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Wer heute bei der Arbeiterkammer Oberösterreich anruft, um eine Rechtsauskunft zu erhalten, der landet in einem „Call-Center“, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits beim ersten Gespräch genau jene Informationen bekommt, die er braucht. Eine andere, ebenso erfolgsversprechende Möglichkeit ist, im neugebauten Kundenzentrum der Arbeiterkammer vorbeizuschauen und sich - ohne lange Wartezeiten - die gewünschten Infos bei einem der dortigen Rechtsberater zu besorgen. Sollte das Anliegen nicht gleich beim ersten Gespräch erledigt werden können (zu komplex, fehlende Unterlagen), dann vereinbart man eben für die nächsten Tage einen persönlichen Termin mit dem Berater, um die Sache weiter zu bearbeiten. Was heute reibungslos und zur vollen Zufriedenheit der ratsuchenden AK-Mitglieder und der rategebenden Juristen funktioniert, wäre vor zwei, drei Jahren für die meisten Mitarbeiter der Arbeiterkammer Oberösterreich in dieser Form noch schwer vorstellbar gewesen. Weder gab es damals ein Call-Center noch ein modernes Kundenzentrum, noch gab es Beraterteams oder „Generalisten“, die Anfragen zu mehreren Rechtsbereichen bearbeiten können, ohne gleich an den jeweiligen „Experten“ weiterzuverweisen. Stattdessen gab es eine Arbeiterkammer klassischen Zuschnitts, bestehend aus einer Vielzahl von Fachabteilungen zu Gebieten wie Sozialrecht, Arbeitsrecht oder Lehrlings- und Jugendschutz. Die Mitarbeiter der AK, die zu mehr als 80% Akademiker und zum überwiegenden Teil Juristen sind – genaugenommen ist die AK eine der größten Rechtsanwaltskanzleien des Landes - waren alle ausgewiesene Experten in ihrem jeweiligen Thema. Bei der täglichen Arbeit allerdings waren sie mit zwei, von ihrer Logik her sehr unterschiedlichen Aufgaben konfrontiert: auf der einen Seite ging es um die Erfüllung eines politischen Gestaltungsauftrags, auf der anderen Seite erwartete man ihnen die Erfüllung eines klaren Dienstleistungsauftrags in Form individueller Rechtsberatung für die Mitglieder. Zwei Logiken in meiner BrustDenn zum einen hat die AK als gesetzliche Interessensvertretung für die ArbeiternehmerInnen eine wichtige gesellschaftliche und politische Funktion. Daraus ergeben sich für die AK-Experten Aufgaben wie die Mitarbeit an Gesetzesentwürfen, Gesetzesbegutachtung, die Durchführung von Studien und die Mitarbeit in einer Vielzahl von Gremien. Auf der anderen Seite aber fungiert die Arbeiterkammer auch als Dienstleister für das einzelne Kammermitglied. Daraus ergibt sich die Aufgabe der individuellen Beratung bis hin zur gerichtlichen Vertretung bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen eines Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber. In den 90er-Jahren zeichneten sich dann Veränderungen ab, die neue Antworten erforderlich machten:
Gestalter oder Getriebener?Für die Führung der AK OÖ hieß das: Entweder wir reagieren auf diese Entwicklungen selbst und vor allem rechtzeitig, dann haben wir noch Einfluss darauf, wohin es geht. Oder wir tun das nicht, dann werden uns die „harten Schnitte“ in einigen Jahren möglicherweise von außen aufgezwungen. Die generelle Stoßrichtung lautete daher: Wir müssen bei dem, was wir derzeit tun, mit unserer Organisation so effizient werden, dass wir genügend Mitarbeiter freibekommen, um sie für neue Aufgaben einsetzen zu können. Der erste derartige Projekt startete 1995 und umfasste das Facility Management der AK OÖ. Gemeinsam mit einem deutschen Facility-Spezialisten wurde das ganze Haus von oben bis unten durchanalysiert, die Verwaltung gestrafft, verschiedenste Investitionen vorgenommen und somit mittelfristig die laufenden Betriebskosten um 15 bis 20% gesenkt. Das zweite Projekt betraf die EDV des Hauses, das dritte dann, beginnend mit dem Jahr 1998 „die Neuordnung der Rechtsberatung“. Als Unterstützung von außen holten sich der AK-Direktor, Dr. Josef Peischer, und der Organisationsentwickler des Hauses, Mag. Manfred Polzer, dazu die Beratungsfirma Conecta ins Haus. Der erste Auftrag an die Berater bestand aus einem Vorprojekt, in dem die Berater mit weiteren wichtigen Vertretern der Organisation Interviews führten, und die in Form von Hypothesen gebündelten Ergebnisse auf einer Klausurtagung dem Direktor, dem OE-Leiter und allen befragten