Morgen noch beschäftigungsfähig?

Ende der 90er-Jahre entwickelte die Deutsche Bank das „Mosaik für Beschäftigung“, um Unternehmen und Mitarbeiter bestmöglich auf die sich anbahnenden Veränderungen in der Arbeitswelt vorzubereiten. Ein Langzeitprojekt mit ersten Erfolgen.

Die Erklärung des Vorstands schlug ein wie eine Bombe. Im Zuge eines großangelegten Restrukturierungsprogramms im Jahr 1997 sollten bei der Deutschen Bank AG 4.500 Arbeitsplätze abgebaut werden, rund 10% der Belegschaft in Deutschland. Über mehrere Jahre zwar und zum größten Teil mittels natürlicher Fluktuation, Vorruhestandsregelungen, internen Versetzungen und - im raren Fall einer tatsächlichen Kündigung - mit generösen Abfertigungen. Dennoch - bislang war Mitarbeiterabbau dieser Größenordnung in einer Institution wie der Deutschen Bank undenkbar gewesen. Der Schock saß tief.

Heinz Fischer, kurz zuvor als neuer Bereichsleiter Personal in den Konzern gekommen, beauftragte im Zuge dieser Restrukturierung ein Projektteam damit, neue, kreative Instrumente zu entwickeln, um einerseits kurzfristig den vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Mitarbeitern bei der Entwicklung neuer Perspektiven zur Seite zu stehen und um andererseits mittelfristig – den sich abzeichnenden Veränderungen in der Arbeitswelt Rechnung tragend – den Employability-Gedanken im Unternehmen stark zu forcieren.

Arbeitsverhältnisse alter Prägung sind passè

Einer der ersten Schritte war denn auch, diese Botschaft klar zu transportieren: „Kein Unternehmen ist heute mehr in der Lage, seinen Angestellten gleich welcher Qualifikation einen lebenslangen Arbeitsplatz zu garantieren. Ersetzt werden kann diese bisher empfundene Sicherheit durch das Versprechen, alles zu tun, um die Beschäftigungsfähigkeit jedes Einzelnen zu fördern.“ Nachzulesen war das in der Broschüre „Neue Zeiten erfordern neue Weg“, die im Frühjahr 1999 an alle Mitarbeiter versandt wurde. Der Folder beschrieb den Ansatz und die einzelnen Bausteine des „Mosaiks für Beschäftigung“ und sorgte intern für gehörige Unruhe. Nicht zuletzt deshalb, weil den Mitarbeitern damit noch einmal eindrücklich vor Augen geführt wurde, dass der Konzern zwar auch in Zukunft noch eine Menge Arbeit würde anbieten können, es aber an der Zeit war, sich von der Idee eines fixen, lebenslangen Arbeitsplatzes zu verabschieden. Unterstrichen wurde dies durch einen Selbsttest am Ende der Broschüre, bei dem jeder Mitarbeiter anhand eines Fragenkatalogs überprüfen konnte, wie es um seine Beschäftigungsfähigkeit jetzt und in Zukunft bestellt war.

Viele der im DB-Mosaik gebündelten Aktivitäten und Instrumente waren zwar nicht gänzlich neu, mit ihrem  ganzheitlichen Konzept ist die Deutsche Bank jedoch vielen anderen Unternehmen voraus. Unterteilt werden die Mosaiksteine in beschäftigungssichernde Maßnahmen innerhalb des Konzerns, Bausteine, die in neue Tätigkeiten außerhalb des Konzerns münden und in einige, die beide Optionen beinhalten. Die wichtigsten der mittlerweile über 20 Bausteine sind:

Intrajob

Intrajob ist ein konzernweiter Stellenmarkt im Intranet, der jedem Mitarbeiter direkten Zugriff auf alle weltweit offenen Stellen der Deutschen Bank ermöglicht. Wer immer daran interessiert ist, kann die Angebote nach Berufsfeldern, Unternehmensbereichen oder örtlichen Präferenzen selektieren, sich automatisch über neue, vordefinierte Angebote informieren lassen, mittels E-Mail nähere Informationen einholen oder sich direkt via standardisiertem Profilbogen bewerben. Genauso aber können Mitarbeiter auch selbst eigene anonymisierte Stellengesuche platzieren – weltweit – worauf wiederum interessierte potenzielle Vorgesetzte antworten können.

