Stabile Beziehungen in schnelllebigen Zeiten

Neu aufgebaute Mentoringbeziehungen im Management der Beko GmbH erwiesen sich als wichtige Stütze in einer turbulenten Zeit.

Die Vorgeschichte

Die Firma Beko, Ing Kotauczek GmbH, ist ein großer österreichischer EDV-Dienstleister mit derzeit rund 700 Mitarbeitern und zwei Geschäftsbereichen: dem Bereich "Engineering" und dem Bereich "Informatik". Zu Beginn des Jahres 2001 beschloss das Management des Bereichs "Informatik", ein Programm mit dem Titel "Power to lead" durchzuführen, an dem sämtliche Führungskräfte dieses Bereichs – insgesamt rund 50 Manager – teilnehmen sollten.

Das Programm wurde offen ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt schließlich ein Gemeinschaftsprojekt von Karl Kaiblinger von "Achieve Global" und Susanne Schmölz-Walzek von "Competency Center".

Das Programm "Power to lead"

Erstes Kernelement des Konzepts war eine Seminarreihe, bestehend aus zwei dreitägigen Kernmodulen, die um weitere, frei wählbare Seminarmodule ergänzt wurden. Begleitend dazu gab es zwei "Zusatzschienen", einerseits Coaching, andererseits Mentoring. Jede Führungskraft hatte eine bestimmte Zahl an Coachingstunden zur Verfügung, die sie nach eigenem Gutdünken buchen konnte, um sich bei der Umsetzung des in den Seminaren Gelernten im Führungsalltag unterstützen zu lassen. Dazu gesellte sich ein Mentoringprogramm mit der Zielsetzung, die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch zwischen den Führungskräften im Haus zu verbessern. Der Seminarteil lag in den Händen von Achieve Global, Mentoring beim Competency Center und das Coaching in den Händen beider.

Das gesamte Programm lief in fünf Durchgängen a 10 Teilnehmern, die im Monatsrhythmus hintereinander starteten. Die Teilnehmer der beiden ersten Durchgänge waren als künftige Mentoren vorgesehen, die Teilnehmer des dritten Durchgangs zuerst als Mentees und in späterer Folge selbst als Mentoren, die Teilnehmer der beiden letzten Durchgänge als Mentees. Zentrale Auswahlkriterien für die Mentoren waren entsprechend der Zielsetzung des Programms die langjährige Erfahrung im Unternehmen und die Vertrautheit mit der Kultur, den Spielregeln, den Prozessen usw.

Die ersten Schritte

Bei der Kick-Off-Veranstaltung des Programms im August 2001 wurde den Führungskräften Mentoring mit seinen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten erstmals vorgestellt, worauf diese dann die ihren Zielen entsprechende "Variante" als Grundlage für den weiteren Prozess auswählten.

Der nächste Mentoring-Schritt bestand in einer eintägigen Veranstaltung im Anschluss an das zweite Seminarmodul. Nach einer kurzen Einführung (was ist Mentoring, was kann es leisten etc.) erhoben die Teilnehmer ihre eigenen bisherigen Erfahrungen mit früheren Mentoren-Figuren, destillierten daraus Kennzeichen und Verhaltensweisen eines guten, nützlichen Mentors und erarbeiteten so ihre eigenen Rollenmodelle von Mentor und Mentee: Was zeichnet aus unserer Sicht einen guten Mentor aus, was macht eine gute Mentoring-Beziehung aus? Dem folgte die erfolgskritische Frage des "Matching": Wie finden Mentor und Mentee zusammen? Auch hier wurden von der Beraterin wieder mehrere mögliche Varianten präsentiert, samt Vor- und Nachteilen, Chancen und Risiken, worauf die Gruppen darüber diskutierten und eine Entscheidung fällten.

