Sind die Anforderungen fair verteilt?

Ein Personalist eines internationalen Dienstleistungsunternehmens über ehrgeizige Ziele, lokale Gestaltungsfreiheit, diese zu erreichen und wichtige Beiträge des HR-Bereichs.

Inwieweit schlagt Konzernanforderungen bei Ihrer Arbeit durch?

In der Personalarbeit macht es sich insofern bemerkbar, als es einen vom Konzern definierten Employee Life Cycle gibt, von der Personalaufnahme bis zum Personalaustrittsgespräch. Die Art der Umsetzung der einzelnen Punkte ist aber den einzelnen Ländern überlassen. Wichtig ist nur, dass sie gemacht werden, das Wie können wir von Land zu Land individuell gestalten. Ein wichtiger Bestandteil  ist, dass man die KPIs möglichst meßbar macht, was im Personalbereich nicht immer ganz so leicht ist.

Wie erleben Sie das Thema Konzernanforderungen generell in Ihrem Unternehmen?

Bei uns ist es so, dass die Konzernanforderungen an die Geschäftsleitung in Österreich herangetragen werden und diese relativ viel abfedert und auf die heimische Situation umlegt. Unsere Struktur ist beispielsweise ganz anders als in Italien wo ein bestimmter Geschäftsbereich 50 Prozent zum Umsatz beiträgt, der sich bei uns nur im einstelligen Prozentbereich bewegt. Da die länderspezifische Situation teilweise sehr unterschiedlich ist, gibt es auch eine differenzierte Betrachtungsweise. Die geplanten Budget-, Umsatz- und Gewinnwerte sind natürlich immer sehr ehrgeizig, trotzdem haben wir sie 2010 erreicht. Das Management wird primär an den Zielen gemessen und wenn man die Ziele über Jahre nicht erreicht, kann es schon mal vorkommen, dass der Geschäftsführer ausgetauscht wird. Wir waren z.B. 2005 das erfolgreichste Land im Konzern, gemessen am Profit, dann hatten wir zwei Jahre, in denen wir nicht ganz so gut waren und weniger Gewinn gemacht haben und so gab es einen Wechsel in der Geschäftsführung. Das kann in Konzernen relativ schnell gehen und dessen sind sich viele Manager auch bewusst, daher entwickeln sie naturgemäß auch einen entsprechenden Ehrgeiz. Andererseits muss man dazusagen, dass so ein Austausch bei uns sehr selten vorkommt, das war eher ein Extrembeispiel. Dieses Köpferollen ist bei uns nicht Bestandteil der vorherrschenden Kultur. Es ist also nicht so, dass ein Manager, der in seinem Bereich einmal schlechte Ergebnisse erreicht, sofort personelle Konsequenzen zu fürchten hat. Bei dem angesprochenen Austausch haben aus meiner Sicht noch andere Faktoren eine Rolle gespielt, u.a. die lange Betriebszugehörigkeit, weshalb man mal wieder "frischen Wind" ins Unternehmen bringen wollte. An sich ist das Management bei uns relativ stabil.

Welchen Handlungsspielraum hat die Landesorganisation jenseits von ständigen Optimierungen und Zukäufen?

Wir sind ein Dienstleister, dementsprechend sind der größte Kostenblock die Personalkosten und der zweitgrößte die Lohnnebenkosten. Bei den direkten Personalkosten muss das operative Management sparen, aber auch bei den Lohnnebenkosten ergeben sich gewisse Möglichkeiten zu sparen. Z.B. dass der Urlaub ordentlich abgebaut wird und nicht für das nächste Jahr rückgestellt werden muss, oder Führungskräftetrainings, da sich bei Zufriedenheit der Belegschaft mit der Führung auch die Krankenstände verringern. Ein weiterer Punkt ist das Recruiting, damit wir genügend Arbeitskräfte haben und die bestehenden Mitarbeiter nicht zu viele Überstunden machen, was die Kosten ebenfalls erhöht. Durch ein gutes Management dieser Lohnfolgekosten konnten wir in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten, wodurch das Personalmanagement auch ein gutes Standing im Unternehmen hat.

Wie bekommt man die Konzernvorgaben auf den mittleren Ebenen mit?