Was auf den ersten Blick einfach klingt, stieß zu Beginn durchaus nicht nur auf Zustimmung. Viele Führungskräfte waren alles andere als begeistert von der neuen Transparenz und hatten Sorge, gute Mitarbeiter zu verlieren. Ein Jahr nach Einführung war das Instrument zwar breitflächig akzeptiert, zu Beginn war das klare und eindeutige Bekenntnis des Konzernvorstands zu dieser Maßnahme aber durchaus hilfreich.

Dieser interne Stellenmarkt unterstützt die Mitarbeiter aber nicht nur in der Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung für ihre berufliche Entwicklung, er erhöht nicht nur die Transparenz des internen Marktes erheblich. Vor allem ermöglicht er es dem Einzelnen, auch jenseits aktueller Veränderungswünsche ein Gefühl zu bekommen für aktuelle Anforderungsprofile und so seine eigenen Kompetenzen gezielter auf ihre Markttauglichkeit zu überprüfen und weiter zu entwickeln. Und natürlich „motiviert“ er Führungskräfte ein Stück weit, für Arbeitsbedingungen zu sorgen, die gewährleisten, dass ihnen die guten Mitarbeiter erhalten bleiben. Zwei weitere, nicht unwichtige Nebeneffekte dieses Instruments waren eine erhebliche Bescheunigung und eine qualitative Verbesserung des internen Rekrutierungsprozesses.

Bankforce

Bankforce ist eine Abteilung des zentralen Personalbereichs und agiert als konzerninternes Zeitarbeitsunternehmen. Die aus gesamt Deutschland rekrutierten Mitarbeiter werden bundesweit in zeitlich befristeten Projekten oder im Rahmen von Vertretungseinsätzen und Sonderaktionen tätig.

Um schon von Beginn an der Gefahr entgegenzuwirken, als „Ausgedinge für nicht mehr benötigte Mitarbeiter“ punziert zu werden, haben nur Mitarbeiter mit klar definierten Kompetenzen die Chance, zu dieser Taskforce zu stoßen. Gefragt sind u.a. Lust auf neue Herausforderungen und die Erweiterung des Erfahrungshorizonts, bestimmte Ausbildungen und Leistungsbeurteilungen, bundesweite Mobilität und eine ausgeprägte Kontakt- und Teamfähigkeit. Zielsetzung ist, sich nach einigen temporären Einsätzen wieder für ein festes Tätigkeitsfeld im Konzern zu entscheiden, also nicht dauerhaft in dieser Taskforce zu bleiben. Die einzelnen Einsätze dauern zwischen ein und sechs Monaten, die durchschnittliche Verweildauer bei Bankforce beträgt ein Jahr. Gestartet wurde das Projekt mit zwei bis drei Personen, zu denen sich schrittweise weitere Mitarbeiter gesellten. Mittlerweile hat sich die Qualität der Bankforce-Mitarbeiter herumgesprochen, und die Nachfrage von Führungskräften nach diesen „Zeitarbeitern“ übersteigt das Angebot um ein Vielfaches. Das weit über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinausreichende Signal heißt: Mobilität und Flexibilität sind gewollt und werden gefördert!

Bankpower

Während Bankforce als internes Zeitarbeitsunternehmen fungiert und die Mitarbeiter weiterhin Angestellte der Deutschen Bank bleiben, ist Bankpower als Joint Venture zwischen Deutscher Bank und Manpower ein rechtlich selbständiger Zeitarbeitsspezialist für Finanzdienstleister. Für strukturbedingt ausscheidende Mitarbeiter besteht hier die Möglichkeit, unter besonderen Vertragsbedingungen zu Bankpower zu wechseln. Durch die hohe Abwerbungs- und Vermittlungsquote und das flächendeckende Netz von Manpower bietet das Instrument gerade auch für ältere oder regional gebundene Mitarbeiter gute Perspektiven, indem es eine Brücke baut zu neuen Jobs in die Finanzabteilungen von Firmen anderer Branchen oder bei anderen Finanzdienstleistungsunternehmen. Das Signal hier: Selbst wenn wir uns von Mitarbeitern trennen müssen, wir lassen sie nicht im Regen stehen.

