Macht? Erfolg? Reich? Glücklich?

Ein zweijähriges Forschungsprojekt an der Wirtschaftsuniversität Wien untersuchte jene Faktoren, die Karriereerfolg maßgeblich beeinflussen. Die empirischen Ergebnisse überraschen und räumen gleichzeitig mit einigen hartnäckigen Vorurteilen auf.

Sind starke Nerven wichtiger für den beruflichen Aufstieg oder pingelige Genauigkeit? Zählt nur der Leistungswille, egal aus welchem Elternhaus man stammt? Oder kommt es nur auf die richtige Ellbogentechnik an? Immer wieder machen Erkenntnisse über die ultimativen Ursachen für das berufliche Fortkommen Schlagzeilen, doch nur allzu häufig zementieren sie weitverbreitete Vorurteile.

In einer groß angelegten Studie hat nun das Professorenteam Wolfgang Mayerhofer, Michael Meyer und Johannes Steyrer von der Wirtschaftsuniversität Wien Karriereverläufe von über 1000 Absolventen verschiedener "Generationen" mit den Abschlussjahren 1970, 1990 und 2000 unter die Lupe genommen und dabei einige höchst aufschlussreiche empirische Ergebnisse an den Tag befördert.

Als Basis der Untersuchung diente dem Forscherteam ein Schalenmodell mit den Einflussfaktoren Person (Persönlichkeitsmerkmale), Herkunftskontext (Herkunftsfamilie und gegenwärtige Einbettung in soziale Beziehungen), Arbeitskontext (berufliches Umfeld, Arbeitsmarkt), gesellschaftlicher Kontext (Vorstellungen von Mann und Frau, Altersaufbau) und dem globalen Kontext (Internationalisierung, Globalisierung) als Hintergrundfolie. Das Modell macht die Vielschichtigkeit der Einflussfaktoren auf Karrieren deutlich – an sich schon eine Absage an die sonst vorherrschenden, meist eindimensionalen Aussagen allá "wer Karriere machen will, muss Netzwerke aufbauen".

In ihrer Studie, die sie im Buch "Macht? Erfolg? Reich? Gücklich?" (Linde Verlag) publiziert haben, kommen die Autoren denn auch zu weit differenzierteren und teilweise doch überraschenden Aussagen. Nachfolgend eine Zusammenstellung der interessantesten Ergebnisse:

Objektive und subjektive Karriere:

Objektive Karriere meint die von außen beobachtbare berufliche Entwicklung und umfasst Elemente wie Job, Position, Entgelt, Führungsspanne oder ähnliches. Subjektive Karriere fokussiert auf nicht beobachtbare Elemente wie die persönliche Bewertung und Zufriedenheit mit der eigenen beruflichen Entwicklung.

Auffallend ist, dass sich (immer im Verhältnis zur Gruppe der untersuchten Wirtschaftsakademiker) rund ein Drittel der Befragten (33,3%) als objektiv und subjektiv wenig erfolgreich einschätzen, was nach Interpretation der Autoren die in den vergangenen 15 Jahre deutlich schlechter gewordenen Berufsmöglichkeiten widerspiegeln könnte. Knapp drei von zehn Personen (29,6%) sind zwar subjektiv relativ zufrieden, räumen allerdings ein, dass es mit den objektiven Erfolgsmaßen – Zahl der unterstellten MitarbeiterInnen und Jahresverdienst – nicht besonders gut bestellt ist. Ebenso bemerkenswert ist, dass jede fünfte Person (20,4%)  – obwohl an objektiven Kriterien gemessen erfolgreich – sich als subjektiv wenig erfolgreich sieht und unzufrieden ist. Nur jeder Siebte (16,7%) sieht sich als objektiv und subjektiv erfolgreich an.

Bemerkenswert ist auch die Verteilung nach Geschlechtern: Mehr als drei Viertel aller Frauen (76,5%) schätzen sich hinsichtlich objektiver Erfolgsstandards als wenig erfolgreich ein, während dieser Wert bei den Männern bei rund 50% liegt. Umgekehrt ist die Reihenfolge bei der subjektiven Einschätzung. Hier gehören 54,7% der Frauen im Vergleich zu 40,8% der Männer zur Gruppe der subjektiv erfolgreichen Gruppe. Der größte Unterschied zwischen Frauen und Männern liegt aber in der Gruppe "subjektiv erfolgreich, aber nicht objektiv" – sie enthält anteilig fast doppelt so viele Frauen wie Männer. Bei der Gruppe "objektiv erfolgreich, aber nicht subjektiv" gibt es hingegen fast dreimal so viele Männer wie Frauen.

Alles eine Frage der Persönlichkeit?