Wir müssen regelmäßig reporten und versuchen natürlich ständig, gewisse KPIs zu optimieren und zu überlegen, wie wir bestimmte Dinge am besten messen und mit Zahlen belegen können. Z.B. eruieren wir die Arbeitsgeberattraktivität durch die Zahl der Initiativbewerbungen pro Monat. Durch diese KPIs versuchen wir zu belegen, dass wir erfolgreich sind und die einzelnen Punkte umsetzen. Wenn Werte nicht entsprechen, ist nicht gleich Feuer am Dach, sondern man überlegt im Managementteam, was man noch tun bzw. optimieren kann. Feuer am Dach ist höchstens dann, wenn nichts unternommen wird.

Die Wünsche und Ziele des Konzerns bekomme ich durch meinen Vorgesetzten insofern mit, als er mir teilweise die entsprechenden Dokumente zeigt und wir uns dann miteinander Gedanken machen, wie wir das umsetzen können. Das findet im HR Management oft im Dialog statt. Über die Ländergrenzen hinweg gibt es bei uns abersehr wenig Kontakt und Austausch, am ehesten noch einen Austausch über die jeweiligen Recruitingstrategien. Die einzelnen Länder arbeiten bei uns sehr autonom. Das macht auch Sinn, denn eine Kultur in Südafrika oder in Indien ist sicher eine ganz andere als in Österreich. Würden daher z.B. die Inder oder die Südafrikaner aufgefordert, das Mitarbeitergespräch so zu machen wie wir, würden sie berechtigterweise einwenden, dass sie das in ihrem Land unmöglich so durchführen können. Daher macht es Sinn, zu definieren, was gemacht werden muss, aber jedem Land selbst zu überlassen, wie das im Einzelnen passiert. Wir müssen also reporten, dass es gemacht wird, wie es bei uns gemacht wird und was wir konkret unternehmen, um bestimmte KPIs zu verbessern.

Das klingt nach wesentlich mehr Papierkram als in Familienunternehmen.

Ein Konzern hat gewisse Vor- und Nachteile, die hat ein kleines Familienunternehmen aber auch. Familienunternehmen können vielleicht etwas nachhaltiger wirtschaften, denn wenn der Chef sagt, ich will mir diese Investition leisten, damit es uns in zehn Jahren auch noch gut geht, dann wird das dort gemacht. Im Konzern ist es nun mal wichtig, dass die Quartalszahlen stimmen, dadurch wird manche Investition vielleicht nach hinten verschoben, obwohl sie notwendig wäre. Eines der Grundprobleme aufgrund der Distanz zwischen Headquarter und Ländern sehe ich darin, dass zwar Entscheidungen kommuniziert werden, aber den Betroffenen der Hintergrund der Entscheidung oft unklar ist, womit Manager dann bei den unteren Ebenen oft in Erklärungsnotstand kommen. Auf irgendeiner Ebene reist die Information dann ab. Der Geschäftsführer weiß vielleicht noch, warum die Vorgaben so sind, aber je weiter es runtergebrochen wird, desto eher reißt das irgendwann ab, zumal das ja selten explizit mitkommuniziert wird. Vielleicht wird mal nachgefragt, aber wenn dann nichts kommt, versiegt das oft wieder. Die Führungskraft fragt beispielsweise seinen Chef, der daraufhin sagt: "Ich habe das auch so aus der Zentrale bekommen." Er will aber nicht in der Zentrale lästig erscheinen und fragt daher nicht nach. Das habe ich wiederholt beobachtet. Es geht ja nicht nur um die Höhe von Vorgaben, sondern auch um die Aufteilung der Lasten: Wer trägt was dazu bei? Ist das fair verteilt? Das beginnt schon bei den Budgets. Zudem gibt es monatliche Forecasts, die wir Mitte des Monats machen müssen. Das beansprucht natürlich eine gewisse Zeit, denn man gibt ja nicht nur Zahlen ein, sondern muss sich darüber auch Gedanken machen. Meist dann, wenn man die Zeit gerade nicht hat. Wichtig finde ich, Konzernvorgaben immer so zu verpacken, dass sie für die Mitarbeiter praktikabel sind. Es muss klar sein: Was konkret heißt das jetzt für uns: Das zu klären und in einfachen Worten zu vermitteln ist Job der Manager.

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