Linienmanager - Personalchef - Linienmanager

Was Führungskräfte von HR erwarten, was sie bekommen und was nicht und welche Rolle dabei das Top-Management spielt. Im Gespräch mit einem hochrangigen Linienmanager, der für einige Jahre selbst den Personalbereich leitete.

Was erwartet man als Führungskraft vom Personalbereich?

Das ist für mich insofern schwierig zu beantworten, weil ich einige Zeit selbst die Personalagenden übernommen hatte. Als Linienmanager habe ich ganz stark darauf vertraut, dass mir mein Personalleiter alle personaltechnischen Fragen abnimmt und das hat er auch in hohem Maß getan. Als Führungskraft hatte die Personalarbeit für mich daher eine wichtige begleitende und entlastende Funktion.

Was waren typische Fragen an die Personaler?

Vor allem arbeitsrechtliche Themen. Entlastend empfand ich die Arbeit der Personalabteilung vor allem beim Recruiting, der Fortbildung, Dienstverträgen, Vertragsauflösungen, etc. Beim Recruiting neuer Mitarbeiter in den Abteilungen war ich als Bereichsleiter im Gegensatz zur nächsten Führungsebene wenig involviert, ebenso wenig bei Vertragslösungen, von einigen wenigen Problemfällen abgesehen. Sehr wohl involviert war ich, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen und um die Potenzialerhebung gegangen ist. Die Personalabteilung war der Treiber und die Führungskräfte waren in den Prozess eingebunden. Als Bereichsleiter habe ich mir bei Personalfragen einige strategische Entscheidungen vorbehalten, wobei es hier aber deutliche Unterschiede im Kollegenkreis gab. Manche haben sich auch in Einzelfälle eingemischt, was mich nie gereizt hat.

Woran haben Sie gemerkt, ob HR gute Arbeit leistet oder nicht? Welche Kriterien haben Sie da angelegt?

Mir ging es um die gesamte Mitarbeiterqualität. Ein guter Maßstab war hier für mich immer die Reaktion von oben oder aus anderen Bereichen auf Mitarbeiter meiner Mannschaft. Z.B. wie oft mich Kollegen gefragt haben: "Kannst du mir nicht den X borgen, ich brauch den unbedingt." Das war für mich ein Qualitätszeichen.

Woran hätten Sie gemerkt, wenn HR nicht gut funktioniert?

Zum einen hatte  ich eine gute Gesprächsbasis mit dem Konzernpersonalchef, da hätte ich es sicher an seiner Reaktion gemerkt, wenn es irgendwo Probleme gegeben hätte. Zum anderen bekommen Sie ja auch von den anderen Bereichen und Abteilungen immer wieder Feedback über die Qualität der Zusammenarbeit. Zudem haben wir interne Benchmarks für alle möglichen Bereiche, bei denen meine Mitarbeiter immer gut abgeschnitten haben.

Wie hat sich Ihr Blickwinkel verändert, als Sie selbst Personalleiter wurden?

Ich hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit der Frage beschäftigt, was man von HR erwartet. Das war für mich quasi eine selbstverständliche Arbeitsteilung gewesen: "Bitte halte mir den Rücken frei. Ich habe so viele Themen, die für mich ganz wichtig sind, mach du mir bitte dieses und jenes Thema." Bei meinen Wechsel wurde mir dann deutlich: Unternehmen müssen sich entscheiden, welche Rolle HR spielen soll. Dabei gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten. Einerseits die absolute strategische Einbindung und andererseits eine „Erlediger-Funktion“. Dazu alle Spielarten dazwischen. Tatsächlich hat die Umstrukturierung des Unternehmens damals auch zu einer neuen Rollendefinition geführt. Schwierig war deshalb die Festlegung des Aktionsrahmens von HR innerhalb der neuen Struktur.

Die Akzeptanz und die Anwendung der HR-Systeme und Instrumente muss innerhalb des Vorstandes beschlossen sein. Und die Identifikation damit muss der Vorstand vorleben. Sein Umgang mit Personal ist ein maßgebliches Zeichen für die Stellung von HR und die Unterstützung im Haus. Also kurz gesagt: Ist es dem Vorstand wirklich eine strategische Herzensangelegenheit oder ist es etwas, das halt getan werden muss?

Woran zeigt sich z.B. eine geringer werdende Unterstützung?

Sichtbar wird das etwa daran, dass man keine Standards mehr durchbringt, da jeder seinen Bereich nach eigenen Vorstellungen gestalten will. Und man ist nicht mehr eingebunden in die strategischen Überlegungen. Damit ist man immer einen Schritt hinten nach. Sie können dann als HR nicht aktiv agieren, zumindest nicht breitflächig, sondern immer nur reaktiv. Standardisierungen sind ja nicht immer das Tollste, aber in gewissen Bereichen ist es gut, wenn es sie gibt. Gerade bei Gehaltsniveaus macht es Sinn, Vergleiche zu anderen Unternehmen und innerhalb des Hauses zu ziehen. Es ist problematisch, wenn der eine Abteilungsleiter 50.000- verdient und sein Kollege 150.000,-. Das macht im Haus miese Stimmung. Hierfür gibt es klare und objektive Systeme, die eine vernünftige Handhabung sicherstellen. Dafür braucht es ein breites Commitment der Führungskräfte und da halte ich die volle Unterstützung des Vorstandes für essentiell.