Eine weitverbreitete Behauptung meint sinngemäß: Als Chef eines großen Unternehmens brauche man vor allem Charisma, Ausstrahlung, den Willen zu Leistung und zur Übernahme der Führungsverantwortung. All das könne man nicht lernen, man hätte es oder eben nicht. Wie steht es nun wirklich um den Einfluss der Persönlichkeit auf den Karriereerfolg? Auf den Punkt gebracht, kann man sagen: Geschlecht schlägt Persönlichkeitsmerkmale.

Zwar ist es richtig, dass nur der, der nach oben will und davon überzeugt ist, dort seinen vorbestimmten Platz zu finden, auch tatsächlich dort hin gelangt, doch dieser Zusammenhang gilt, wie die Untersuchung zeigt, vor allem für Frauen. Männer werden im Vergleich zu Frauen viel häufiger mit Führungsaufgaben betraut, ohne dass die Führungsmotivation dabei eine wichtige Rolle spielt. Die Bedeutung der Führungsmotivation, so die Autoren, zeige sich erst dann, wenn die Geschlechter getrennt betrachtet werden. Hier wird deutlich, dass die Bedeutung der Führungsmotivation bei Frauen ungleich höher ist als bei Männern. "Nur durch extrem hohe Führungsmotivation können Frauen in Bezug auf die Anzahl der unterstellen Mitarbeiter in etwa so erfolgreich sein wie ein "durchschnittlicher" Mann. Ist die Führungsmotivation nicht extrem hoch ausgeprägt, dann stehen die Chancen, Führungsverantwortung zu erlangen, für Frauen denkbar schlecht. Während Männer unabhängig von ihrer Führungsmotivation von hoch führungsmotivierten Frauen noch beinahe eingeholt werden, genügt ihnen bereits eine leicht überdurchschnittliche Motivation, um Frauen in Bezug auf die übertragene Führungsverantwortung  weit hinter sich zu lassen."

Ähnlich wie bei der Übertragung von Führungsverantwortung schneiden Frauen auch im Hinblick auf das Gehalt schlechter ab als die Männer. Generell gilt: Je rasanter der Aufstieg, desto wichtiger werden ganz andere Persönlichkeitsdimensionen als Führungsmotivation und Gewissenhaftigkeit. Vor allen anderen Faktoren zählen starke Nerven. Hier helfen dann nur mehr extrem hohe Werte in der "emotionalen Stabilität", um in die Gruppe der Top 25% zu gelangen.

Wie steigt man am schnellsten auf?

"Mikropolitisches Verhalten" beschreibt all jene Formen sozialer Beeinflussung, die bei einem Gegenüber auf eine kalkulierte Wirkung abzielen und letztlich der Maximierung des eigenen Nutzens dienen. Es tritt insbesondere in folgenden Situationen zutage: bei der Umverteilung von Ressourcen, bei unklaren Leistungsbeurteilungen, bei Nullsummenspielen (einer gewinnt, einer verliert), bei geringem Vertrauen, bei hohem Druck oder einem eigennützig agierenden Management sowie bei Beförderungen.

Die hier untersuchten Taktiken der Selbst- und Interessensdurchsetzung waren: Sich Freunde und Verbündete schaffen, Kontakte knüpfen und pflegen, Autorität und Macht demonstrieren sowie eigene Fähigkeiten und Ideen herausstreichen.

Ein erster wesentlicher Befund besagt: Männer und Frauen werden sich in Hinblick auf ihr Karriereverhalten immer ähnlicher. So zeigten sich die Frauen aus der 1970er-Gruppe noch wesentlich zurückhaltender im Einsatz mikropolitischer Taktiken als ihre männlichen Kollegen, während bei den beiden jüngeren Gruppen so gut wie kein Unterschied zu den Männern festzustellen ist. Eindeutig ist, dass sich Frauen heute weitaus stärker an maskulinen Durchsetzungsstrategien und Ellbogentechniken orientieren, als dies früher der Fall war.

Zusammengefasst:

     

  • Effektive Manager (hoher Output) verbringen ihre Zeit anders als erfolgreiche Manager (rascher Aufstieg).
  • Frauen und Männer unterscheiden sich kaum in ihrem mikropolitischen Verhalten, obwohl für Frauen andere Taktiken ziehen als für Männer.
  • In den 1970er Jahren empfahl sich noch mikropolitische Zurückhaltung, heute fährt man mit dem Herausstreichen eigener Fähigkeiten und Ideen bzw. Selbstinszenierung besser.
  • Selbstinszenierung zahlt sich im wortwörtlichen Sinn mehr aus als Beziehungsarbeit.

Ist die Herkunft  von Vorteil?

Das Ergebnis ist eindeutig: Wirtschaftsakademiker kommen, was ihre Herkunft betrifft, aus den "besseren Schichten", also eher aus den höheren Bildungs- und Berufsschichten. Genützt wurde die Öffnung der hohen Schulen vor allem von Kindern kleiner Unternehmer und Landwirte, die sich nunmehr zu den an den Universitäten schon immer überproportional vertretenen Kindern höherer und leitender Beamter und Angestellter sowie von Freiberuflern gesellen. Die Autoren bringen die Benachteiligung unterer Einkommensschichten pointiert auf den Punkt: "Die wirklich scharfe soziale Selektion hat schon vor der Inskription und dem Abschluss des Studiums stattgefunden. (..) Das Proletariat ist im Rennen um die akademischen Titel schon vorher ausgeschieden."

