Das Super-Sauber-Service

Harald Weidhofer wirkte entspannt und gut gelaunt. Seine Firma war wieder voll auf Kurs, der eingeschlagene Weg trug reichlich Früchte und Ideen für weitere Maßnahmen gab es mehr als genug. Einige Jahren zuvor sah die Sache allerdings noch ganz anders aus.

Nachdem die vor beinahe 30 Jahren gegründete Firma für Kaminsanierung über lange Zeit mit zweistelligen Zuwachsraten gewachsen und zu einem der zwei Marktführer in Österreich aufgestiegen war, begann sich in den 90er-Jahren eine deutliche Veränderung im Markt abzuzeichnen. Mehrere Mittbewerber waren inzwischen aufgetaucht, hatten bei der Qualität des Angebots langsam gleichgezogen und plötzlich begann ein massiver Wettbewerb über den Preis, durch den das Preisniveau innerhalb von zwei Jahren fast um 30 Prozent absackte.

Gibt es Alternativen zum Kosten drücken?

Herr Weidhofer, mittlerweile auch Eigentümer dreier Rauchfangkehrerbetriebe, einer Dachdeckerei und –spenglerei und einer Firma für Fassadenornamente, beschloß daraufhin, sich wieder ganz auf das operative Geschäft des Kaminsanierungsunternehmen zu konzentrieren und sich von der Dachdeckerei und –spenglerei zu trennen, indem er sie an den Geschäftsführer verkaufte. Die ersten Maßnahmen umfassten das Schließen diverser Außenstellen und ein Durchleuchten der Organisation, um die Kosten zu drücken. Doch die Preis fielen weiter. Was tun?

So vage die Vorstellungen am Anfang auch waren, eines war klar: Es galt, etwas Neues zu machen und das führte mit Sicherheit nur über die Kunden. „Die Idee war, uns so zu positionieren, dass wir nicht weiter auf die Kunden Druck erzeugen, indem man sie immer wieder anruft oder mit Werbung bombardiert und sagt, kommt, kommt, kommt, sondern dass wir etwas anbieten, wo der Kunde selber sagt, der ist gut, zu dem gehe ich, bei dem bleibe ich. Etwas, wo er zu Bekannten sagt, zu dem mußt du hingehen, wenn du etwas brauchst. Da bist du gut aufgehoben.“

Wo drückt der Schuh?

Also suchte Herr Weidhofer das Gespräch mit seinen Kunden – einerseits Hausverwaltungen, Genossenschaften und Privatpersonen, andererseits Rauchfangkehrer, die von Gesetzes wegen für die Qualitätskontrolle der Sanierungsarbeiten zuständig sind – und absolvierte rund 200 Kundentermine innerhalb eines dreiviertel Jahres. Typische Fragen: Was ist Ihnen bei der Zusammenarbeit mit einem Professionisten wichtig, worauf kommt es Ihnen an, was wollen Sie bei Ihren eigenen Kunden und für sich selbst erreichen, was sind Ihre Strategien im Unternehmen? Angeregt durch ein Buch besuchte er dann mit einigen seiner Mitarbeiter einen Vortrag des deutschen „Clienting-Gurus“ Edgar Geffroy und machte hier Bekanntschaft „mit einer völlig neuen Denkweise“. Eine Woche danach waren in der Firma die ersten Veränderungen in Kraft.

Die Kunden der Kunden

Ausgangspunkt der ersten Maßnahmen war folgende Überlegung: „Die tatsächliche Arbeit passiert bei den Kunden meiner Kunden, bei den Mietern bzw. Wohnungseigentümern und sie ist höchst unbeliebt, weil verbunden mit Schmutz, Feuchtigkeit, Geruch etc. Zudem wird sie erschwert dadurch, dass den Mitarbeitern aufgrund zunehmender Ängste und Unsicherheitsgefühle der Leute das Betreten der Wohnung immer häufiger verwehrt wird.“

Die Lösung bestand in der Schaffung des Super-Sauber-Service: „Als erste Aktion haben wir im Großhandel für Ärztebedarf Operationspatschen gekauft, und nun steht der Mitarbeiter vor der Tür und zieht die an, sobald ihm geöffnet wird. Allein wenn man das sieht, denkt man völlig anders über diesen Handwerker. Dann wird die Wohnung mit Plastik ausgelegt und immer ein Staubsauger mitgenommen. Beim Betreten der Wohnung bekommt der Mieter eine Karte, auf der 10 von uns garantierte Super-Sauber-Leistungen stehen. Nach Abschluß der Arbeiten beurteilt er dann mittels kurzem Feedbackbogen, ob das auch erfüllt worden ist.“

