Streiten kostet

Zusammengefunden in gegenseitiger Zuneigung, auseinandergegangen in wildem Streit. Das ist bei geschäftlichen Beziehungen oft nicht anders als bei privaten. Wenn solche Konflikte erst einmal eine bestimmte Eskalationsstufe erreicht haben, dann sind in aller Regel auch hohe Gerichts- und Anwaltskosten nicht mehr weit. Einen Ausweg aus der Misere bietet immer öfter „Mediation“, ein Verfahren zur vor- oder außergerichtlichen Konfliktbeilegung.

An möglichen Konfliktthemen herrscht in Unternehmen fürwahr kein Mangel. Ob sich zwei Führungskräfte einen Privatkrieg liefern, der droht, das ganze Unternehmen in Mitleidenschaft zu ziehen, ob sich Kunden- und Lieferantenunternehmen über die Ursachen einer mangelhaft erbrachten Leistung streiten, ob Junior und Senior sich über Zeitpunkt und Art der Übergabe im Familienunternehmen im Clinch liegen, oder ob sich ein Unternehmen in seiner Existenz bedroht fühlt, weil die Bewilligung eines wichtigen Bauauftrags durch ständige Einsprüche der Anrainer verzögert wird, in vielen Fällen tendieren unterschiedliche Standpunkte dazu, sich im Lauf der Auseinandersetzung immer weiter zu verhärten. Jeder fühlt sich im Recht, der Ton wird immer schärfer, die Positionen immer festgefahrener und am Ende steht oft genug der etwas resignierende Satz: Dann klären wir das eben vor Gericht!

Streiten kostet Zeit und Geld

Abgesehen von den beträchtlichen Kosten – bei einem Streitwert von 500.000,-  Euro kann man schnell mit 20.000,- Euro Gerichtskosten rechnen – haben Gerichtsurteile einen weiteren großen Nachteil: Auch wenn scheinbar einer gewinnt, steigen im Endeffekt beide Parteien als Verlierer aus. Denn für eine durch den Streit zwar belastete, aber an sich für beide Seiten wichtige Geschäftsbeziehung bedeutet so ein Urteil meist „ das endgültige Aus“. Der dadurch entstandene Schaden für die Unternehmen ist dann oft viel größer als derjenige, um den vor Gericht gestritten wurde.

Große Unternehmen haben aufgrund dieser Erfahrungen bereits begonnen umzudenken. So konnte etwa Motorola durch den Einsatz von Mediatoren seine Anwaltskosten angeblich bereits um 75% senken. Toyota verringerte binnen weniger Jahre die Zahl anhängiger Gerichtsverfahren von beinahe 200 auf drei. Aber auch in Österreich fasst Wirtschaftsmediation als Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktlösung langsam Fuß. In Salzburg etwa gelang es der Zementfirma Leube, die Anrainerängste angesichts ihres Projektes zur Verbrennung von Kunststoffen mittels Mediation bereits im Vorfeld auszuräumen. Und in den zunehmend eskalierenden Streitigkeiten bei den Funkmasten setzen jetzt auch Mobilfunkanbieter auf Mediatoren.

Was genau ist nun Mediation?

Ziel dieses Verfahrens - einer Art Konfliktmoderation bei bereits stark eskalierten Konflikten - ist, die Streitparteien wieder an einen Tisch zu bringen und mit Hilfe eines neutralen Dritten eine Lösung zu finden, die für beide ein Gewinn ist (zur Rollenabgrenzung s. Graphik und Leserservice am Ende des Beitrags). Wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen ist die freiwillige Teilnehme beider Parteien. Vorrangige Aufgabe des Mediators ist es, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, mit den Beteiligten die unterschiedlichen Meinungen, Positionen und die dahinter verborgenen Interessen zu erkunden und dann gemeinsam neue Lösungen zu erarbeiten. Gelingt der Prozess, dann bildet eine schriftliche und verbindliche Vereinbarung, die von allen Beteiligten unterzeichnet wird, den Abschluss. Nachfolgend nun zwei konkrete Praxis-Beispiele, bereitgestellt von Mag. Gerhart Fürst, dem Obmann des Forums Wirtschaftsmediation.

Beispiel 1 – Konflikt zwischen zwei Unternehmen

Vorgeschichte Ein Weltkonzern vergibt eine Fertigungslizenz an einen lokalen Zulieferer, um spezielle Teilfertigung auszulagern; die Gegenleistung erfolgt in Form einer Bankgarantie plus anschließend von Lieferrabatten auf drei Jahre, höchstens jedoch bis zur Höhe des vereinbarten Kaufpreises.
Konfliktursache Der Zulieferer kann Bankgarantie nicht erbringen, worauf vom Konzern die Zahlung für erste größere Lieferung zurückbehalten wird; Hintergrund: konzerninterne Richtlinien; der Zulieferer bringt Klage auf Zahlung ein
Verlauf der Mediation Heftige gegenseitige Schuldzuweisungen, nach Intervention des Mediators werden subjektive Situationsschilderungen ausgetauscht. Der Konzern bestätigt seine Wertschätzung für die Fertigungsqualität des Zulieferers, dieser versteht den Druck, dem die Ansprechpartner konzernintern ausgesetzt sind besser; der Zulieferer gesteht seine Abhängigkeit von den Konzernaufträgen ein und spielt weniger als zuvor auf Stärke und Unabhängigkeit
Wende im Konflikt Der Konzern erkennt, daß der Zulieferer existentielle Sorgen hat und sogar Insolvenz droht, wenn die Geschäftsbeziehung zerbricht. Die Erkenntnis: „Ein toter Gegner ist ein schlechter Gegner“
Ergebnis Der Verzicht auf die Bankgarantie, dafür eine Ausweitung der Lieferrabatte auf drei Jahre - unabhängig von der Höhe; die Geschäftsbeziehung besteht weiter; die Klage wird zurückgezogen
Dauer und Kosten der Mediation 3 Stunden / 720,- Euro

Beispiel 2 – innerbetrieblicher Konflikt

Vorgeschichte Der Geschäftsführer engagiert eine Führungskraft von aussen und verspricht ihr die Übernahme einer „Bereichsleitung“; zur Einarbeitung fungiert sie auf gleicher Höhe wie zwei andere Abteilungsleiter;
Konfliktursache Die Bevorzugung des „Neuen“ führt zu Eifersucht, insbesondere bei einem der beiden anderen Abteilungsleiter, der ein verwandtschaftliches Naheverhältnis zum Geschäftsführer hat, welches unbewußt aber doch gegenseitig genutzt wird, insbesondere zum informellen Informationsaustausch
Verlauf der Mediation Zuerst eine relativ ausgiebige Suche nach Ursachen in einem organisatorischen Konzept, welches die drei Abteilungsleiter als praxisfern ablehnen; schließlich kommt die Sprache auf die persönlichen Beziehungen der drei zueinander
Wende im Konflikt Heftiger Ausbruch des „Neuen“, der seine Schwierigkeiten im verwandtschaftlichen Naheverhältnis des Kollegen zum Geschäftsführer sieht;
Ergebnis Die Erkenntnis, wie belastend dieses informelle Verhältnis auch für andere Mitarbeiter ist, führt zum Entschluß, dieses Doppelverhältnis aufzulösen und für den verwandten Abteilungsleiter einen anderen Aufgabenbereich zu suchen
Dauer und Kosten der Mediation 3 x 2 Stunden / 1500,- Euro

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