Führungskräften vorstellten. Darauf aufbauend erarbeiteten die Führungskräfte gemeinsam ein „Commitment für Change“ und gemeinsam getragene Zielsetzungen, die dem Projekt „Qualitäts- und Kostenmanagement für den Bereich Rechtsberatung“ zugrundegelegt werden sollten. Auf Grund dieser Vereinbarung erstellten die Berater schließlich einen detaillierten Vorschlag über Projektarchitektur, Inhalte, Abläufe, Methoden, Organisation, Zeitrahmen und Kosten und sie skizzierten Vorstellungen, wie die betroffenen Mitarbeiter angemessen am Transformationsprozess beteiligt werden könnten. „Geht nicht“ gibt´s nicht!Nach dem offiziellen Start des Hauptprojekts kam es zur Einrichtung der vorgeschlagenen Steuerungs- und Entscheidergruppen und zum Aufbau eines Projektteams, in dem sich die strukturellen Interessenswidersprüche im Haus durch Vertreter aller wichtigen Einflussgruppen abbildete (verschiedene Abteilungen, Zentrale – Bezirksstellen, männlich – weiblich, alt-jung). Die Aufgaben dieses Projektteams bestanden darin, eine Analyse der Kernaufgaben im Bereich Rechtsschutz durchzuführen, die Geschäftsprozesse detailliert zu beschreiben, Modelle zur Leistungsbewertung zu entwickeln und Vorschläge zur Neugestaltung der Organisationsstrukturen des Rechtsschutzbereiches zu entwickeln. Schon in der Erhebungsphase ergaben sich viele interessante und oft überraschende Einblicke: so schwankte damals die durchschnittliche Beratungsdauer, je nach Berater und seinem Beratungsverständnis, zwischen 30 und 120 Minuten! Entgegen den ständigen Bekundungen der Berater – „jeder Fall ist anders gelagert, Versuche, das zu standardisieren werden kläglich scheitern“ – zeigte sich schnell, dass rund 80% aller Kundenanfragen einigen wenigen „Standardberatungen“ zuordenbar waren (z.B. „Ich wurde heute gekündigt. Was muss ich tun und beachten, um nicht versehentlich irgendwelche Ansprüche zu verlieren?“). Die bisherige Ressourcenzuteilung (manche Berater bearbeiteten fünf Fälle, andere zwanzig) war nicht nachvollziehbar. Leistungskennzahlen, die die Arbeit vergleichbar machen würden, waren nicht vorhanden (und wurden in der Folge von den Mitarbeitern selbst entwickelt). Auf Basis der mehrere Monate dauernden Geschäftsprozessanalyse erarbeitete das Projektteam schließlich drei alternative Strukturmodelle und präsentierte diese dem Entscheiderkreis. In einem moderierten Workshop entschied sich dieser schließlich – nach Rücksprache mit der Projektgruppe - für eine der Varianten in leicht modifizierter Form. Einer macht allesDer Beschluss hieß: Es kommt zu einer Trennung von Politik- und Beratungsbereich. Ein Teil der Mitarbeiter wandert aus den aufgelösten Fachbereichen in den „Beratungsbereich“, ein Teil in den „Politikbereich“. Der Beratungsbereich wird völlig neu strukturiert. Es kommt zur Bestellung eines neuen Abteilungsleiters, zur Etablierung einer Teamstruktur mit fünf ebenfalls neu zu bestellenden Teamleitern, es gibt eine hausinterne Ausschreibung aller Führungspositionen, und einen Wechsel in der Beratungsphilosophie weg von der Expertenberatung zu einem bestimmten Thema hin zum Konzept des „one face to the customer“ und der Anforderung an die Berater, künftig in allen drei Rechtsbereichen Basisberatung leisten zu können. Im neu etablierten Kundenzentrum im hinteren Teil des Foyers sollten jeweils drei Berater eines Teams die Kunden beraten, ein Berater mit der (bisherigen) Hauptexpertise in Arbeitsrecht, einer in Sozialrecht und einer in Lehrlings- und Jugendschutz. So gäbe es in der Anfangszeit der Neuregelung immer die Möglichkeit, im Fall der Fälle sofort einen Kollegen als Unterstützung heranzuziehen. Entgegen der massiven Befürchtungen vieler Berater (Ich mach seit 10 Jahren nur Arbeitsrecht, vom Sozialrecht habe ich keine Ahnung“) verlief dieser Wechsel vom Spezialisten zum Allrounder durch intensive Schulungen und gegenseitige Unterstützung dann ohne größere Komplikationen ab. Mit der Festlegung der neuen Struktur hatte das bisherige Projektteam seine Arbeit abgeschlossen. Dafür kam es nun zur Bildung eines neuen Projektteams, eines Umsetzungsteams, bestehend aus den neuen Führungskräften. Der zugrundeliegende Gedanke war: „Die neuen Führungskräfte gestalten sich ihren Arbeitsbereich selber“. Lessons Learned:
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