunikationsproblemen?").

 

Im letzten Schritt geht es darum, Möglichkeiten in Bezug auf die Ausgangsfrage herauszuarbeiten ("Was könnten wir tun, anpassen, verändern, um den unterschiedlichen Bedürfnissen besser gerecht zu werden und was sind hierfür die konkreten ersten Schritte?")

 

Ziel ist besseres Verständnis für die eigene Motivation (und die eigene Unzufriedenheit) und für das bisherige Nichtgreifen von Aktivitäten zur Motivation anderer ("Warum reagieren die nicht auf diese Anreize?").

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