Wo wird die gute oder schlechte Einbindung in strategische Überlegungen sichtbar?

Wir wissen heute, dass wir im deutschsprachigen Raum in spätestens 5-10 Jahren ein echtes Problem bekommen, qualifizierte Führungskräfte einzustellen. Das Thema muss daher strategisch geplant sein, behaupte ich. Dazu muss ich mich aber commiten. Die Frage ist: Gehe ich damit so um, dass ich mir die wenigen vorhandenen Leute  teuer einkaufe, wenn die Situation wirklich eintritt oder baue ich mir bereits heute einen Pool von Leuten auf, damit ich diese Führungskräfte dann zur Verfügung habe? Das ist eine strategische Frage. Werden Sie als Personaler mit diesem Thema nicht in die Strategie eingebunden, ist das Thema offen und Sie haben es in einigen Jahren als Problem am Tisch.

Wenn die Firma sagt, wir wollen Kosten einsparen, um eine große Akquisition zu stemmen und die Rolle der Personalabteilung besteht darin, die Personalwünsche der Führungskräfte abzuwickeln, dann ist das auch eine klare Entscheidung. Wenn das commited ist und so durchgezogen wird, ist das in Ordnung. Was das für den Erfolg in fünf oder zehn Jahren heißt, können wir nur vermuten. Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung zu einem ganz anderen Thema, wo aber die beherrschende Diskussion darüber geführt wurde, dass die ganze Branche hängeringend gute Vertriebs-Mitarbeiter sucht. Leute, die wir in unserem Unternehmen noch vor wenigen Jahren abgebaut haben. Hätten wir diese Frage damals strategisch betrachtet, hätte sich zumindest unser Unternehmen dieses Thema derzeit erspart.

Beschäftigen solche Themen auch die Führungskräfte oder nur den Personalbereich?

Als es noch den Personalvorstand gab, haben sich manche Führungskräfte mitunter "benachteiligt" gefühlt, wenn sie nicht bekommen haben, was sie wollten. Als ich Personalchef wurde und die Position des Personalvorstands weggefallen ist, wurde die Personalabteilung mehr zum "Dienstleister". In manchen Punkten konnte ich gut mit den Führungskräften mit und in anderen Punkten nicht, weil mir das zu viel war. Pointiert gesagt, nur "hinten nach putzen" ist nicht meines, aber es ist ok, sich als Dienstleister zu verstehen. Gemerkt hat man die Veränderung auch daran, dass verschiedene HR-Instrumente, die wir in den vergangenen Jahren hochspezialisiert aufgebaut haben, heute nicht mehr mit der selben Konsequenz genutzt werden wie früher. Da hatten wir gegenüber der Konkurrenz einmal einen klaren Vorsprung.

Manche dieser Entwicklungen war den Führungskräften gar nicht so unrecht, weil der Handlungsspielraum für die einzelne Führungskraft damit etwas größer wurde. Früher haben wir z.B. jede Führungsposition intern ausgeschrieben und zu 90-95% intern besetzt. Dann kamen auf Wunsch einzelner Vorstandmitglieder plötzlich mehr Leute von außen. Früher hätten wir zuerst geschaut, ob es im Haus Potenzial gibt, und wenn ja, hätten wir gar nicht extern rekrutiert. Für manche Führungskräfte ist die neue Situation natürlich angenehm, weil jetzt vermehrt genau die Personen geholt werden, die sie unbedingt will, während wir früher stärker darauf geachtet haben, dass diese Personen auch wirklich zu uns passen. Das war auch eine Form der Qualitätssicherung.

Wie haben Sie die unterschiedlichen Interessen erlebt: Personalisten drängen darauf, dass die Manager ihren Personalführungsaufgaben nachkommen und die Führungskräfte wollen, dass ihnen die Personalabteilung möglichst viel abnimmt.

Ich habe mich als Personalchef immer stark dagegen gewehrt, Aufgaben der Personalführung zu erledigen. Natürlich wurde ich immer mal wieder gebeten, ein Mitarbeitergespräch oder Kritikgespräch zu führen, nach dem Motto: "Könntest du nicht mit dem reden?" Da habe ich immer geantwortet: "Du bist seine Führungskraft, das ist dein Job!" Diese Trennung war mir sehr wichtig. Auch weil ich der Überzeugung bin, dass man Mitarbeiter nicht "teilzeit" führen kann. Klar: Führungsarbeit ist nicht immer angenehm und alles was nicht angenehm ist, versucht man weiterzugeben. Allgemein gesagt glaube ich: Wenn bestimmte Themen als Problem auftauchen, liegt der Schluss nahe, dass sie zuvor strategisch nicht richtig eingeordnet waren.