Die Philosophie

Die zugrundliegende Beratungsphilosophie könnte man so beschreiben: Statt als Experten für Mentoring aufzutreten und ein fertiges Konzept "überzustülpen" -  beginnend bei der Definition "Mentoring heißt: .." bis hin zu festlegten Vorgangsweisen "die beste Zuordnung der Mentoring-Paare ist erfahrungsgemäß folgende...." - sahen die Berater ihre Rolle vor allem darin, den Prozess zu strukturieren und zu steuern. Das passierte einerseits, indem zwar immer wieder auf die Reihenfolge und Bedeutung einzelner Schritte hingewiesen wurde - "wichtig ist zu Beginn eine Auseinandersetzung der Teilnehmer damit, was sie selbst unter Mentoring verstehen, was ihnen selbst dabei wichtig ist, ebenso eine klare Abgrenzung von 'Protege', aber auch vom Coaching, um die eigene Rolle klarer zu bekommen" - andererseits wurden aber von BEraterseite keine inhaltlichen Vorgaben und Festlegungen getroffen, sondern nur Möglichkeiten und Varianten aufgezeigt.

Diese Varianten wurden dann von den Teilnehmern ausführlich diskutiert und schließlich entschieden. So sprachen sich die Führungskräfte etwa dafür aus, dass die Steuerungsgruppe des Programms anhand zuvor gemeinsam festgelegter Kriterien eine erste Grobzuteilung der Paare treffen und diese dann den Mentees vorlegen sollte. Diese sollten die Möglichkeit haben, der Zuordnung zuzustimmen oder auch einen Wechsel beim Mentor vorzunehmen. Die Mentoren wären mit jeder Entscheidung der Mentees einverstanden.

Die Zuordnungskriterien waren jedoch nicht personenbezogen - wie soll der Mentor oder der Mentee sein – sondern beziehungsgerichtet: Wie soll die Beziehung sein? Aus dem heraus ergaben sich bei Beko u.a. die Kriterien: der Mentor sollte älter sein als der Mentee, er sollte länger im Unternehmen sein, die Kultur besser kennen....

Krisenfeste Beziehungen

Schritt für Schritt entwickelten die Führungskräfte von Beko ihr eigenes, auf ihr Unternehmen, ihre Kultur und ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Best-Practise-Modell, statt einem von außen vorgegebenem Schema zu folgen. Wichtig auch: Die Teilnahme am Mentoring war allen Beteiligten freigestellt. Würde also das erste Gespräch zwischen Mentor und Mentee ergeben, dass kein Wunsch nach Mentoring bestünde, dann bliebe es eben bei diesem einem Gespräch.

Auch für dieses erste Gespräch gab es von Seite der Beraterin mehrere Vorschläge, z.B. in Hinblick auf die Punkte, die im Erstgespräch zwischen Mentor und Mentee angesprochen und vereinbart werden könnten. Ob und was davon vereinbart wurde, blieb jedoch wiederum den Beteiligten überlassen.

Kurz nachdem die Lernseminare absolviert, die ersten Coachings vorbei und die Mentoring-Beziehungen etabliert waren, rutschte Beko in die Krise und war gezwungen, Mitarbeiter abzubauen. Insgesamt etwa 120 Personen, davon ca. 15 aus dem Kreis der 50 Führungskräfte. Damit änderten sich antürlich auch die Inhalte der Mentoring-Gespräche. Plötzlich ging es um den Umgang mit Change-Prozessen, um das Führen von Kündigungsgesprächen und/oder das Finden eigener neuer Perspektiven.

So unerfreulich diese Situation auch war, die stützende Funktion von Mentoring erwies sich als hier als großer Vorteil. So meinte eine der betroffenen Führungskräfte über seine Erfahrung in dieser Zeit: "Solange du noch im Unternehmen bist, hast du wenigstens jemanden, mit dem du darüber reden kannst. Du hast einen Gesprächspartner, der mit einem vorbereitend agiert. Das hat mir sicher sehr geholfen."

Die ursprünglich geplanten, weiterführenden Seminare wurden zwar krisenbedingt gestoppt, die noch nicht aufgebrauchten Coaching-Stunden ebenfalls, die Mentoring-Beziehungen bestehen hingegen bis heute weiter. Selbst zwischen Mentoring-Paaren, bei denen einer der Beteiligten gar nicht mehr im Unternehmen ist und ungeachtet der Tatsache, dass die Steuerungsgruppe sich schon längst wieder aufgelöst hat.

Autor: Peter Wagner

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