Die positive Wirkung dieser Maßnahme stellte sich aber nicht nur bei den Kunden ein, deren „saure Miene“ sich zunehmend in ein Lächeln wandelte, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern, denen - angespornt durch Rückmeldungen wie „die Wohnung ist jetzt sauberer als vorher“ oder „Ich will, dass dieser Mann diese Arbeit für die nächsten 20 Jahre bei mir macht“ - nun auch die Arbeit leichter von der Hand geht. Um darüber hinaus auch ein entsprechendes Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, werden die Mieter nun wirklich rechtzeitig von den Sanierungsmaßnahmen informiert und die Mitarbeiter sind mit einheitlicher Firmenmontur und einem eigenen Ausweis ausgestattet.

Was wollen die Mitarbeiter?

Dass Mitarbeiter sich tatsächlich im geplanten Maß um die Bedürfnisse der Kunden kümmern, wird nur dann funktionieren, wenn sich das Management auch um die Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmert, damit sie dieser Aufgabe auch nachkommen können und wollen. Dieser Gedanke führte in dem bislang unternehmerdominierten Betrieb zu einer massiven Kulturveränderung in Richtung freies, selbstbestimmtes Arbeiten, das allerdings auch gepaart ist mit einer deutlich höheren Verantwortung der Mitarbeiter.

So bestimmen die Angestellten nun selber, wieviel sie arbeiten und bis zu einem bestimmten Grad auch wann sie das machen: „Die Leute haben eine Kernarbeitszeit, da müssen sie dasein und sie müssen einen bestimmten Umsatz machen. Wenn sie die Summe haben, können sie gehen. Sie können aber auch sagen, „ich bin an mehr interessiert, Chef bitte mehr Arbeit“, dann bekommen sie mehr Arbeit zugeteilt. Jeder weiß genau, welche Tätigkeit was wert ist, da machen wir keine Geheimnisse mit unseren Preisen. Und von dem Überhang bekommt er dann 35%. Damit hatten wir einige Leute, die von der Leistung her explodiert sind, etliche die gleichgeblieben sind und einige, die gescheitert sind. Zuerst haben wir das mit zwei Partien ausprobiert und das hat gleich super funktioniert, dann haben wir das System ausgeweitet.“

Was brauchen die Kunden?

Im nächsten Schritt veranstaltete die Firma zusammen mit dem Berater Erich Wanits zwei Kundenfokusgruppen, einmal mit Hausverwaltungen, einmal mit Rauchfangkehrern, um abzuklären, wie ihre Arbeit aus der jeweils spezifischen Sicht dieser Gruppen beurteilt wird, wo deren Probleme und Bedürfnisse liegen und um so weitere Änderungsideen zu generieren.

Einige der Auswirkungen in Stichworten: Die Hausverwaltungen ersparen sich durch das Super-Sauber-Service jede Menge Zeit und Nerven, weil Beschwerden verärgerter Mieter der Vergangenheit angehören; sie bekommen nun klar aufgeschlüsselte Rechnungen samt Planskizzen und genauen Maßen, die Firma Weidhofer gibt längere Garantien als die Konkurrenz, überprüft selbständig ihre Arbeit vor Ablauf der Garantie und gibt den Kunden darüber Rückmeldung in Form von Fotodokumentationen, die diese dann wiederum ihren Auftraggebern, den Hauseigentümern, vorlegen können. Die Firma verfügt über eine „schnelle Eingreiftruppe“ und durch das „Empowerment“ der Mitarbeiter über eine weit höhere Reaktionsgeschwindigkeit bei der Arbeit vor Ort als andere, es gibt eine 24 Stunden-Erreichbarkeit durch Beauftragung eines Call Centers und vieles andere mehr.

Fazit: Die Firma erleichtert ihren Kunden deren Arbeit, läßt branchentypische Probleme gar nicht erst entstehen und dafür die Kunden umso besser dastehen. Die Kunden wiederum dankten das im folgenden Jahr in Form eines Umsatzwachstums jenseits der 20 Prozent.

05.2000

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