In welchen Situationen kommt man als Führungskraft mit HR in Kontakt?

Das Recruiting ist ein wesentliches Thema, da bei uns jeder Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter in unterschiedlicher Form ins Recruiting eingebunden wird. Die Endauswahl macht die direkte Führungskraft. Das zweite sind systematisierte Instrumente wie das Mitarbeitergespräch. Diese Gespräche zu führen, ist Vorgabe bei den Zielen der Führungskräfte. Wenn diese Gespräche nicht alle geführt sind, hat das unmittelbare finanzielle Auswirkungen. Damit ist die Führungskraft schon durch die Vertragskonstruktion mit HR konfrontiert. Sie ist auch immer dann mit Personalthemen konfrontiert, wenn es um Betriebsratsthemen geht, etwa Beschwerden oder um Gehaltsfragen bzw. Gehaltserhöhungen. Zudem sind Führungskräfte bei uns in die Erarbeitung von PE-Instrumenten eingebunden. Das Thema Personal verfolgt einen durch den Tag. Was unserem Haus ganz gut gelungen ist, ist den Führungskräften mitzugeben, dass sie hier eine ganz massive Personalführungsaufgabe haben.

Was stört Sie am meisten, wenn Sie als Führungskraft mit HR zu tun haben?

Dass es Regeln gibt, die mir einer vorgibt und die ich im Moment vielleicht nicht einsehe, weil ich es in der konkreten Situation anders bräuchte oder lieber hätte. Wenn ich z.B. als Linienmanager mit einem Kunden zu tun habe, der ein Problem hat, kann ich auch mal über das Übliche hinausgehen. Diese Beweglichkeit und Flexibilität ist im Personalbereich nicht drinnen. Da gibt es limitierende Faktoren wie Betriebsrat oder Arbeitszeitgesetze. Man kann nicht einfach einem Mitarbeiter, nur weil er außergewöhnlich gut war, 10.000,- Euro in die Hand drücken. Da kommt sofort die Personalabteilung und sagt: "So geht es nicht. Da gibt es ein Prozedere. Wir brauchen wir einen Grund, Referenzen, etc. wieso Sie dem Mitarbeiter 10.000,- Euro Bonus geben. Sonst kommt morgen ein anderer und will das auch." Und das stimmt auch. Wenn einer so eine außernatürliche Renumeration zahlt, kommen sofort andere und die Streitereien fangen an. Eine Führungskraft, die das in dem Augenblick machen will, will solche Einwände aber nicht hören: "Ich weiß schon, was ich tue. Wollt ihr mir meine Verantwortung wegnehmen?" Da ist es gut, ein Regelwerk zu haben, zu dem man sich einmal commited hat. Wenn das aber unterlaufen wird, wird es schwierig. Man könnte auch einen Topf einrichten, in den man 1 Million legt, dann auf die Bereiche aufteilt und jedem Bereichsleiter überlässt, wie er den Bonus verteilt. Aber auch das wäre wieder eine Regelung, auf die man sich erst gemeinsam verständigen muss.

Ist die Position des Personalchefs eine sehr politische Funktion?

Ja. Ich behaupte, dass man als Personalchef gut dran ist, wenn man politisch agieren kann. Wenn man taktisch gut und gleichzeitig ein guter Diplomat ist. Zudem muss man als Personalchef auch ein starker Spezialist sein, viel mehr als alle anderen Führungskräfte, denn als Personalchef werden Sie immer als Spezialist angesprochen. Die Führungskräfte kommen zu Ihnen und wollen von Ihnen Antworten. Da können Sie nicht ständig Ihre Mitarbeiter dazu holen. Wenn Sie mit einer Führungskraft den Dienstvertrag oder den Ausstieg verhandeln, müssen Sie das selbst können. Wenn Sie da, wie es mir am Anfang auch selbst passiert ist, sagen, "na, da fragen wir mal nach", kommt das blöd.
Zudem sind Sie als Personalchef mit einer hohen Emotionalität konfrontiert, aus der Sie sich nicht herausnehmen können. Als Führungskraft sind Sie Auftraggeber dessen, wofür Sie verantwortlich sind. Als Personalchef machen Sie viel für andere. Ein Beispiel: Eine Führungskraft holt sich einen Mitarbeiter in sein Büro und sagt zu ihm: "Ich will mit Ihnen nicht mehr arbeiten. Wir werden den Vertrag lösen. Gehen Sie zum Personalchef." Dann sitzt mir dieser Mitarbeiter gegenüber und ich habe keine Ahnung, warum und wieso. Also muss ich der Führungskraft erklären: "Dazu braucht es konkrete Beispiele und Situationen, Sie können nicht einfach zu Ihrem Mitarbeiter sagen: Sie sind nicht gut." Das ist wahrlich keine angenehme Situation, aber auch auf solche Dinge muss man in gewissem Sinn Lust haben, nur dann macht man den Job gut.

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