Wie energetisiert man Unternehmen?

In jedem Unternehmen steckt eine Menge positiver Energie, auch wenn sie mitunter gut verborgen ist. Ansätze wie Appreciative Inquiry oder Reteaming weisen den Weg, dieser Energie zum Durchbruch zu verhelfen.

Bei einem Vortrag in Wien veranschaulichte der Trainer und Autor Marco von Münchhausen den zentralen Gedanken dieses Artikels anhand eines einfachen Experiments. Bevor Sie diesen Text weiterlesen, halten Sie daher bitte kurz inne und absolvieren Sie den kurzen Selbsttest.

Fällt Ihnen an den folgenden Rechnungen irgend etwas auf?

25-4=21    5+7=12

7+12=19   18+15=33

13+9=22    23-4=19

17-3=13    25+7=32

35-23=12   7+26=33

Was ist Ihnen an diesen Rechnungen aufgefallen? Wenn es Ihnen so gegangen ist wie unzähligen Testpersonen vor Ihnen, dann lautet Ihre Antwort: "Eine Rechnung ist falsch." Das frappierende daran ist: 100% der Befragten antworten entweder mit: "Eine Rechnung ist falsch" oder mit: "Da ist ein Fehler." Keiner, absolut keiner jedoch sagt: "Neun Rechnungen sind richtig."

Ausgangspunkt Wahrnehmung

So simpel das Experiment auch ist, so eindrucksvoll belegt es, wie stark wir alle darauf konditioniert sind, unsere Wahrnehmung ständig darauf zu richten (und oft genug darauf zu reduzieren), Fehler zu finden und vor allem das zu bemerken, was uns unangenehm auffällt, was nicht funktioniert. Wir streichen gedanklich ständig rot an, was falsch ist, statt grün zu unterstreichen, was richtig ist. Diese Präferenz für alles "Problematische" hat enorme Auswirkungen auf unsere Arbeit. Sie prägt den Kommunikationsstil im Unternehmen, beeinflusst massiv die Art und das Ausmaß der Kooperation und bestimmt damit das Klima und Energieniveau im Unternehmen.

Unsere Wahrnehmung, das worauf wir schauen, ist die Basis unserer Einschätzung einer Situation und die wiederum ist die Grundlage unseres Handelns. So wie unser Schulsystem Lehrer darauf trimmt, Fehler zu entdecken, trainiert das Selbstverständnis als "Problemlöser" Führungskräfte darauf, vor allem die möglichen problematischen Aspekte einer Situation zu sehen. Die dann folgende "Problemanalyse" wiederum trainiert Mitarbeiter, in Deckung zu gehen, Schuld abzuwälzen und Verantwortung zu vermeiden. Entsprechend schaut die betriebliche Kommunikation aus. Die überwiegende Zahl der Gespräche dreht sich um drohende oder aktuelle Probleme (und vergisst allzu häufig das, was gut funktioniert) und um Konflikte (während die vielen gut funktionierenden Kooperationsbeziehungen quasi als "Normalfall" unter den Tisch fallen). Die über informelle Kanäle weiter gegebenen Geschichten ("Hast Du schon gehört.....?") handeln vorwiegend von unerfreulichen Vorkommnissen.

Einseitige Kommunikation

Entsprechend schwer tun sich Manager damit, die viel gepriesene "Aufbruchstimmung" zu erzeugen. Dabei gibt es bereits einige Ansätze, die frappierende Ergebnisse erzielen und Einzelnen ebenso wie ganzen Unternehmen einen richtigen Energieschub verpassen können. Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dort anzusetzen, wo "Probleme" ihren Anfang nehmen: bei der eigenen Wahrnehmung, der eigenen "Konstruktion von Wirklichkeit". Drei solche Ansätze sind: Appreciative Inquiry, am ehesten übersetzt mit "wertschätzende Untersuchung", Reteaming sowie die Fish-Philosophie. So sehr sie sich im Einzelnen auch unterscheiden, weisen sie doch einige wichtige Gemeinsamkeiten in den zugrundliegenden Annahmen auf:

Fragen weisen die Richtung

"Was ist Kommunikation anderes als Energieaustausch", beschreibt Dr. Ruth Seliger von der Beratungsfirma Train eine der zentralen Ideen. Je nachdem, wie und worüber geredet wird, tauscht man "giftige", negative oder "heilende", positive Energie aus. Die beste Möglichkeit, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit im Unternehmen in Richtung positiver Energie zu lenken, ist der daher eine bestimmte Art von lösungs- und ressourcenorientierten Fragen. Denn es macht einen großen Unterschied, ob man als Manager bei einem Problem Fragen stellt in Richtung "Wie ist das passiert? Wer hat das verbockt?" oder ob man fragt: "Wie soll es sein? Was wäre denn eine für alle Beteiligten attraktive Lösung? Wann ist uns das in ähnlichen Situationen früher schon einmal gelungen? Was genau haben wir damals getan? Was davon könnten wir jetzt wieder machen?" Statt eines Angriffs auf Menschen kommt es zum in Angriff Nehmen einer gewollten Zukunft.

Aus Erfolgen lernen

Der weit verbreiteten Hypothese, dass man "am besten aus Fehlern lernen könne" stellen diese Ansätze die Hypothese entgegen, dass Fehleranalyse immer einher geht mit Schuldzuweisungen, Angst, Scham und Rückzug. Zoomt man hingegen von dem Problem weg, wird bei Betrachtung "des Umfelds" schnell sichtbar, dass es trotz dieses (nach wie vor vorhandenen) Problems eine Menge genauso reale Situationen (in der Abteilung, im Unternehmen, im eigenen Leben) gibt, die gut funktionieren, die gelungen sind, auf die man stolz sein kann. Das führt nicht nur zu einer ausgewogeneren Sichtweise ("es ist doch nicht alles schlecht"), es ist ebenso wie der bewusste Blick auf vorhandene Resourcen auch eine Form der Wertschätzung und Anerkennung, die Anspannung vermindert und einen deutlich spürbaren Zuwachs an Selbstvertrauen, Motivation und Engagement der Beteiligten zur Folge hat.

Haltung schlägt Methodik

Jede dieser Methoden fußt auf einer bestimmten Grundhaltung, die der Methode erst ihre Wirksamkeit verleiht. Mag. Sonja Radatz vom Institut für systemisches Coaching und Training: "Nicht jeder, der systemische Fragen stellt, ist deswegen gleich ein Systemiker. Damit will ich sagen: Wenn nur eine neue Methode angewandt wird, ohne dass die eigene Haltung dazu passt, dann wird das von den Mitarbeitern schnell entlarvt. Zuerst muss man die Methode auf sich selbst anwenden: Was bedeutet es für mich als Führungskraft, wenn ich lösungsorientiert denke? Wo spießt es sich vielleicht mit bisherigen Überzeugungen, was heißt das für mein konkretes Verhalten? Wo ist es stimmig, wo nicht?"

Neugier, Freude, Respekt

Ob Konzentration darauf, was Organisationen in ihren besten Zeiten lebendig hält oder die Untersuchung ihres "positiven Kerns" – der Stärken, Fähigkeiten, Kompetenzen, Resourcen etc. – oder die Suche nach kraftvollen, ermutigenden, positiven Geschichten, all diese Blickwinkel zeigen konkrete Möglichkeiten, die besten Seiten im Menschen und Organisationen zum Vorschein zu bringen.

Vor allem aber demonstrieren sie eindrucksvoll, wie rasch und einfach positive Veränderungen bewirkt werden können, wenn sich Menschen mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung begegnen. Da es in unseren Breitengraden zwar völlig normal erscheint, stundenlang über Probleme zu lamentieren und über andere zu schimpfen, die meisten aber sofort verstummen, wenn es darum geht, etwas zu finden, was wir an den anderen Personen schätzen, sind diese Ansätze so wert- und kraftvoll.

Autor: Peter Wagner

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