Berlin-Modell

Das Berlin-Modell bietet Mitarbeitern, deren aktuelle „Marktfähigkeit“ Probleme aufwirft, umfassende Umschulungsprogramme innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die bis zu zwei Jahren dauern. Für diese Zeit garantiert die Bank den bisherigen Netto-Monatsverdienst, wobei ein Teil der Abfertigung zur Finanzierung des Programms verwendet wird.

DB Management Support

Die Tochtergesellschaft DB Management Support bietet Führungskräften und Spezialisten, für die Frühpensionierung oder Altersteilzeit kein Thema ist, die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Teilzeit-Manager einzusetzen. Je nachdem wo ihre Kompetenzen gerade benötigt werden, arbeiten sie als Consultant, Coach oder Interims-Manager innerhalb oder außerhalb des Unternehmens. Auf Basis einer Grundversorgung durch die Deutsche Bank plus einem Beratungshonorar bestimmen diese Personen selbständig, wie stark sie sich zeitlich engagieren möchten, bei Wunsch auch über das Alter von 65 Jahren hinaus.

Der erste Schritt ist der schwerste

Neben vielfältigen Angeboten, die bei aktuellen Restrukturierungsmaßnahmen  Alternativen bzw. Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz innerhalb oder außerhalb der Bank bieten, ist das Hauptaugenmerk des „DB-Mosaiks für Beschäftigung“ jedoch darauf gerichtet, einen generellen Bewusstseinswandel auf breiter Basis zu initiieren. Gerade weil die Tendenz besteht, das Thema Beschäftigungsfähigkeit gedanklich immer wieder wegzuschieben – umso mehr dann, wenn man von der aktuellen Strukturveränderung nicht direkt betroffen ist – bringen die vielen, ineinandergreifenden Maßnahmen dieser Initiative das Thema immer wieder aufs Tablett. Manchmal braucht es dazu aber auch nur eines kleinen Anstoßes von außen.

Als vor rund 2 Jahren plötzlich eine mögliche Fusion mit der Dresdner Bank im Raume stand und mit einem Mal wohl jeder einzelne Mitarbeiter über seine Joboptionen nachdachte, schnellte das Interesse am Thema sprunghaft nach oben. Einmal mehr wurde klar, dass die Fixierung auf einen bestimmten Arbeitsplatz  – das habe ich gelernt, das will ich machen und nur das kann ich – die Optionen enorm verringerte, während andererseits bestimmte Kompetenzen vielfältige Einsatzmöglichkeiten zuließen. Die Fusion kam nicht zustande, dennoch ging ein Ruck durchs Unternehmen und die Employability-Diskussion erhielt neue Energie.

„Die gewünschte Kompetenzerweiterung“, erläutert Ralf Brümmer, Leiter des Ressorts Personal / Beschäftigungsmodelle, „geschieht nicht schlagartig oder spektakulär. Z.B. haben wir den Baustein Job Bits geschaffen, eine Art Marktplatz für Kleinaufgaben, der insofern Eigeninitiative fördert und belohnt, als hier Mitarbeiter Tätigkeiten, die sie besonders gerne und gut machen bzw. öfter anwenden wollen, anbieten können. Z.B. kann eine Mitarbeiterin besonders angetan davon sein, tolle Powerpoint-Präsentationen zu kreieren, eine andere hat Spaß daran, Veranstaltungen zu organisieren. Das kann man hier ausschreiben und wer Bedarf hat, kann auf diese Ressourcen zurückgreifen.“

Klar ist, dass dieser Bewusstseinswandel lange dauert und nicht friktionsfrei verläuft, klar ist auch, dass viele Mitarbeiter von diesen Botschaften frustriert sind und den früheren Sicherheiten (auch um den Preis einer eher einseitigen Abhängigkeit) nachtrauern. Gleichzeitig zeigt sich aber schon heute, dass diese vielfältigen Versuche, neue Antworten zu finden, auch honoriert werden, dass die Mitarbeiter bei jeder neuen Strukturveränderung besser vorbereitet zu sein scheinen, dass sich positive Effekte für die Geschwindigkeit und Qualität von Changeprozessen einstellen. Das allein spielt die Investitionen schon zigfach wieder herein. Vom Image als attraktiver Arbeitgeber in Zeiten eines zunehmenden „war for talent“ einmal ganz abgesehen.

06.2002

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