Hingegen gibt es zwei direkte, geschlechtsspezifische Einflüsse der sozialen Herkunft: Bei Männern hat das Bildungsniveau der Eltern einen positiven Einfluss auf das Einkommen, bei Frauen einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit. Die Erklärung für letzteres: "Für Frauen aus einem hochgebildeten Elternhaus ist das Erreichen eines akademischen Grades nicht mehr "Erfolg an sich", das Überspringen dieser Latte erlaubt es ihnen nicht mehr, mit den geschlechtsspezifischen Benachteiligungen zufrieden zu leben. (...) Je höher die Bildung des Vaters, desto unzufriedener ist die Frau mit ihrer beruflichen Entwicklung, desto schmerzhafter stößt sie an die 'gläserne Decke' und erlebt die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf."

Dazu kommt: "Erfolgreiche Wirtschaftsakademiker weisen oft einen spezifischen Lebensstil auf. Karriere und Beruf bestimmen auch das Medien- und Kulturverhalten – oder aber: Zum Erfolg bedarf es eines typischen politik- und wirtschaftsinteressierten Lebensstils, dessen Fundamente in der Herkunftsfamilie gelegt werden."

Studienerfolg – eine Karrierehilfe?

Führen schnelles Studieren und gute Abschlussnoten wirklich zu Vorteilen im Beruf?

     

  • Beim Berufseinstieg selbst wirken sich schnelles Studieren und gute Abschlussnoten kaum auf Einkommen und Führungsverantwortung aus. Positive Effekte gibt es lediglich hinsichtlich der Erfolgseinschätzung durch das Umfeld.
  • Im ersten Berufsjahrzehnt führen bessere Studienergebnisse, d.h. kürzere Studienzeiten und bessere Noten, dann aber zu höherem Einkommen.
  • Berufstätigkeit während des Studiums lohnt sich beim Berufseinstieg und rechtfertigt auch längere Studienzeiten. (Wer aussschließlich studiert hat, startet mit durchschnittlich 26.000,- Jahresgehalt und durchschnittlich 1,4 unterstellten Mitarbeitern: wer hingegen während des größten Teils gejobbt hat, beginnt mit durchschnittlich 32.200,- Euro Jahresgehalt und durchschnittlich 3,5 unterstellten Mitarbeitern).
  • Überraschenderweise haben Auslandsaufenthalte keine klaren Effekte auf den Karriereerfolg beim Berufseinstieg.

Job oder Leben?

Welchen Einfluss hat der Stellenwert, der dem Privatleben beigemessen wird, auf den subjektiven und objektiven Karriereerfolg, also auf Zufriedenheit, Geld und hierarchischen Status?

     

  • Karriereunterbrechungen behindern hierarchischen Aufstieg und monetären Erfolg, und zwar bei Männern deutlicher als bei Frauen. Die Musterkarriere ist durchgängig und kennt keine Pausen.
  • Work-Life-Balance mag erstrebenswert sein, karriereförderlich ist sie aber definitiv nicht. Der Aufstieg auf Zeit manövriert ManagerInnen ins berufliche Out.
  • Personen, die mehr arbeiten, verdienen mehr und stehen hierarchisch besser da. Dabei bringt aber nur ein deutlich über der Normalarbeitszeit liegender Einsatz bessere Ergebnisse. Die Gruppe der Vielarbeiter verdiente in den ersten zehn Karrierejahren durchschnittlich knapp 50.000,- Euro im Jahr, während sich dieser Wert bei den mittleren Gruppen mit 43 und 48 Stunden wöchentlich unter 40.0000,- Euro bewegt.
  • Personen, die in ihrer Karriere mehr verdienen und einen höheren hierarchischen Status haben, messen ihrer Freizeit einen geringeren Stellenwert bei.
  • Bereits in Berufen mit geringer Qualifikationsanforderung gibt es bei gleicher Qualifikation große Unterschiede im Einkommen zwischen Männern und Frauen. Die größten Unterschiede finden sich jedoch in den am besten bezahlten Berufen. Bei Führungskräften beträgt der Unterschied, allein aufgrund des Geschlechts, 36 Prozent. Im Verlauf von 10 Jahren verdienen Frauen (ohne Karriereunterbrechung) um 61.000,- Euro weniger als jene männlichen Kollegen, die sich in nichts unterscheiden als ihrem Geschlecht.
  • Conclusio der Autoren: "Es wird einem nicht geschenkt – und einer schon gar nichts". Wer nach den üblichen Kriterien erfolgreich sein will, muss dem Job einen hohen Stellenwert im Leben geben.

06.2005

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